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Der Siedlungsgang in Richtung Mulde stellt sich als ein Prozeß dar, der an der Elbe und ihren Nebenflüssen seinen Anfang nahm, über mehrere Jahrhunderte von der slawischen Bevölkerung vorangetrieben und unter deutscher Herrschaft weitergeführt wurde. Seinen vorläufigen Endpunkt erreichte er dort um 1100. Dieser Siedlungsgang verlief nicht gleichmäßig. So erreichten die Slawen wahr scheinlich vom Triebischtal her Nossen bereits im 9. Jh. oder schon eher. 1 Übergangserscheinungen in Orts- und Flurformen sowie gemischt deutsch slawische Ortsnamen oder slawische Namen mit der Bedeutung „neues Dorf“, z. B. Noslitz oder Nauslitz (Eichler/Walther 1966, S. 217), liefern einen Anhalts punkt für slawischen Landesausbau vor und zu Beginn der deutschen Herrschaft. Erst mit dem Fortschreiten der Produktivkräfte, insbesondere durch den Einsatz des Bodenwendepfluges, konnte das Gebiet südlich der Mulde schritt weise erschlossen werden. Das geschah ungefähr ab 1150. Für die nähere Um gebung Nossens sind diesbezüglich zwei Nachrichten von Bedeutung: einmal der Versuch Tammos von Strehla, 1141 im Zellwald ein Kloster der Schwarzen Mönche zu gründen, das jedoch „wegen der Nachlässigkeit der Mönche und der Wildheit der Gegend“ wieder einging; 2 zum anderen die Erwähnung von bereits gerodeten Dörfern in der Schenkungsurkunde des Markgrafen von Meißen von 1162 für das zu errichtende Kloster Altzella (CDS I, 2, 308). 3 So liegt es durchaus im Bereich des Möglichen, daß zu diesem Zeitpunkt die Siedel tätigkeit südlich von Nossen bereits in vollem Gange oder in einigen Orten schon abgeschlossen war. Äußerlich sind die in der zweiten Etappe der feudalen deutschen Ostexpansion entstandenen Dörfer durch eine große Flur und an einer Straße aufgereihte Bauernhöfe mit sich anschließendem Ackerland zu charakterisieren. Die deutsche Herkunft ihrer Bewohner drückt sich in den Orts namen auf -berg, -bach und -dorf aus. Betrachtet man den Siedlungsgang in der Nossener Umgebung im einzelnen (Abb. 1), so tritt der Dechantsberg mit seiner älterslawischen Burg als Siedlungs mittelpunkt in Erscheinung. Die wohl im 10. Jh. zerstörte Burg muß als ein vor geschobener Posten gegen das südlich angrenzende Wildland aufgefaßt werden. Nach den umliegenden alten Fluren zu urteilen, deutet sich ein kleiner Burg bezirk an, der vielleicht mit Rhäsa, Niedergruna, Nossen und dem östlichen Teil 1 Durch die Erkenntnisse über die Rüssener Gruppe ist die Einwanderungsrichtung jedoch unsicherer als früher. Auf jeden Fall gehört der Dechantsberg, die früheste slawische Burg der Nossener Gegend, mit seiner Keramik in die Entwicklungslinie Rüssen—Rötha- Leipzig. Vgl. dazu Brachmann 1970, S. 558; 1978, S. 102; Vogt 1978, S. 140f. Auf der Grundlage dieser Erkenntnisse muß auch die Möglichkeit in Betracht gezogen werden, daß die Einwanderung aus Döbelner Richtung erfolgte. 2 Darüber gibt die Urkunde von 1183 Auskunft (CDS I, 2, 475). Dort bestätigt Bischof Martin von Meißen die Klostergründung unter Bischof Mengenward und berichtet gleich zeitig, daß das Kloster wieder eingegangen ist. Übersetzt wurde die Urkunde von Herrmann 1953, S. lOf. Vgl. zu diesem Problem auch Abb. 6. 3 Man kann annehmen, daß es sich in der Urkunde u. a. um die Dörfer Tuttendorf, Berthels dorf und Christiansdorf (später Freiberg) handelt, die wegen der Silbererzfunde wieder ausgeklammert wurden. 14 Sachs. Bodendenkmalpflege 34 209