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AFD Arbeits- und Forschungsber. z. sächs. Bodendenkmalpflege 35, 1992 S. 197-206 IBRAHIM IBN JAKUB - EIN REISENDER DURCH SACHSEN VOR ÜBER 900 JAHREN Von Edith Hoffmann In der wissenschaftlichen Beilage der Leipziger Zeitung vom 2. 2. 1892 erschien aus der Feder von W. Schulte ein Beitrag unter dem Titel „Eine Reise durch Sachsen vor 900 Jahren“. Noch im gleichen Jahr veröffentlichte der Autor im Archiv für Landes und Volkskunde der Provinz Sachsen einen Aufsatz über „Ibrahim ibn Jqbs Reiselinie durch die heutige Provinz Sachsen nach Böhmen“ (Schulte 1892). Dabei berührte der Reisende unter anderem auch einen Ort, dessen Namen er in seiner Wegebeschreibung aufzeichnete. Nach der Lesart des überlieferten arabischen Konsonantenbestandes von W. Schulte handelt es sich bei Burgin (oder Burdschun) an der Muldäwa (Mulde) um Wurzen, das in einem Diplom Ottos I. vom 29. 7. 961 Vurcine, bei Thietmar Vurcin genannt wird. Etwas weniger überzeugend scheint dagegen die Gleichsetzung des von Ibrahim festgehaltenen Namens mit Nerchau, das etwas südlicher von Wurzen gleichfalls an der Mulde liegt, durch F. Westberg (Spuler 1938, S. 4; Strohmaier 1979, S. 151). Die Frage, wo Ibrahim die Mulde nun tatsächlich überschritten hat, bewegt die heimatkundliche Forschung verständlicher weise seit langem (Graefe 1936, S. 18 ff.). Eine eindeutige Lesart des Namens, der aus dem Westslawischen, speziell dem Altsorbischen, in das Arabische übertragen wurde, gibt es nicht, selbst wenn man dem Schreiber das Bemühen zubilligt, dem gehörten Namen graphisch möglichst nahezukommen. Alle Zuweisungen entweder an Nerchau oder an Wurzen müssen daher Spekulation bleiben, solange nicht weitere Handschriften in orientalischen Archiven gefunden werden, die den Orientalisten eine zweifelsfreie Lesart erlauben (Naumann 1964). Auch die Lageangabe „am Fluß Mulde“ kann nicht weiterhelfen, da dies ja für beide Orte zutrifft. Wichtiger als die Lokalisierung des Muldenüberganges Ibrahims erscheint jedoch die Tatsache, daß das Muldenland dank gangbarer Furten zu dieser Zeit von Reisenden auf ihrem Weg vom Saalegebiet nach Böhmen — und gewiß auch in umgekehrter Richtung — durchquert wurde. Der sogenannte Reisebericht Ibrahim Ibn Jakubs durch die Slawenländer gilt als eine der wichtigsten Quellen in arabischer Sprache zur Frühgeschichte der West slawen. Er ist enthalten im „Buch der Wege und Länder“ des in Cordoba ansässig gewesenen Abu Obaid Abdallah al-Bekri (t 1094). Von dem Werk blieben nur wenige vollständige Handschriften erhalten, eine davon in einer Bibliothek in Konstantino pel. Diese diente als Vorlage für eine Abschrift, die in die Hände des Holländers