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Burgwardkirche von Bautzen in den Rang einer Stiftskirche mit angeschlossenem Kollegiatstift erhoben, was die zentrale Bedeutung des inzwischen auch zur Stadtkirche gewordenen Gotteshauses erneut unterstreicht. Das Bild des milzenischen Feudalkomplexes in Budusin wäre unvollständig, wollten wir nicht auch die Frage nach dem Vorhandensein eines Wirtschaftshofes stellen, der dem Lebensunterhalt des Stammesfürsten diente, wo Dienstleistungen der Hörigen für die Adligen erbracht wurden und wo bereits seit Beginn des 10. Jh. ein Abgabesystem ausgebildet war. In diesem Sinne wäre Thietmars Formulierung zum Jahre 1002 zu verstehen, daß Boleslaw Chrobry „Budusin civitatem cum omnibus appertinenciis comprehendens..erobert (Thietmar, Chronik, Buch V, 9; vgl. Lübke 1986, Regest-Nr. 351, S. 191—193), was bedeutet, daß der polnische Herzog die Burg Budusin mit allem, was dazu gehörte, einnahm. Bei der Suche nach diesem „Zubehör“ der civitas bzw. urbs Budusin müssen wir auf die Existenz eines größeren Wirtschaftshofes bzw. -gutes schließen. 27 Im 12. Jh. ist für Budusin (Bautzen) in der Tat die Nennung eines Königshofes zu verzeichnen (Haller 1923; Frenzel 1933, S. 94—103). W. Frenzel wies in seiner Darstellung der Frühgeschichte von Bautzen im Nordosten der Stadt, im Niederungsgebiet des Albrechtsbaches, recht glaubwürdig die Ländereien des Wirtschaftshofes und des nachfolgenden königlichen Tafelgutes nach, welches nach neuesten Forschungen für die Zeit um 1152 belegbar ist (Frenzel 1933, S. 101 —103; Schrammek 1984, S. 38 f.). Im Zentrum dieser ertragreichen Wirtschaftsfläche liegt noch heute der sorbische Weiler Kleinbautzen (sorb. Budysink — 1440 villa Budissin), vielleicht ein Vorwerk jener Zeit. Noch im 19. Jh. erschloß der sogenannte Bautzener Steig diese Ländereien und führte geradewegs stadtwärts zum vermeintlichen Wirtschaftsgut bzw. dem Wirtschaftshof vor den Toren der Stadt, dem heutigen Kirchengut am Holzmarkt (Frenzel 1933, S. 102; Schrammek 1984, S. 38). Der Standort dieses Hofes ist dem beschriebenen landwirtschaftlich nutzbaren Territorium im Nordosten der Burgstadt und der Verkehrslage an der alten Hohen Straße optimal angepaßt. 28 Über das Tafelgut haben wir gemäß des Tafelgüterverzeichnisses des römischen Königs aus frühstaufischer Zeit, für Bautzen im ausgebauten Zustand nachweisbar um 1152, genauere Kenntnis und können es aufgrund von Urkunden, Ortsnamen und Flurformen nordöstlich der Stadt, zwischen Nadelwitz und Preititz, mit etwa 1 000 ha landwirtschaftlicher Nutzfläche ausweisen. Wir gehen sicherlich nicht fehl, wenn wir das Wirtschaftsgut des 10. Jh. ebenfalls an dieser Stelle, wenn auch nicht in diesem Riesenausmaß, suchen. 29 Das königliche Tafelgut kann entwicklungsgeschichtlich 27 Zum Begriff „appertinentia" gibt es heute die übereinstimmende Meinung, daß darunter ein „Zubehör“ der Burg, ein Wirtschaftskomplex für den Lebensunterhalt der Burgbewohner, zu verstehen ist (vgl. Schrammek 1984, S. 27 — 29). 28 Wenn auch die von R. Schrammek (1984, S. 31, 47, 78) entworfenen Lagepläne der Stadtentwicklung von Bautzen um 950,1070 und 1160 ausgesprochen hypothetische Natur aufweisen, so berücksichtigen sie jedoch weitgehend die Möglichkeiten der Straßenführung durch Bautzen. 29 Am überzeugendsten immer noch von W. Frenzel (1933, S. 101 f.) nachgewiesen. Einen derartigen Fronhof als Zentrum der landwirtschaftlichen Verwaltung, der Lagerhaltung und als Sammelstelle der Hörigenabgaben muß in der Nähe des Stammeshauptortes vermutet werden (vgl. Schrammek 1984, S. 38).