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Wehrsiedlung auf dem Protschenberg in Verbindung gebracht worden. Im sorbi schen Sprachgebrauch wird dieser Ort seit alters her als „Hrodzisko“ (Burgstätte) bezeichnet. 9 10 11 Stammesvororte liegen stets im Zentrum des Siedelgebietes. Sie sind von allen Seiten gut erreichbar, von Natur aus gut geschützt und liegen an fortifikatorisch günstigen Punkten sowie an bedeutenden überregionalen Verkehrswegen. Die hier aufgezählten Kriterien treffen voll auf den Hauptort der Milzener in Bautzen zu. Bei einem Vergleich mit den unmittelbar benachbarten Stämmen stellen wir fest, daß sich auch dort spätestens im 10. Jh. die Stammesvororte herausgebildet hatten, so bei den Lusizern Liubusua,10 bei den Daleminzern Gana" und bei den Hevellern Brenabor. 12 Das wesentlichste Argument für die Entwicklung der Milzener-Stammesburg in Bautzen wird in der Tatsache begründet, daß in der Regel im 10. und 11. Jh. der Vorort für den ganzen Stamm steht. Eroberte der Gegner diesen, so ging das gesamte Stammesgebiet verloren, wie wir es im Falle von Gana vor dem Jahre 929 und Liubusua zum Jahre 932 eindeutig erfahren. 13 Zum Jahre 932 erhalten wir in der Thietmar-Chronik die glaubwürdige Mitteilung über die Eingliederung der Milzener in den Herrschaftsbereich des frühfeudalen deutschen Staates mit den Worten „Ex ea Milzenos suae subactos dicioni censum persolvere coegit“, was bedeutet, daß von der neu (929) errichteten Burg (urbs) Meißen aus die Milzener von König Heinrich 1. unterworfen und tributpflichtig gemacht werden, ohne daß die Stammesburg namentliche Erwähnung findet (Lübke 1985, Regest-Nr. 37, S. 56 f.). Nichts weist darauf hin, daß eine planmäßige Befriedung oder gar Christianisierung bzw. drastische Ausschaltung eines Unruhe- 9 Vgl. Sachsse 1926, S. 14f., Plan 5. Der Ortsname Broditz ist eindeutig auf das sorbische brod = Furt zurückzuführen (Eichler/Walther 1975, S. 40 Nr. 77; Schuster-Sewc 1978, S. 68. Alle anderen geäußerten Anschauungen, Broditz zu den Podegrodici-Orten zu zählen (so bei Kühnel 1897, S. 131; Schütze 1959, S. 380), sind abwegig und nicht haltbar. Die in den Stadtausbau einbezogene Siedlung ist an der Spreefurt und am ehesten vor dem Schülertor, im Bereich der dort noch vorhandenen dorfplatzähnlichen Rundung, zu suchen. Alle Versuche, das ßroditz-Dorf über die langgestreckte Töpferstraße bis hin zum Holzmarkt anzusiedeln, sind abwegig und auf einer Fehlinterpretation der Urkundenstellen aufgebaut. Der Mangel an archäologischen Belegen slawischer Besiedlung von der Töpferstraße kann keineswegs die Existenz des Broditz-Dorfes in Frage stellen, denn nicht jeder „archäologische Nachweis (und auch Nichtnachweis) ist unumstößlich“ (vgl. dazu Schmitt 1990). Mag dieses Beispiel Anregung dafür sein, jede Gelegenheit archäologischer Fundbergungen im Stadtgebiet zu nutzen, zugleich jedoch auch als Warnung dienen, sporadische Einzelfunde überzubewerten! 10 Bereits im Jahre 932 hatte Heinrich I. die Lausitzer Stammesfeste Liubusua eingenommen und somit die Voraussetzungen für die weitere Eroberung des gesamten Stammesgebietes geschaffen (vgl. Thietmar 1962, Buch 1,16, S. 20f.: „Urbem quoque Liubusuam, de qua ..., urbanos in municiunculam infra eandem positam fugere et se dedicios fieri compulit“). Zur Lokalisierung von Liubusua, die bis heute offensteht, haben zahlreiche Autoren beigetragen (zusammenfassend Lehmann 1968, S. 525, 534, Anm. 1; quellenmäßige Belege und umfassende Interpretation durch Lübke 1985, Regest-Nr. 36, S. 55). 11 Der Kriegszug Heinrich I. gegen Daleminzien und die Belagerung der urbs Gana sowie deren Fall nach zwanzig Tagen erfolgten im April/Mai 929 (vgl. Lübke 1985, Regest-Nr. 27, S. 43 f.; Coblenz 1977). 12 Im Winter 928/929 zieht König Heinrich I. gegen die Heveller und unterwirft ihr ganzes Land (vgl. Lübke 1985, Regest-Nr. 25, S. 40 f.; Grebe 1976). 13 Beide Stammesvororte sind bislang nicht lokalisierbar. Das Spektrum der Lokalisierungsvorschläge wird verdeutlicht bei C. Lübke (1985, Regest-Nr. 27, S. 44, und Regest-Nr. 36, S. 55).