Landstrich, der in seiner westöstlichen Ausdehnung 45 und in nordsüdlicher rund 15 km mißt, hatte durch seine Lößbedeckung von höherer oder geringerer Qualität Bedingungen für die Ansiedlungen des Menschen seit Jahrtausenden geschaffen. Seine Spezifik erhielt es indessen als Durchgangsland zwischen West und Ost. 2 Die West-Ost-Magistrale bot am Schnittpunkt mit der Spree, in idealer topographischer Lage mit fast senkrechten Felswänden (210 — 220 m ü. NN), einen vortrefflichen Platz für den Bau einer Wehr- bzw. Burgsiedlung. Burg und später Stadt Bautzen, sorbisch Budysin, bilden seit urgeschichtlicher Zeit das Zentrum einer historisch gewachsenen Landschaft. Funde seit der mittleren und jüngeren Steinzeit sowie der archäologische Nachweis von Wehranlagen der jüngeren Bronze- und frühen Eisenzeit unterstrei chen diese Feststellung. 3 Bautzen zählen wir zu den ältesten befestigten Siedlungsplätzen des Mittelalters in Sachsen. Über die topographische Entwicklung von Burg und Stadt besteht seit der grundlegenden Arbeit von W. Frenzel von 1933 (S. 8) keine prinzipiell gegenteilige Auffassung (Hensel 1967). Obwohl das Stadtgebiet, insbesondere die Altstadt, in den Apriltagen des Jahres 1945 beträchtliche Kriegszerstörungen erlitten hatte, haben bislang keine zielgerichteten Stadtkernuntersuchungen vorgenommen werden können, um damit neue Aspekte zur Aufhellung der siedlungsgeschichtlichen Entwicklung zu gewinnen. 4 Erst seit jüngster Zeit bieten sich im Zusammenhang mit der dringend notwendigen baulichen Rekonstruktion der gesamten westlichen Kernstadt zuweilen Möglichkeiten für kleinflächige archäologische Untersuchungen, die das Bild der frühesten Siedlungsentwicklung vervollständigen und teilweise auch korrigieren (Schmitt 1986; Gerlach 1987; Gerlach/Wilhelm 1990). In der heutigen Stadtlandschaft von Bautzen bilden die Burgwallreste auf dem Friedhof des Proitzschenberges 5 , auf einer von der Spree umflossenen und durch steile Felshänge gesicherten westwärts streichenden Sockelfläche, direkt gegenüber dem Felssporn der Ortenburg gelegen, das bekannteste Bautzener Bodendenkmal. 2 In der Urgeschichte dieser Region beobachten wir immer wieder ein Durchdringen von Impulsen aus Osten und Westen, wenngleich zeitweise eine relative Abgeschlossenheit der Oberlausitz zu beobachten ist. Im allgemeinen setzt man für solche Siedlungsinseln wohl meist eine mehr oder weniger starke Abgeschiedenheit voraus (Coblenz 1964; Leciejewicz 1983). 3 Daß die Stadtlandschaft und das Umfeld von Bautzen Siedlungsstätten von der Steinzeit bis zum Auslaufen der Lausitzer Kultur beherbergte, haben Forschungen der 1901 gegründeten Gesellschaft für Anthropologie und Urgeschichte, zuerst unter der Leitung von R. Needon und nachfolgend von W. Frenzel, nachzuweisen versucht (vgl. W. Frenzel 1929; 1932, S. 138 — Fundstatistik). Wohnsiedlun gen und Wehranlagen der Lausitzer Kultur mit den dazugehörigen Gräberfeldern sind in der jüngsten Zeit hinlänglich bekannt geworden (vgl. Oberhofer 1963). 4 Der Wiederaufbau beschränkte sich auf einzelne Gebäude und konzentrierte sich auf Neubaugebiete am Stadtrand, so daß die historische Bausubstanz über Jahrzehnte hinweg dem Verfall preisgegeben war. Zur Rettung der Kernstadt von Bautzen wurde mit Hilfe der Technischen Universität Dresden unter Leitung des Ordinarius für Gesellschaftsbauten an der Sektion Architektur eine abgestimmte städtebauliche Leitplanung und ein hochbauliches Erneuerungskonzept erarbeitet (vgl. Trauzettel 1990; Müller/Hoffmann 1989). 5 Über die richtige Schreibweise des Flurnamens „Protschenberg“, nicht „Proitschenberg“ (vgl. Wilhelm 1963), ist bislang keine Übereinstimmung gefunden worden. Zum philologischen Nachweis, daß das eingeschobene „i“ keine Berechtigung in der ursprünglichen Namensform hat, vgl. Siegl 1991.