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(Blaschke 1965, S. 258). Die Sozialstruktur Altleisnigs war seit ihrer frühesten archivalischen Faßbarkeit fast ausschließlich durch Gärtner bestimmt. Dieser für ein normales Bauerndorf atypische Befund findet seine Erklärung in dem nichtbäuer lichen Ursprung der Bewohner solcher Orte, die, wie Niklasgasse vor Chemnitz (Kobuch 1983, S. 143) oder Altstadt Borna (Kobuch 1988), nur dem Namen nach Dörfer waren und als Nachfolgesiedlungen von Kaufmannsniederlassungen oder Frühstädten anzusehen sind. Auch die Bewohner Altleisnigs suchten ihren Unterhalt in einer gemischt-gewerblichen, ertragsintensiven Produktion wie der Imkerei, der Viehzucht und dem Anbau spezieller Kulturen. Das älteste landesfürstliche Urbar der Markgrafen von Meißen aus dem Jahre 1378 nennt Altleisnig als einzigen Ort in der Vogtei Leisnig mit einer Feudalabgabe von 41/2 Scheffel Mohn (Registrum 1933, S. 309). Auch verfassungsrechtlich erinnern gewisse retardierende Elemente an die städtische Vergangenheit Altleisnigs, sei es, daß sie der Restsiedlung als Entschädigung für den Verlust der Stadtqualität belassen oder später vom Grundherrn erneut bewilligt wurden. Im Amtserbbuch von 1548 findet sich der bemerkenswerte Satz: „Die Häuser darin hat der Richter von wegen der Gemeine zu verleihen; Ursachen, daß Vermutung, die Stadt sei etwa allda gestanden.“ Auch die erst von 1637 überlieferten Dorfstatuten weisen in einigen Punkten auf städtische Rechtsverhältnisse hin (Hingst vor 1860, Bl. 161). Den Bewohnern Altleisnigs war es u. a. gestattet, einen Leineweber zu halten, in der Stadt Leisnig unter und nach dem Wische zu kaufen und zu verkaufen gleich den Bürgern, kein Lehngeld zu geben, sondern nur nach altem Herkommen 1 alten Pfennig ins Gotteshaus zu entrichten und einander die Güter selbst zu leihen. Nachklänge des Marktrechts und der städtischen Erbleihe sind unverkennbar. Wir brechen hier ab. Als Begleit- und Folgeerscheinung des Landesausbaus traten Siedlungsverlegungen auch in anderen Städten des Pleißenlandes (Borna, Chemnitz, Colditz, Zwickau) auf, wo sie früher einsetzten als in Leisnig und die Stadtentwick lung topographisch wie rechtlich beschleunigten. Darauf wird an anderer Stelle zurückzukommen sein. QUELLEN- UND LITERATURVERZEICHNIS Blaschke, K. 1957: Historisches Ortsverzeichnis von Sachsen. Leipzig. Blaschke, K. 1965: Grundzüge und Probleme einer sächsischen Agrarverfassungsgeschichte. In: Z. d. Savignystiftung f. Rechtsgesch., German. Abt. 82, S. 223—287. Blaschke, K. 1967a: Bevölkerungsgeschichte von Sachsen bis zur industriellen Revolution. Weimar. Blaschke, K. 1967b: Nikolaipatrozinium und städtische Frühgeschichte. In: Z. d. Savignystiftung f. Rechtsgesch., Kanon. Abt. 53, S. 273 — 337. Blaschke, K. 1973: Studien zur Frühgeschichte des Städtewesens in Sachsen. In: Festschrift für Walter Schlesinger, Bd. 1. Köln-Wien, S. 333-381. Blaschke, K. 1984: Colditz (Dt. Städteatlas, Lfg. III,1). Altenbeken. Blaschke, K. 1990: Geschichte Sachsens im Mittelalter. Berlin. Bönhoff, L. 1908: Der Leisniger Kirchsprengel und sein ursprünglicher Umfang. In: Mitt. d. Gesch.- u. Altertumsver. zu Leisnig 13, S. 37 — 68. Eichler, E./H. Walther 1966: Die Ortsnamen im Gau Daleminze, Bd. 1. Namenbuch. Berlin. Fischer, H. 1948: Doppelstadt und Stadtverlegung. In: Z. d. Savignystiftung f. Rechtsgesch., German. Abt. 66, S. 237-260.