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translocatio civitatis, in einer Urkunde festzuschreiben, die den Ausnahmefall einer solchen Verlegung authentisch überliefert. Die Bedeutung dieser urkundlichen Dokumentation kann nicht hoch genug bewertet werden, da die Mehrzahl städtischer Siedlungsverlegungen nicht schriftlich überliefert ist. Da die Nikolaikirche nach der Stadtverlegung am ursprünglichen Standort verblieb, rückt die Frage nach dem Schicksal des alten Ortes in den Vordergrund. Das Entschädigungsverfahren von 1286 sicherte der Kirche das Weiterbestehen, und damit war ein weiterer Anlaß für die allmähliche Wiederbesiedlung der alten Stadtfläche gegeben. Es ist ganz sicher davon auszugehen, daß die alte Stadt („vetus civitas“ 1286) bei der Umsiedlung nicht völlig aufgegeben worden war, sondern außer der Kirche auch Wohnstätten erhalten blieben. Topographisch wurde die alte Siedelfläche offenbar nur entdichtet, aber nicht beseitigt. Es blieb eine Restsiedlung zurück, deren Fortbestand die Grundrißanalyse des noch heute bestehenden Dorfes Altleisnig bestätigt. Ihre Existenz sichert ferner die urkundliche Erwähnung. Zwingend trat zum Ortsnamen das Bestimmungswort Alt- hinzu, das fortan — lateinisch wie deutsch — in der archivalischen Überlieferung entgegentritt, wie die ersten Belege bezeugen: 1306 Antiqum Liznik und 1322 Aldin Liznik (Eichler/ Walther 1966, S. 163), 1326 aber auch — bei Erwähnung einer zunächst dort verbliebenen Mühle — civitas antiqua Lisnik (Schöttgen-Kreysig 1755, S. 229, Nr. 145). Nichts kennzeichnet deutlicher den Marktverlust als die Beurkundung des Ortsnamens; eine antiqua civitas ist eben keine civitas mehr, sondern villa, Dorf (Fischer 1952, S. 246 f.). Es war gesetzmäßig, daß die alte Stadt zum Dorf herabsank, wenn eine Restsiedlung zurückblieb. Die Rückentwicklung von der Stadt zum Dorf stellt ökonomisch wie sozial den Ausnahmefall dar. Sofern keine Wüstung zurückblieb, konnten die Restsiedler ihre städtische Vergangenheit auch nicht völlig hinter sich lassen. Das Beispiel Altleisnig indes gestattet Einblick in den allmählichen Übergang zum Dorf. Topographisch und sozial konnte nur eine Sonderform entstehen. Die Rückbildung des städtischen Grundrisses auf eine „lockere straßenartige Dorfanlage“ (Blaschke 1957, S. 162) hält bereits das Mögliche der topographischen Entwicklung fest (Taf. 11b); ein „Gassen dorf mit rundlichem Abschluß an der Ostseite“ (Eichler/Walther 1966, S. 163) wird man schwerlich als ursprüngliche Ortsform voraussetzen können. Wichtiger ist die Feststellung, daß Altleisnigs Flur keine Hufen aufwies (Blaschke 1957, S. 152). Das entspricht der Ausgangssituation der aus einer Kaufmannssiedlung hervorgegan genen Stadt, die anfangs über keinen Flurbesitz verfügte, durchaus. Daher konnten die Dorfbewohner Altleisnigs, mit einer Ausnahme vielleicht, keinen landwirtschaft lichen Betrieb von solcher Größe unterhalten, von dem sich eine Familie ernähren ließ. Sie besaßen nur unverhuften Boden geringen Umfangs und waren gezwungen, gemischt-gewerblich zu produzieren. Mit hoher Wahrscheinlichkeit waren diejenigen Ansiedler am alten Wohnplatz zurückgeblieben, die sich schon vor der Stadtver legung an der händlerisch-gewerblichen Betätigung der Bewohner Leisnigs nicht beteiligt hatten. So mündeten sie schon frühzeitig in die minderbäuerliche Schicht der Gärtner ein, die ihren Unterhalt nicht allein vom Feldbesitz bestreiten konnte