Fernstraße über die Freiberger Mulde im heutigen Dorf Altleisnig eine Kaufmanns siedlung. Der Vorteil des an dieser Stelle verdichteten Verkehrs für die Entfaltung des Marktbetriebes überwog den Nachteil der allerdings sehr großen Entfernung von mehr als zwei Kilometern bis zur Burg (Abb. 1). Der Standort ihrer Niederlassung war überaus typisch für die im meißnischen Markengebiet in der ersten Hälfte des 12. Jh. vielerorts entstandenen Kaufmannssiedlungen (Blaschke 1990, S. 113 f.). Und ebenso typisch ist die Verbindung dieses Ortes mit einer Nikolaikirche. Die Kaufleute verehrten den hl. Nikolaus als ihren Schutzpatron und weihten ihm ihre Kirchen, die unter ihrem eigenen genossenschaftlichen Patronat standen. Ihre Sakralbauten sind keineswegs mit den in der zweiten Hälfte des 12. Jh. entstandenen romanischen Saalkirchen mit Nikolaipatrozinium identisch, die in Colditz, Meißen, Rochlitz, Wilsdruff oder Zwickau errichtet worden sind, sondern waren aus Holz erbaut. Sie genügten damit den augenblicklichen Bedürfnissen der Kaufleute; sie konnten in den ersten Jahrzehnten ihrer Ansiedlung mit solchen Kirchen auskommen. Die Bedeutung der Burg Leisnig und der mit ihr verbundenen Gegebenheiten veranlaßte Herzog Friedrich III. von Schwaben, den nachmaligen Kaiser Friedrich I., um 1147 zu ihrem Erwerb und zur Einrichtung einer zunächst allodialen Burggraf schaft. Vielleicht waren alte Rechte des Reichs an Leisnig nie ganz erloschen, als Barbarossa 1158 die Burg mit dem Lehen des Burggrafen und dem umliegenden Burgbezirk im Ergebnis eines Gütertauschs mit Heinrich dem Löwen in Reichsgut verwandelte, das sich zu einem Stützpunkt der Zentralgewalt im Nordosten des gleichzeitig begründeten staufischen Reichsterritoriums Pleißenland entwickelte (Kobuch 1989, S. 110 ff.). Die Aufnahme des der Versorgung des Reisekönigtums dienenden Wirtschafshofes bei der Reichsburg Leisnig in das Verzeichnis der Tafelgüter des Römischen Königs aus der Mitte des 12. Jh. unterstreicht die Bedeutung des Leisniger Reichsgutkomplexes und die Rolle der dortigen Kauf mannssiedlung. Diese nahm eine günstige Entwicklung und wurde vom königlichen Gebietsherrn, also von Friedrich Barbarossa, wahrscheinlich um 1170 mit Marktrecht ausgestattet. Damit endete die genossenschaftliche Phase ihrer Existenz, indem sich die Kaufleute dem Schutz des Gebietsherrn unterstellten und die Vorteile einer königlichen Marktsiedlung im Pleißenland wahrnehmen konnten. Dazu gehörte auch ein steinerner Kirchenbau, dessen Errichtung sie beim König erbitten mußten. Es handelte sich um eine romanische Saalkirche, die anstelle des hölzernen Vorgänger baus, dessen Existenz hypothetisch vorauszusetzen ist, wohl zu annähernd gleicher Zeit wie die Nikolaikirchen in Colditz oder Zwickau am Ende des dritten Viertels des 12. Jh. entstanden sein wird. Auf sie ging das Patrozinium der Vorgängerkirche über, doch im Unterschied zu dieser handelte es sich bereits um eine ziemlich repräsentative Stadtkirche mit Turm, Saal und eingezogenem Chor, wenn man der Beschreibung Carl Wilhelm Hingsts (vor 1860, Bl. 7 r ff.) folgen darf, die vor ihrer 1860 erfolgten Vernichtung abgefaßt wurde. Die obrigkeitliche Konzession des Kirchenbaus konnte nur einem städtischen Gemeindeverband erteilt werden, der aus der genossenschaft lichen Vergangenheit herausgetreten war. Leisnig muß im letzten Viertel des 12. Jh. als eine königliche Stadt in der Marktrechtsphase angesehen werden.