AFD Arbeits- und Forschungsber. z. sächs. Bodendenkmalpflege 35,1992 S. 111-119 ZUR STÄDTISCHEN SIEDLUNGSVERLEGUNG IM PLEISSENLAND DER FALL LEISNIG Von Manfred Kobuch In seinem epochemachenden Buch über „Die Anfänge der Stadt Chemnitz und anderer mitteldeutscher Städte“ hat Walter Schlesinger (1952, S. 176f., Anm. 1) auf den merkwürdigen Vorgang einer in der zweiten Hälfte des 13. Jh. erfolgten Verlegung der Stadt Leisnig hingewiesen, der der Aufmerksamkeit der Forschung entrückt zu sein schien, obwohl Leo Bönhoff diesen Tatbestand vornehmlich unter kirchenrechtlichen Aspekten bereits 1908 (S. 44 — 46) dargelegt hatte. Schlesinger (1962, S. 409 f.) ist später nochmals auf den im meißnischen Markengebiet ziemlich einmaligen Hergang einer städtischen Siedlungsverlegung zurückgekommen, ohne daß seinen diesbezüglichen Ausführungen sogleich eine nennenswerte Resonanz folgte. Erst Karlheinz Blaschke hat in seinen Studien über das Nikolaipatrozinium (1967 b, S. 296, 333) und die Frühgeschichte des Städtewesens in Sachsen (1973, S. 362 — 365) die Leisniger Stadtverlegung beachtet und als Begleiterscheinung des Umzugs der Bewohner der Kaufmannssiedlung vom Muldenknie bei Polditz in die neue Stadt auf der Höhe vor der Burg Leisnig, sozusagen als Normvorgang im Rahmen der mehrstufigen Entstehung einer Rechtsstadt, festgeschrieben. Diese Beobachtungen sind wichtig gewesen, da sie zur Klärung der Frühgeschichte Leisnigs beitrugen, deren Kompliziertheit Schlesinger (1952, S. 177, Anm. 1) veranlaßte, eine „monographische Behandlung der Stadt“ zu fordern. Mit weiterer Durchdringung der Frühgeschichte des älteren Städtewesens im meißnischen Markengebiet flossen neue Erkenntnisse und Argumente in die Diskussion ein, die auch die Stadtentwicklung Leisnigs berühren. Sie sind der bisherigen Forschung verpflichtet. Bereits als Allodialbesitz der ekkehardingischen Markgrafen von Meißen, als salisches Königsgut und als Eigentum der Grafen von Groitzsch hatte die an einer wichtigen, Magdeburg und Prag verbindenden Altstraße gelegene Burg Leisnig überregionale Bedeutung erlangt. Unter Wiprecht von Groitzsch wurde der Leisniger Raum von einer frühen Phase des Landesausbaus erfaßt, die die gesell schaftliche Entwicklung dieser Region beschleunigte. Der von der Burg und ihren Bewohnern ausgehende Bedarf an Fernhandelsgütern lockte Kaufleute an, die sich in der Nähe der Burg niederließen. Als genossenschaftlich organisierte Fernhändler vermieden sie es, in allzu großer Nähe der Burg seßhaft zu werden und gründeten daher, die günstige Verkehrslage ausnützend, beim Übergang der genannten