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funde) sowie einer dichten Bebauung (Größe der Grundstücke, Kontinuität der Hausstellen). Meist sind auch Dienstleute der feudalen Oberschicht ansässig. Eine entwickelte Landwirtschaft der Umgebung muß ebenfalls als wesentliche Voraus setzung für das Aufblühen einer Frühstadt angesehen werden. 12 Insgesamt ist die Frühstadt „Ausdruck einer differenzierten Gesellschaft mit ver schiedenen Schichten und Klassen“ (Herrmann 1974, S. 199). 1.1.3. Zum Zusammenhang von frühstädtischer Entwicklung und staatlicher Zen tralisation Die bisherigen Forschungen machen deutlich, daß der allmähliche Übergang zur feudalen Produktionsweise und der damit verbundene Prozeß der Konsolidierung eines frühfeudalen Staates als wesentliche Faktoren angesehen werden müssen, die die Herausbildung frühstädtischer Zentren beschleunigten, ja sie erst im vollen Um fang ermöglichten. So kann man die von Hensel getroffene Feststellung, daß die Städte bei den Ost- und Westslawen in einer Zeit intensiver slawischer Staatsbil dung entstanden sind (Hensel 1967, S. 169), sicher auch auf andere europäische Ge biete beziehen, in denen der Übergang zum Feudalismus aus späturgesellschaftlichen Verhältnissen erwuchs. 13 In Gebieten, wo die Prozesse der staatlichen Zentralisation und Integration gar nicht stattfanden oder widerspruchsvoll verliefen wie bei den Sorben, Lausitzern, Wilzen und Obodriten wurde die Herausbildung frühstädtischer Zentren dadurch beeinträchtigt (Herrmann 1976 a, S. 154), und es kam nicht zu einer vergleichbaren Entwicklung wie in zur gleichen Zeit bestehenden frühfeudalen Staaten. Ein in diese Richtung führender Prozeß wurde bei den Sorben durch die Eroberungszüge Hein rich I. unterbrochen. Damit war hier der Möglichkeit einer eigenen Staats- und Herr schaftsbildung für immer ein Ende gesetzt. Unter den Bedingungen des frühfeuda len deutschen Staates kam es im Zuge seines inneren Ausbaus zu einer frühstädti schen Entwicklung größeren Umfangs, an der die slawische Bevölkerung einen be achtlichen Anteil hatte (Coblenz 1962, S. 137). Die Burgen erschienen nunmehr als Mittelpunkte eines nach territorialen Prin zipien gegliederten Gebietes und dienten der Sicherung der Herrschaft der deutschen Feudalklasse und der Aufrechterhaltung der staatlichen Macht. Da außerdem die 12 Allgemein dazu Hensel 1967, S. 157 ff.; Herrmann 1976 a, S. 153; 1976 b, S. 176; Turek 1969, S. 183; Czok 1969, S. 17. 13 Wie eng der Zusammenhang zwischen staatlicher Zentralisation und frühstädtischer Entwicklung gesehen werden muß, zeigt sich besonders am Beispiel des großmährischen Staates. Mit seinem Entstehen bildeten sich bedeutende frühstädtische Zentren wie Mikulcice, Stare Mesto, Nitra, Po- hansko u. a. heraus, die „eine außerhalb der antiken Welt bisher im frühen Mittelalter kaum bekannte Bevölkerungskonzentration“ (Herrmann 1976 a, S. 137) erreichten. Als das Groß mährische Reich jedoch vernichtet wurde, hatte die enge Bindung der Frühstadt an die herr schende Adelsschicht zur Folge, daß mit dem politischen Niedergang dieser Schicht die wirt schaftliche Entwicklung stagnierte und aus politischen, militärischen und wirtschaftlichen Fak toren heraus das Ende von Frühstädten in diesem Gebiet herbeigeführt wurde (Herrmann 1976 a, S. 139; sinngemäß Hensel 1967, S. 73 £.).