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S. 176). Die bisherigen Ergebnisse der Stadtkernforschung auf dem Territorium der DDR zusammenfassend, können sie für das in Wurzen, Mügeln und Nossen er reichte Niveau und den Umfang der städtischen Entwicklung als Maßstab dienen. Während in der ersten Stufe sich herausbildende herrschende Klasse und nicht agrarische Produzenten noch nebeneinander wohnten, wird in der zweiten Stufe durch das befestigte Suburbium eine Trennung von Oberschicht und nichtagrarischen Produzenten vollzogen (ebenda, S. 168); in der dritten Stufe legten die Kaufleute, Händler und Handwerker und andere Schichten ihre wenig befestigten Siedlungen bewußt in einiger Entfernung von der Burg an, um sich mehr und mehr der Kon trolle der Feudalgewalt zu entziehen. Äußerlich erscheint die Kaufmannssiedlung in deutscher Zeit meist als zweiseitig bebaute, nicht sonderlich breite Straße, auf der der Marktverkehr stattfand, wenn nicht eine Wegegabelung die Form des Marktes (Dreieck) bestimmte (Herzog 1964, S. 237 f.). Die bei Herrmann gegebene Übersicht macht genügend deutlich, daß aufgrund der sich über Jahrhunderte ändernden ökonomischen, politischen, verkehrsgeogra phischen und anderen Bedingungen und Verhältnisse nicht alle Orte gleichermaßen diese drei Stufen frühstädtischer Entwicklung durchlaufen haben, sondern daß diese zu einem bestimmten Zeitpunkt abbrechen oder erst mit einer späteren Stufe beginnen können. Außerdem muß in Betracht gezogen werden, daß nicht alle Stu fen durch archäologische und schriftliche Quellen exakt abzugrenzen sind. Ein sehr gutes Beispiel für eine archäologisch nachgewiesene und teils auch schrift lich faßbare, jahrhundertelange Siedlungskontinuität, die alle von Herrmann her- ausgestellten Stufen städtischer Entwicklung umfaßt, ist der von Grebe untersuchte, im slawischen Binnenland liegende Ort Brandenburg/Havel. 10 Weitere nicht so voll ständig zu belegende Beispiele in der Nähe der untersuchten Städte lassen sich mit Leipzig und Bautzen erbringen. Wurde bisher von „früher Stadtentwicklung“, „Herausbildung städtischer Ver hältnisse“, „frühstädtischer Entwicklung“ gesprochen, um den mehrere Entwick lungsstufen umfassenden sozialökonomischen und siedlungsgeographischen Prozeß der Stadtentstehung besonders hervorzuheben, so sollten mit dem Begriff „Früh stadt“ nur solche Siedlungskomplexe bezeichnet werden, deren bereits städtischer Charakter deutlich zum Ausdruck kommt. Damit wird der Begriff „Frühstadt“ zum Wertungskriterium für eine ganz bestimmte Entwicklungsstufe der Stadt. In diesem Sinne sprechen Schlesinger und Herrmann von „Frühstadt“, Müller-Mertens von „frühstädtischen Siedlungskomplexen“. Hensel bezeichnet dieses Entwicklungs niveau der Stadt als „Lokalrechtsstadt“. 11 Als Kriterien für das Erreichen dieser Entwicklungsstufe gelten besonders der Nachweis von spezialisiertem Handwerk (Produktionsstätten am Ort) und Handel (Münzen, Waagen, Gewichte, Import- 10 Vgl. zur Stadtentwicklung in Brandenburg/Havel Grebe 1973, S. 161 ff.; 1976, S. 156 ff.; 1983, S. 17 ff. Allerdings ist hier ein Vergleich mit Wurzen, Mügeln und Nossen aufgrund der an deren politischen Entwicklung nur sehr bedingt möglich. 11 Vgl. Schlesinger 1974, S. 31; Herrmann 1974; S. 199; 1976a, S. 86, 136, 148, 153; Deutsche Geschichte 1982, S. 442; Hensel 1967, S. 30; 1974, S. 183.