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landschaften erscheinen und in einigen Fällen zu Füßen solcher Stammesvororte Siedlungen mit Namen *podegrodici bestanden, deren Bindung an die ,Leipziger Gruppe' und in den einzelnen Belegen an große ein- und mehrteilige, vermutlich älterslawische Befestigungen auffiel (Brachmann 1978, S. 224; 1982, S. 147). Eine solche Entwicklung ist auch für Bautzen anzunehmen. Für die Oberlausitz ist außerdem auf die slawischen Burgwälle Ostro, Kopschin und Coblenz zu ver weisen (Gesch. d. Sorben 1977, S. 54). An solchen Orten konzentrierte sich das vor wiegend aus der Landwirtschaft erbrachte ständige Mehrprodukt größerer Bevöl kerungsteile. Traten noch weitere begünstigende Faktoren hinzu, wie eine gute ver kehrsgeographische Lage (z. B. an Flußübergängen) und das Vorhandensein von Naturreichtümern (z. B. Salz, Rohstoffe für Mühlsteine), siedelten sich handwerk liche Spezialisten an. Dann vereinigten sich an diesen Orten „die besten Vorausset zungen für eine Entwicklung, die über den lokalen Produktenaustausch hinaus am Ort zur Konzentration von Warenaustausch und Handel führen konnte“ (Brach mann 1978, S. 223). Schlußfolgernd ergibt sich, daß bei den sorbischen Stämmen im 8./9. Jh. ein deut lich archäologisch und in den schriftlichen Quellen faßbares Burg-Stadt-Verhältnis nicht in Erscheinung tritt, sondern nur vermutet werden kann. Erst mit dem Über gang zum Feudalismus bildeten sich beide Komponenten so weit heraus, daß neben der Burg auch die städtische Frühform in ihren verschiedenen Qualitätsstufen quel lenmäßig belegt werden kann. Infolge der Eroberungszüge Heinrichs I. gegen die slawischen Stämme gelangten auch deren Burgen in die Hände der Deutschen und wurden teils zerstört, teils dienten sie in den ersten Jahrzehnten deutscher Herrschaft als militärische Stütz punkte und Stätten der Tributerhebung, andere entstanden zu diesem Zwecke neu. Mit der Festigung der Feudalverhältnisse erfolgte der allmähliche staatliche Aus bau, der durch die Errichtung von Marken, Grafschaften und Bistümern gekenn zeichnet war. Als kleinste staatliche Einheit erscheint im letzten Drittel des 10. Jh. der Burgward (Schlesinger 1963 d, S. 245). Mit dieser territorialen Gliederung ge wann die Burg wieder eine umfassendere Bedeutung, denn im Burgwardsmittel- punkt wurden verschiedene Funktionen zusammengefaßt, und die Burgen wurden nun unter frühfeudälen Verhältnissen zu ökonomischen, politischen, militärischen und administrativen, in den meisten Fällen auch zu religiösen Zentren des frühfeu dalen deutschen Staates. Dieser Prozeß schließt Kontinuität und Diskontinuität der Burgenentwicklung ein. Der deutsche Feudaladel benutzte vor allem solche Burgen weiter, die strategisch und verkehrsmäßig günstig lagen, wahrscheinlich mehrteilig waren und möglicher weise schon durch eine nichtagrarische Siedlung ergänzt wurden, andere verfielen, da sie nicht jene Qualität aufwiesen. Zur ersten Gruppe gehören Wurzen und Mü geln, zur zweiten Nossen (Wechsel Dechantsberg - Rodigt). Mit Übernahme der Burg durch die Deutschen blieb nicht nur die Kontinuität der Burg erhalten, son dern fast alle ökonomischen, siedlungsgeographischen und kulturellen Beziehungen, die sich in älterslawischer Zeit herausgebildet hatten, erlebten ihre Fortsetzung. Das 87