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grundlegende Bedeutung zukommt. Echte Probleme dagegen ergeben sich zu Fragen der Herausbildung erster Formen städtischen Lebens. Bisher konnten bekanntlich archäologische Nachweise des Bestehens nichtagrarischer Siedlungen an slawischen Burgen des 8./9. Jh. im Gebiet zwischen Saale, Elbe und Neiße nicht erbracht wer den. Aber stellt man topographische Momente in Rechnung, läßt sich die Siedlungs konzentration an einigen Burgen nur aus der beginnenden Arbeitsteilung erklären, nicht aus den Bedürfnissen der landwirtschaftlichen Produktion. Beispiel dafür ist die Siedlungsanhäufung am Burgberg Ziegenhain mit einer befestigten Vorburg und der Schanze von Höfgen mit einer vermuteten Vorburg sowie einer weiteren slawi schen Siedlung, die bis in die deutsche Zeit konstant blieb (Coblenz 1970, S. 145 f. u. 140, Abb. 3 a). Die soziotoponymischen Namensfelder (Eichler/Walther 1969, S. 239 ff.; Brachmann 1982, S. 143) dürften ebenfalls in diesen Zusammenhang ge hören. Da die drei zu untersuchenden kleinen Gebiete voll in das sorbische Siedlungs gebiet integriert waren und ihre Burgen in die älterslawische Zeit zurückreichen, hat diese Problematik unmittelbare Bedeutung für die Herausbildung eines Burg-Stadt- Verhältnisses - besser dessen anfänglicher Form - in Wurzen, Mügeln und Nos sen. Auch für bedeutendere Burgen, z. B. die Mittelpunkte einer slawischen Land schaft oder Teillandschaft, steht bisher der Nachweis ihres „zugleich nichtagrari schen Charakters“ (Schlesinger 1960, S. 83) noch aus. Ansätze dazu deuten sich je doch in verschiedener Hinsicht an. Schlesinger verweist in diesem Zusammenhang auf die Ortsnamen Torgau (1119 Erwähnung eines Marktes) sowie auf Orte wie Baderitz, Boderitz, Poyritz und Pauritz, in denen er vom Ortsnamen her slawische Suburbien vermutet. Aufschlußreich ist auch seine sprachliche Interpretation des Namens „bürg“. Er zeigt an Beispielen (Konstanz, Fulda), daß der Name „bürg“ ursprünglich auf den „Gesamtkomplex der Befestigung und der dazugehörigen un befestigten Siedlung“ mit städtischem Charakter bezogen war, während später nur die Befestigung selbst so bezeichnet wurde (Schlesinger 1963 b, S. 63). Das gibt zu der Vermutung Anlaß, daß auch slawische Wehranlagen in den Quellen dieses Sprachraumes mit dem Grundwort „bürg“ bereits zur Zeit der Nennung aus einer Befestigung und nichtagrarischen Siedlung bestanden. Brachmann nennt als Bei spiele die Weidahaburg, die Kesigesburch und die Wogastiburc (Brachmann 1978, S. 223). Von burgentopographischer Seite her liefert Grimm einen weiteren Anhaltspunkt. Er macht in den Bezirken Halle und Magdeburg auf Burgen aufmerksam, die aus Burg und Vorburg bestehen und einen oder mehrere Vorwälle aufweisen. Er zieht als Möglichkeit in Erwägung, daß diese Burgen schon in slawischer Zeit mehrteilig waren und wegen ihrer Größe und Gestalt als deutsche Burgen übernommen wur den, während die kleineren einteiligen ihre Bedeutung verloren (Grimm 1958, S. 73). Brachmann stellt besonders heraus, daß die bei Grimm in Erwägung ge zogenen Burgen (Gommern, Zerbst, Teuchern, Tröglitz/Puonzowa, Zörbig) mit be reits in slawischer Zeit vorhandener Vorburg als Hauptorte von Stämmen und Teil-