Volltext Seite (XML)
sehen Stämme (Gesch. d. Sorben 1977, S. 61 f.) ist die Herausbildung von Burgen der gentiladligen Oberschicht für das 8./9. Jh. nachgewiesen (ebenda, S. 58; Brach mann 1969, S. 273). Letztere zwang zunehmend „Teile des eigenen Stammes in aus beutungsähnliche Abhängigkeitsverhältnisse“ (Gesch. d. Sorben 1977. S. 58). Nach Herrmann waren die Burgen im 8./9. Jh. vorwiegend Sitze kleiner Burgherren, de ren Machtapparat vor allem aus kleinen Gefolgschaften bestand (Herrmann 1968, S. 228). Die Ausgrabungen in Tornow bestätigen wohl hinreichend, daß diese Burg bezirke den „civitates“ der mittelalterlichen Quellen entsprechen, die als „kleinste bisher erkennbare gesellschaftliche Einheiten“ erscheinen, „aus denen sich die sla wischen Stammesgebiete dieser Zeit. . . zusammensetzten“ (Herrmann 1962, S. 131). Nach Brachmann erwuchsen die altslawischen Burgbezirke westlich der Elbe, wie auch im übrigen westslawischen Gebiet, aus einzelnen Siedlungskammern, deren Mittelpunkte Burgen waren. In den slawischen Burgbezirken sieht er ebenfalls die „civitates“ des Bayrischen Geographen und entsprechender Passagen der frühen narrativen Quellen. Dabei hebt er die „gegenüber den übrigen Gemeinwesen er höhte ökonomische Bedeutung“ sowie die sich im Bereich der Vororte der Siedel gebiete „konzentrierende politische, administrative und militärische Macht“ beson ders hervor (Brachmann 1978, S. 223). Schlesinger nimmt an, daß es sich bei den „civitates“ um eine durchgehende Gliederung des slawischen Siedelgebietes han delt; er hält es deshalb für wesentlich, „daß die Burg als Mittelpunkt jeglichen po litischen Bezirks erscheint, des Gebietes des Stammes sowohl wie seiner Unterbe zirke (civitates) (Schlesinger 1960, S. 82). 3 In diesen Burgbezirken ist mit zum Feu dalismus tendierenden Formen der Abhängigkeit zu rechnen, wie das die Abgabe des Schüttkorns (cip, sypac) verdeutlicht. 4 Da bei den Daleminziern und anderen slawischen Stämmen zwischen Saale und Neiße der Abschluß einer eigenständigen Feudalentwicklung durch verschiedene äußere und innere Faktoren nicht zustande kam, sind die „civitates“ als „kleinere, an Burgen gebundene Verwaltungseinheiten militär-demokratischen und halbfeuda len Charakters“ (Gesch. d. Sorben 1977, S. 63) aufzufassen, die dem Stamm bzw. Großstamm untergeordnet waren. Dieser politische Zentralisierungsprozeß führte aber noch nicht zur feudalen Staatsbildung. Übereinstimmendes Ergebnis der Forschung ist es also, daß der slawischen Burg samt Burgbezirk in der gesellschaftlichen Entwicklung der slawischen Stämme eine 3 Ob es sich bei den „civitates“ um eine durchgehende Gliederung des slawischen Siedelgebietes gehandelt hat, muß offen bleiben, da bei einigen Stämmen der politische Zentralisierungsprozeß weitgehend ausblieb. Eine Ordnung des Gebietes nach territorialem Prinzip wurde wohl erst mit dem nachfolgenden deutschen Burgwardsystem erreicht. 4 Wahrscheinlich trugen bei den „Glomaci-Daleminze" die Burgbezirke die Bezeichnung „zupy“ (Gesch. d. Sorben 1977, S. 63). Nach Billig könnte es sich beim „cip“-Korn um ein „von einer bäuerlich-slawischen Kriegeraristokratie eingelagertes Korn“ handeln, das der Ernährung der Bauern-Krieger diente, bald aber den Charakter einer ständigen Abgabe der Bevölkerung annahm und damit frühklassengesellschaftliche Züge bekam (mdl. Auskunft vom 10. 3. 1983). Die archäologische Bestätigung für diese Ansicht kann im Befund der Burg Tornow (Burg B/ 9. Jh.) gesehen werden, wo Krieger (Gefolgschaft) und Getreidespeicher in den gleichen Bauten untergebracht waren (Herrmann 1983, S. 11; 1966, S. 134 f.). 85