LDP: Publikationen des Landesamts für Archäologie Sachsen
Saxonica
Strukturtyp
Band
Parlamentsperiode
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Wahlperiode
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Titel
Die Entwicklung des Burg-Stadt-Verhältnisses in den bischöflich-meißnischen Städten Wurzen, Mügeln und Nossen von seinen Anfängen bis zur Mitte des 14. Jahrhunderts
Äußerlich bot Wurzen das typische Bild einer mittelalterlichen Stadt, die aller dings innerhalb der Stadtmauer keine Kirche besaß. Diese fast einmalige Tatsache gab Anlaß zu den verschiedensten Vermutungen. Es kann jedoch als sicher gelten, daß die Jakobskirche entwicklungsgeschichtlich zur Kaufmannssiedlung der Altstadt gehört, während die Domkirche von Beginn an mit dem Kollegiatstift verbunden war (Bönhof 1913, S. 1 ff.). Demzufolge kann als eigentliche Stadtkirche nur die 1275 erwähnte Wenzelskirche angesprochen werden, als deren Filial 1340 die Ja kobskirche erscheint (Bönhoff 1911, S. 15). Offensichtlich bot die Gründungsstadt so wenig Raum, daß die Kirche noch vor 1275 auf einer Anhöhe außerhalb der Stadt mauer ihren Platz finden mußte. So wurde sie in der Folgezeit zum Mittelpunkt einer Vorstadt (Czok 1979 b, S. 15). Insgesamt vereinigte die Stadt Wurzen im Mittelalter in sich alle Merkmale, die sie als ökonomisch und rechtlich vollentwickelte Stadt ausweisen. Von sozialökono mischer Seite her zählte sie zur Kategorie der mittleren Handels- und Gewerbestädte, wobei der Schwerpunkt auf dem Handwerk lag. Die Gründungsstadt bildete mit den älteren Siedlungen (Crostigall, Suburbium, Altstadt) und den ab 14. Jh. hinzutretenden Vorstädten (Wenzelsviertel, Vorstadt vor dem Eilenburger Tor) eine wirtschaftliche und ab 1413 eine rechtliche Einheit (Abb. 5 e). Gegen die dörfliche Konkurrenz errichtete sie eine Bannmeile (Schött- gen 1717, S. 510 f.; AEB Wurzen 5, fol. 200). Ihr ökonomisches und politisches Wachstum drückte sich darin aus, daß sie sich mehr und mehr gegen den Stadtherrn und seine Beauftragten durchsetzen konnte. Ausdruck dieses Kampfes sind die ver schiedenen Kompromisse, die der Bischof bzw. das Kapitel in Finanz- und Rechts angelegenheiten mit der Stadt eingehen mußten. So erscheinen wesentliche Einkünfte und Rechte in der Stadt in den Quellen des 16. Jh. zwischen dem Stadtrat und dem Bischof bzw. dem Kapitel geteilt. 34 Es wird aber auch deutlich, daß die Stadtherr schaft des Bischofs ungefährdet erhalten blieb. 34 Die Einkünfte an der Fähre waren im 16. Jh. zwischen dem Rat und dem Kurfürsten (ehemaliger bischöflicher Anteil) geteilt (Schöttgen 1717, S. 516). Ein Viertel vom „stethegeld" nahm um 1530 der Bischof ein (Domarchiv Meißen J. 12, bei Ebert 1930, S. 20 f.) Ausgaben für das Röhr wasser aus dem Tonneborn trugen Amt (ehemals Bischof) und Rat gemeinsam (AEB Wurzen 5, fol. 204 b). 1432 trafen Rat und Kapitel eine Übereinkunft, daß der Bierschank des vom Kapitel gebrauten Bieres auf die Domimmunität zu beschränken ist (Schöttgen 1717, S. 510 f.). 1481 vererbte der Bischof gegen Geld die Ober- und Untergerichte an den Rat (ebenda, S. 487; AEB Wurzen 5, fol. 199).