LDP: Publikationen des Landesamts für Archäologie Sachsen
Saxonica
Strukturtyp
Band
Parlamentsperiode
-
Wahlperiode
-
Titel
Die Entwicklung des Burg-Stadt-Verhältnisses in den bischöflich-meißnischen Städten Wurzen, Mügeln und Nossen von seinen Anfängen bis zur Mitte des 14. Jahrhunderts
2.3.3. Die Entwicklung der mittelalterlichen Recbtsstadt Wurzen bis zur Mitte des 14. ]h. Die mittelalterliche Rechtsstadt Wurzen dürfte um 1150 oder kurz danach entstan den sein (Blaschke 1976, S. 169). Ihre Gründung ist eine notwendige Folge des An wachsens der Produktivkräfte im Wurzener Raum, der Kolonisationsbestrebungen des Meißener Bischofs und der damit verbundenen Ausbreitung der Ware-Geld Beziehung. Obwohl ihre räumliche Entfaltung stark eingeschränkt war, denn sie umfaßte nur wenige kurze Gassen (Abb. 5 a), stellte sie gegenüber der Altstadt und dem Sub- urbium in verschiedener Hinsicht eine neue Qualität dar. Allgemein betrachtet, voll zog sich in ihr, wie in allen mittelalterlichen Städten, eine räumliche Verbindung von gewerblicher Marktproduktion und kaufmännischer Tätigkeit als Grundlage der Herausbildung des mittelalterlichen Städtebürgertums. Zum anderen geht aus späteren Quellen hervor, daß die Bewohner Wurzens einen gegenüber der Umge bung deutlich hervorgehobenen Rechtsstatus besaßen, der aller Wahrscheinlichkeit nach in die Entstehungszeit der Stadt zurückgeht. Für die rechtliche Stellung der Gründungsstadt können zwei bischöfliche Urkun den zum Vergleich herangezogen werden: der Kührener Ansiedlungsvertrag von 1154 und der Ansiedlungsvertrag für die Kolonisten in Löbnitz (CDS II, 1, 50; 59). Geht man davon aus, daß der Bischof dem Ort Wurzen als traditionellem Mit telpunkt einer Landschaft nicht weniger Rechte zugestanden haben wird als einem Kolonistendorf, so besaßen die Wurzener ihre Gründstücke mindestens zu dem selben Recht wie die Kührener Ansiedler, also in Form der freien Erbleihe, die sich nach Schlesinger (1961 a, b, S. 242 f., 291 f.) und Unger (1963, S. 47 f.) - auf städ tische Verhältnisse bezogen - als Gründerleihe darstellte und den im 12. Jh. beste henden Zusammenhang zwischen Kolonistenrecht und städtischen Grundbesitzrecht verdeutlicht. Wenn auch für die Gründungsstadt Wurzen eine Ansiedlung von Bewohnern aus der Altstadt und der näheren Umgebung angenommen werden kann, dürfte ihre rechtliche Stellung kaum geringer gewesen sein als die der „forense“ in der Löbnitzer Urkunde. Wahrscheinlich zahlten auch sie für ihre Grundstücke einen städtischen Arealzins und erhielten Marktrecht wie die Löbnitzer. Bei solchen Stadtgründun gen handelte der Bischof nach Schlesinger im Sinne des „ius fori“, das zwar einem königlichen Regal nicht gleichkam, aber der Stadt freies Grundbesitzrecht und „re gionalbeschränktes Kaufmannsrecht“ garantierte (Schlesinger 1961 b, S. 292). Als wesentliche Merkmale für die ökonomische und rechtliche Weiterentwicklung der Stadt dürften ihre Ummauerung und die Herausbildung eines Stadtrates gelten. Ein solcher wird 1432 erwähnt (Schöttgen 1717, S. 510 f.), bestand aber sicher schon eher. Seine Befugnisse waren allerdings sehr gering. Wahrscheinlich hatte er vor al lem die Funktion, Besitzangelegenheiten zu regeln und das innerstädtische Wirt schaftsleben zu organisieren (mit Einschränkungen). Über gerichtliche Angelegenhei ten konnte er jedoch erst ab 1481 entscheiden, als er die obere und niedere Gerichts-