LDP: Publikationen des Landesamts für Archäologie Sachsen
Saxonica
Strukturtyp
Band
Parlamentsperiode
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Wahlperiode
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Titel
Die Entwicklung des Burg-Stadt-Verhältnisses in den bischöflich-meißnischen Städten Wurzen, Mügeln und Nossen von seinen Anfängen bis zur Mitte des 14. Jahrhunderts
Müller-Mertens Gebietsherrschaft diente der Überwindung der „frühmittelalterli chen feudalistischen Zersplitterung des Staates“. Sie stellte eine „Zentralisation in der Dezentralisation“ dar und „entsprach den Klasseninteressen der damals noch fortschrittlichen Feudalherren“ (Müller-Mertens 1963, S. 334 f.). Sie ermöglichte in einem bestimmten regionalen Bereich eine rasche Entfaltung der Produktivkräfte. Die entstehenden Städte wurden wirksam für den Ausbau und die Festigung des Territoriums eingesetzt, indem sie einerseits gefördert, andererseits zu ökonomischen und militärsichen Leistungen herangezogen wurden. Aufgrund der städtischen Warenproduktion und der damit verbundenen Aus breitung der Ware-Geld-Beziehung erlangten die Städte neben dem Landesausbau und der Siedeltätigkeit eine Schlüsselstellung beim Aufbau von Landesherrschaften und wurden zu „Säulen des werdenden Territorialstaates“ (Unger 1982, S. 214). Ihre Entstehung trug wesentlich dazu bei, die Instabilität früher Landesherrschaft zu überwinden. 20 2. Die Entwicklung des Burg-Stadt-Verhältnisses in Wurzen von seinen Anfängen bis zur Mitte des 14. ]h. 2.1. Die sozialökonomischen und politischen Voraussetzungen 2 .1.1. Die Besiedlung des Wurzener Gebietes Seit dem Neolithikum war das Gebiet um Wurzen und Püchau ständig, wenn auch unterschiedlich dicht, besiedelt. Es umfaßte in slawischer Zeit eine kleine Landschaft, die 961 mit „altera regio Neletici" und 973 als „regio Neletici iuxta Mildam flumen“ bezeichnet wurde (MGD 0 I, 231; II, 30). Zu welcher politischen Einheit sie ge hörte, ist unsicher. Ursprünglich kann eine Verbindung zu den „Siusli“ (Herrmann 1968, Abb. 18; Brachmann 1978, S. 164, Abb. 59) gesehen werden, da sich west lich ihres Gaues ebenfalls eine „regio Neletici“ anschloß (MGD 0 II, 30). Später nahm die kleine Muldenlandschaft wahrscheinlich eine relativ selbständige Ent wicklung (Abb. 1). Nachweisbar ist eine slawische Besiedlung seit dem 7. Jh. Sie setzte mit der „Rüs- sener Gruppe“ ein und fand ihren weiteren Siedlungsniederschlag in der Keramik 20 Die Landesherrschaft Wiprechts von Groitzsch wurde noch in erster Linie durch die Person Wiprechts zusammengehalten, durch seine Maßnahmen wie Erschließung von Waldgebieten, Bur genbau, Ansetzen einer eigenen Ministerialität, Errichtung eines Hausklosters, Marktgründungen u. a. in Pegau. Obwohl der Aufbau seines Territorialkomplexes mit der Zentralgewalt im Ein klang stand, reichte die innere Stabilität noch nicht aus, um den Machtkomplex auch nach dem Tode Wiprechts zusammenzuhalten. Demgegenüber konnte der Markgraf von Meißen aufgrund der gewachsenen Stabilität des Territoriums, zu der auch Städte wie Leipzig und Freiberg bei trugen, und günstiger politischer Umstände nach kurzzeitiger Einziehung der Mark Meißen als Reichslehen (1195) seine Herrschaft im meißnisch-sächsischen Territorialkomplex wieder herstel len (vgl. dazu Unger 1982, S. 211, 128 f.).