LDP: Publikationen des Landesamts für Archäologie Sachsen
Saxonica
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Titel
Die Entwicklung des Burg-Stadt-Verhältnisses in den bischöflich-meißnischen Städten Wurzen, Mügeln und Nossen von seinen Anfängen bis zur Mitte des 14. Jahrhunderts
Der Prozeß der Herausbildung der Landesherrschaft vollzog sich in den südlichen Gebieten der feudalen deutschen Ostexpansion unter recht günstigen Bedingungen. Da das eroberte Gebiet durchgängig als Königsland galt und durch Vertreter der Königsmacht verwaltet werden mußte, erhielten vor allem die Fürsten und Grafen größeren, relativ geschlossenen Lehnsbesitz. Um diesen zu sichern, waren sie es auch, die in erster Linie nach Landesherrschaft drängten. Im Laufe des 11. Jh. kam der größte Teil des Königslandes als Lehensbesitz - und nach Verfall der Burgwards- verfassung - als Eigengut oder als unrechtmäßig erworbener Besitz in die Hände der Kirche, der Fürsten, Grafen und Edelfreien. Damit verfügten sie gleichzeitig über die vorhandenen nichtagrarischen und frühstädtischen Siedlungen und über weitere günstige Plätze, an denen ab Mitte des 12. Jh. im Zuge des Landesausbaus und der Siedeltätigkeit städtisches Leben entstehen konnte. Das Burg-Stadt-Verhältnis nahm nun konkretere lokal und regional bezogene Formen an. Bestand der Inhalt der Landesherrschaft im 11. Jh. für den höheren weltlichen und geistlichen Adel besonders darin, so viel als möglich Besitz und Eigengut zu gewinnen, davon Feudalrente abzuschöpfen sowie das Gebiet durch Burgen zu sichern, wurde im 12. Jh. das Bestreben deutlich, den Besitz zu Territorialkomple xen (Unger 1982, S. 214 f.) zusammenzufassen und den inneren Ausbau des Terri toriums weiter voranzutreiben. Dieses Ziel verfolgten die Markgrafen von Meißen ebenso wie der Bischof und die ansässigen Edelfreien. Landesherrschaft gewann am Ende, wer den meisten möglichst geschlossenen Besitz in seiner Hand vereinte, weit gehende Immunitäten erworben hatte und die ökonomische Entwicklung in seinem Territorium am meisten forcierte, d. h. Landesausbau und Siedeltätigkeit betrieb und in entscheidendem Maße die städtische Entwicklung förderte. Czok schreibt dazu bezüglich der Stadtentwicklung: „Aber wenn gesellschaftliche Bedingungen ent scheidend auf die städtische Siedlungsentwicklung einwirkten, dann die Machtver hältnisse. Es ist nicht zu übersehen, daß fast alle einflußreichen Teile der Feudal klasse in einem rücksichtslosen Konkurrenzkampf an dieser Stadtentwicklung be teiligt waren“ (Czok 1979 a, S. 241). Diese am Beispiel des Bezirkes Leipzig getroffene Feststellung unterstreicht nach drücklich, welche Bedeutung der Stadtentwicklung für den Ausbau und die Festigung der Landesherrschaft sowie des Territorialstaates insgesamt zukommt. Das wird auch daran sichtbar, daß Burgenbau und Anlage der mittelalterlichen Stadt oft zeit gleich nebenhergingen. Meist wurde dadurch das Burg-Stadt-Verhältnis auch auf topographischer Ebene vertieft. In Einzelfällen, z. B. in Leisnig und Grimma, rückte die neuangelegte städtische Siedlung auf Veranlassung des Landes- bzw. Stadtherrn aus machtpolitischen und militärischen Gründen näher an die Burg heran. Erst die Herausbildung der mittelalterlichen Städte ermöglichte eine arbeitsteilige Wirtschaftsweise und erschloß durch die kleine Warenproduktion und der mit ihr verbundenen Ware-Geld-Beziehung die ökonomischen Potenzen des Feudalismus im Territorium und trug darüber hinaus zur vollen Entfaltung der feudalen Forma tion bei. Herrmann kennzeichnet das Interesse des Feudalherren an der Stadt im 11. und 12. Jh. als ein vorwiegend ökonomisches (Herrmann 1974, S. 369). Die 103