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Auf dieser allgemeinen Grundlage bildete sich die mittelalterliche Stadt heraus. In Übereinstimmung mit Mägdefrau und anderen Autoren kann eine mittelalterliche Siedlung als Stadt bezeichnet werden, wenn sie folgende mehr oder weniger deutlich ausgeprägte Merkmale in sich vereint: die Konzentration von Gewerbe und Handel als Hauptfunktion und wichtigstes Kennzeichen, der Austausch der handwerklichen Produkte gegen land- und viehwirtschaftliche Erzeugnisse des Umlandes auf dem städtischen Markt, eine spezifische Bezeichnung, der Mauerring und das Stadtrecht (Mägdefrau 1979, S. 363 f.). Hensel hebt als Merkmale der mittelalterlichen Stadt die wirtschaftliche Eigen ständigkeit, die räumliche Geschlossenheit, die Wehrhaftigkeit, eine gegenüber der Landes- und Gebietsverwaltung exponierte Stellung sowie die rechtliche Sonderstel lung hervor (Hensel 1967, S. 14). Die mittelalterliche Stadtentwicklung im Zusammenspiel konkret-historischer Be dingungen führte zur Herausbildung verschiedener Stadttypen. So teilt Müller-Mer tens die Vielzahl der Städte in sozialökonomische Kategorien ein und unterscheidet demnach Fernhandelsstädte, Exportgewerbestädte, mittlere Gewerbe- und Han delsstädte, Ackerbürgerstädte und städtische Kümmerformen (Müller-Mertens 1981, S. 207). Bezogen auf das südliche Gebiet der feudalen deutschen Ostexpansion, kön nen danach Fernhandelsstädte wie Leipzig, Chemnitz (Karl-Marx-Stadt), Zwickau, Freiberg, mittlere Gewerbe- und Handelsstädte wie Oschatz, Grimma, Wurzen und Ackerbürgerstädte wie Wilsdruff, Nossen, Mügeln (13./14. Jh.) voneinander abge grenzt werden, abgesehen von städtischen Kümmerformen wie Dahlen, Brandis, Ner chau (Czok 1979 a, S. 242). Dabei konnten veränderte Entwicklungsbedingungen zu Veränderungen des Stadttyps führen. Allgemein kann man davon ausgehen, daß die sozialökonomischen Voraussetzun gen im regionalen und lokalen Bereich (Dichte der Besiedlung, Intensität der land wirtschaftlichen Produktion, Rohstoffvorkommen), die verkehrsgeographische Lage und die Entfernung zu anderen Städten, die Stellung des Stadtherrn im Feudal system (seine ökonomische Stärke, die Stellung innerhalb der herrschenden Klasse, seine politische Zielsetzung) und nicht zuletzt die Wirtschaftskraft und Organisiert heit der Stadtgemeinde ein komplexes, dynamisch wirkendes Bedingungsgefüge dar stellten, das entscheidend bestimmte, welcher Stadttyp sich herausbildete und in wel chem Grade sich im konkreten Fall die neuen, für die mittelalterliche Stadt typischen Produktions-, Eigentums- und Aneignungsverhältnisse durchsetzen und weiterent wickeln konnten. Dieses Bedingungsgefüge beeinflußte ebenfalls, welche Vollkom menheit die bürgerlich-städtische Autonomie erreichte und welchen Beitrag die Bür ger der Stadt zu ihrer Formierung als gesellschaftliche Schicht bzw. Nebenklasse des Feudalismus 16 leisten konnten. In ihrer Gesamtheit und Wechselwirkung mit der feudalen Umwelt führten die mittelalterlichen Städte im Zusammenhang mit der Durchsetzung der Ware-Geld- Beziehung den Feudalismus erst zur vollen Entfaltung, wiesen andererseits tenden ziell über ihn hinaus (Berthold/Engel/Laube 1973, S. 206). 16 Zu Fragen der Nebenklasse zuletzt zusammenfassend und weiterführend Küttler 1980, S. 75 ff.