LDP: Publikationen des Landesamts für Archäologie Sachsen
Saxonica
Strukturtyp
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Titel
Die Entwicklung des Burg-Stadt-Verhältnisses in den bischöflich-meißnischen Städten Wurzen, Mügeln und Nossen von seinen Anfängen bis zur Mitte des 14. Jahrhunderts
1.2. Burg und Stadt im Prozeß der vollen Entfaltung der feudalen Formation 1.2.1. Zur Entwicklung von Burg und Stadt unter den veränderten gesellschaftlichen Bedingungen War das Burg-Stadt-Verhältnis im Frühfeudalismus durch eine relativ weiträumige Burg und ein zugehöriges Suburbium bzw. eine Frühstadt gekennzeichnet, so voll zogen sich im Gebiet der feudalen deutschen Ostexpansion im 12. Jh. Prozesse, die zu einer neuen Qualität dieses Verhältnisses führten. Grundlegende Ursache dieser qualitativen Umgestaltung waren bedeutende Veränderungen in der ökonomischen Basis. Bis zum 11. Jh. hatten sich besonders in den westlichen Teilen und mit einer Phasenverschiebung bis zur Mitte des 12. Jh. in den östlichen Teilen des frühfeuda len deutschen Staates die Produktivkräfte im agrarischen und nichtagrarischen Be reich so rasch und umfassend entwickelt, daß ein allgemeiner Aufschwung zu ver zeichnen war. Dabei wirkten sich die neuen ökonomischen Bedingungen nicht nur auf den Umfang und die Struktur der Feudalklasse und den Burgenbau aus, son dern beeinflußten ebenso nachhaltig die weitere Entwicklung städtischer Verhält nisse. Während die Burg im Frühfeudalismus dabei der dominierende Faktor war, ver schob sich nun das Verhältnis von Burg und Stadt mehr und mehr zugunsten des öko nomisch, politisch, ideologisch und militärisch erstarkenden Bürgertums. Das führte zu tiefgreifenden Veränderungen auch im klassenmäßig-sozialen und topographi schen Bereich. Im Frühfeudalismus übte die durch die Burg repräsentierte Feudal gewalt die volle Herrschaft über die nichtagrarische Siedlung bzw. den frühstädti schen Siedlungskomplex aus. Je nach der Stellung des Burginhabers im Feudalsystem äußerte sich die feudale Stadtherrschaft in sehr differenzierten und unterschiedlich vollkommenen „grundherrlichen Befugnissen und politisch-staatlichen Rechten“ (Bert- hold/Engel Laube 1973, S. 197). Am elementarsten erscheinen die Gerichtsherr schaft und die Verfügungsgewalt über den Grund und Boden der Siedlung, über einzelne Areale wie über die städtische Allmende. Hinzu traten, je nach Bedeutung des Ortes, ehemalige königliche Regalien wie Befestigungsrecht, Münzhoheit, Markt- und Zollrecht, die dem Stadtherrn neben dem Bodenzins in Form von Abgaben, Ge bühren, Zöllen und Steuern zugute kamen und für die Einwohner eine Belastung darstellten (ebenda). Darüber hinaus besaß der Stadtherr über Teile der frühstädti schen Bevölkerung, besonders über unfreie Handwerker, Dienstlcute und in der Landwirtschaft tätige Bevölkerungsteile, Rechte und Einkommen, die aus seiner Stellung als Grundherr resultierten. Gegen diese politische Bevormundung und wirtschaftliche Beschränkung setzten sich die Bewohner der Städte in sehr unterschiedlichen Formen zur Wehr und führten den Kampf um die „bürgerlich-städtische Autonomie“ (Müller-Mertens 1981,S.210). Dabei kam es im Zuge der revolutionären kommunalen Bewegung, besonders in den älteren gewachsenen Städten (meist Bischofsstädte) und anderen Städten größeren Typs zu einer fast vollständigen Befreiung von der feudalen Stadtherrschaft und da-