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unabhängig nebeneinander bestanden haben. 42 Welcher Art dieses Verhältnis ge wesen ist, entzieht sich freilich bisher völlig unserer Kenntnis. Denn über die kleinen Wehrsiedlungen wissen wir noch weniger als über die großen Anlagen Bescheid. Ihre um rd. eine Zehnerpotenz geringere Fläche läßt immerhin vermuten, daß in ihnen nicht ein ganzer Stamm der genannten Größenordnung, also vielleicht nur eine wie auch immer geartete Oberschicht samt Abhängigen und Nutznießern (Ge folgschaft?, Handwerker) gesiedelt hat. Bei einem solchen Deutungsversuch kann das Ausbleiben gesonderter Burgbezirke ebensowenig verwundern wie die größen mäßige Übereinstimmung mit den ,AkropoIen‘ der Großsiedlungen. Keinesfalls wird man aber schon an eine ausgeprägte „Personenherrschaft über Siedlungsinseln“ wie bei den späthallstättischen ,Fürstensitzen‘ (Härke 1983, S. 468) denken dürfen. Die Gegensätzlichkeit spätbronzezeitlicher Höhensiedlungen in Westböhmen - einerseits autarke ,Stammesburgen‘, andererseits ,Stammeszentren‘ mit zugehörigem Hinterland - beruht u. E. also in erster Linie auf unterschiedlichen ökologisch ökonomischen Gegebenheiten. Sie sollte indessen nicht überbewertet werden. Denn es hat gewiß mannigfaltige .Zwischenlösungen' gegeben, wie die Überschneidung der archäologischen Kriterien im Einzelfall nahelegt. Als gesichert kann indessen der zeitliche Rahmen und das Gefälle beider Erscheinungen gelten. Reflektiert das Auftreten wehrhafter Siedlungen grundsätzlich einen bestimmten Entwicklungsstand der Gesellschaft, so wurde der synchrone Wandel in der Frequenz dieser Siedlungs weise und ihrer konkreten Formen zweifellos durch überregional wirksame äußere Veränderungen, wie wir meinen: Klimaschwankungen, ausgelöst und mitbestimmt. Auf diese Problematik sei hier nicht näher eingegangen. 43 V. Saldovä (S. 96; 1977, S. 138, 153, 158 f., 160 f.) kennzeichnet die spätbronze zeitlichen Burgwälle Westböhmens insgesamt als „dauernd besiedelte befestigte Höhensiedlungen von überwiegend agrarischem Charakter, verbunden mit Heim erzeugung - Töpferei, Spinnerei, Weberei“. „Für Metallbearbeitung wurden bislang keine Belege festgestellt“. Dennoch wird man diesen Produktionszweig, der wäh rend jener Jahrhunderte in ganz Mitteleuropa bevorzugt in den befestigten Siedlun gen betrieben worden ist (für Süddeutschland vgL Jockenhövel 1974 a, S. 52, Tab. 1), auch für die westböhmischen Anlagen voraussetzen müssen. 44 42 Der einer Burg zuweisbare Raum war mit 70-200 km 2 Fläche nach V. Saldovä (S. 95 f.; 1977, S. 158, 161) zu weitläufig, als daß er „von den Bewohnern der Höhensiedlungen aus eigenen Kräften hätte bewirtschaftet oder verwaltet werden können“. Die größten Einzugsbereiche lagen indessen im Mittelgebirgsumland, waren also weithin unbesiedelt. Die .Burgbezirke' in den zen tral gelegenen Siedlungsgefilden lassen sich zwar gegeneinander kaum abgrenzen, waren jedoch auch nicht größer als in Nachbargebieten mit ähnlichem ökologischem Angebot (z. B. Smrz/Mlady 1979, S. 47: 25 km 2 ; Simon 1984, S. 65: 70-100 km 2 ). Für die Kerngebiete westhallstättischer ,Fürstensitz‘-Territorien wurden sogar Durchmesser von 30-50 km erschlossen (Härke 1983, S. 468). 43 Ausführliche Diskussion bei Simon 1984, S. 42 ff.; für Böhmen vgl. u. a. Plesl 1961, S. 95 f.; Bouzek 1965, S. 66 f.; Smrz/Mlady 1979, S. 51; grundsätzlich zuletzt dazu Neustupny 1977. 44 Wie grundlegend sich das archäologische Fundbild wandeln kann, führt die Aufspürung zahl reicher Einzelbronzen und Bronzehorte mit Hilfe physikalischer Methoden auf dem Bleibeskopf bei Bad Homburg v. d. H. vor Augen (A. Müller-Karpe 1974).