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fälle, Überschwemmungen, Beeinträchtigungen der Ernte usw. [Klammerangaben] 300 waren folgende Jahre betroffen: 1094 (Thüringen, Böhmen), 1095-1096 (Böhmen), 1099-1101, [1118], 1120 (Westfalen), 1124-1126, [1133], 1140 (speziell Sachsen), 1145-1146, 1150-1151, [1154-1155], 1161-1162 sowie [1163, 1166], Während der folgenden Jahrzehnte bis zum Ende des 12. Jh. (letzter Gräberfeldabschnitt) kam es wieder zu günstigeren Bedingungen, die, abgesehen von der Hungersnot 1196 bis 1197, bis ins 13. Jh. fortdauerten.306 Wir gehen wohl nicht fehl, wenn wir die tendenziell ausnahmslos übereinstimmenden Hinweise auf eine erhöhte Morbidität (einschließlich der Wachstumsstörungen) und Mortalität in der Schirmenitzer Landbevölkerung um 1100 und während der ersten Hälfte des 12. Jh. mit diesem Geschehen ursächlich verknüpfen.307 Auch wenn die drei Belegungsphasen des Gräberfeldes nur schematisch geschieden und pauschal datiert werden können, springt die Kongruenz der anthropologischen Veränderun gen mit den historischen Daten ins Auge (Abb. 40308). Aus der Summe der schrift lichen Überlieferungen ist bereits geschlußfolgert worden, daß die Auswirkungen von Mißernten gerade auch auf dem flachen Lande, das nicht im Blickpunkt der Ge schichtsschreibung stand, „sehr bedeutend gewesen“ sein müssen. „Ein ungeheurer Menschenverlust ist eine der sichtbarsten Wirkungen einer jeden Hungersnot.“ 309 305 Nach C. Weikinn 1958, S. 34 ff. Erfaßt wurden nur für das weitere Elbsaalegebiet bezeugte Witterungsereignisse im Sommerhalbjahr, die nachweislich mit Verlusten und Einbußen an Ernte, Vieh und Menschen verbunden waren, soweit sie nicht ohnehin mit den überlieferten Hungersnöten verknüpft waren. 306 Die gegenüber dem 12. Jh., das von Hungersnöten mit Abstand am stärksten betroffen war, all gemein wesentlich günstigere Situation im 13. Jh. hebt auch F. Curschmann 1900, S. 39, hervor. 307 Das Schirmenitzer Beispiel illustriert damit, daß paläopathologischen Befunden oftmals ein her vorragender „Indikatorcharakter für die gesellschaftlichen Zustände“ zukommt; vgl. H. Grimm 1972 b, S. 101; ders. 1972 d, S. 14. 308 Abb. 40 c ist selbstverständlich lediglich ein Versuch, die ohnehin spärlichen und quantitativ nur bedingt vergleichbaren Befunde in einem Bild zusammenzufassen. Der Mortalitätsindex errech net sich aus dem Quotienten Zahl der Unteraltrigen : Zahl der Überaltrigen und verändert sich im Laufe der Gräbcrfeldbelegung von 0,7 über 5,5 auf 0,5. Der entsprechende Morbiditätsindex nach den nichtaltersgemäßen Befunden hinsichtlich Spondylarthrose, Arthrose der großen Ge lenke, Wachstumslinien und dünner Kortikalis/Kompakta wurde aus dem Quotienten der Summen (Minuswerte a + Pluswerte b) : (Pluswerte a ++ Minuswerte b) gebildet (vgl. Tab. 15). Er verschiebt sich von 1,0 über 4,3 nach 0,4. Ein ausgewogenes Verhältnis hätte jeweils bei 1,0 vorgelegen. 309 Vgl. F. Curschmann 1900, S. 60, 64 f. Abb. 40 (nebenstehend). Schirmenitz, Kr. Oschatz. Veränderungen der Mortalität und Morbidität in den drei Belegungsphasen des Gräberfeldes, a Mittleres Sterbealter der Erwachsenen (einschl. der erschlossenen Individuen) insgesamt, der Männer bzw. der Frauen; b Frequenz (Anteil der Betroffenen an allen nachprüfbaren Individuen) des Befalls durch Spondylarthrosis deformans (Sp), Schmorlsche Knötchen (.Sch) und Arthrosis deformans der großen Gelenke (Ar) sowie des Auftretens von Wachstumslinien (Wa) und dünner Kortikalis bzw. Kompakta (Ko), O = Individuen mit einem bzw. mehreren weiteren Mangelsymptomen (vgl. Abb. 38); c Index der Mortalität (Mt) und Morbi dität (Mb) (nach Tab. 15, vgl. Anm. 308); darunter Angabe der historisch überlieferten Jahre mit Hungersnöten (Linien) bzw. vermutlich schlechten Ernten (Strichellinien) im Elbsaalegebiet (vgl. Anm. 303, 305).