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gene, Kortisone) scheint die Entstehung von Hüftdysplasien zu begünstigen. Ob wohl gewiß in erster Linie genetisch bedingt und jedenfalls „angeboren“, wird diese Ossifikationsstörung also ebenfalls von exogenen Faktoren wie Ernährung und Stoff wechsel der werdenden Mutter beeinflußt. 290 Luxationshüften wurden bei im Winter halbjahr Geborenen tatsächlich weit häufiger als bei im Sommerhalbjahr Geborenen gezählt. Der für das unreife Hüftgelenk pathogen wirkende Hypertonus der Adduk torenmuskulatur tritt speziell bei chronischen Hunger- und Vitaminmangelzuständen (u. a. Mehlnährschaden, Rachitis!) auf. 291 Die hormonellen Regulationsstörungen werden z. T. durch Streßsituationen wie schwere physische Arbeit in den ersten drei Schwangerschaftsmonaten provoziert. 292 Da Hüftdysplasien in Schirmenitz offensicht lich gehäuft vorkamen, ferner von fünf beurteilbaren Erwachsenen mit dieser Fehl bildung vier minderwüchsig waren (Sk. 8, 23, 27, zu erschließen für Sk. 5) und nur einer in die mittlere Körperhöhenvariation fällt (Sk. 38), schließlich viermal auch Indizien für Stoffwechselstörungen der beschriebenen Art vorliegen (Tab. 27), dür fen ähnliche, in jedem Falle aber multikausale Zusammenhänge vermutet werden. Übrigens wird bei der Ätiologie der Scheuermannschen Krankheit ebenfalls, freilich wieder lediglich als eine von mehreren Ursachen, ein Mangel speziell an Vitamin A diskutiert. Bei gestörtem Eiweiß- und Fettstoffwechsel kann nämlich auch dieses u. a. für den Knochenaufbau wichtige Vitamin nicht ausreichend resorbiert werden. So kommt es bei Hungernden im Wachstumsalter angeblich vermehrt zu Keilwirbel- und Kyphosebildungen. 293 Die beiden Schirmenitzer Beispiele (Sk. 11, 47) wiesen demgemäß andere allgemeine Symptome von Hunger- und Mangelosteopathien auf (Tab. 27). Die Ausbildung von Harrisschen Linien nach Wachstumsstillstand in folge Vitamin A-Mangels ist auch tierexperimentell nachgewiesen. 293 a Die beschriebenen skelettpathologischen Veränderungen erlauben leider in keinem Falle eine eindeutige Diagnose - dies zu erwarten, hieße die spröden und in Schirme nitz zudem sehr lückenhaften Quellen überfordern. Hinsichtlich spezifischer Erkran kungen müssen wir uns also mit bestenfalls wahrscheinlichen Vermutungen begnügen. Andererseits weisen die Befunde sämtlich auf allgemeine Hunger- und Mangel zustände hin, denen ein größerer Teil der Schirmenitzer Bevölkerung periodisch - in mehr oder weniger ausgeprägter Form vielleicht sogar jedes Jahr - unterworfen war. Dies mögen z. T. regelrechte Hungersnöte gewesen sein. Das chronische Unterangebot an Eiweiß aufgrund einer kargen, vorwiegend durch Mehlprodukte bestimmten Nahrung bot indessen ständig die Gefahr in sich - etwa bei jahreszeitlich bedingtem Unterschreiten dieses Minimums und fehlender Sonnenbestrahlung im Winter 294 -, 290 VgL z. B. H. Büschelberger 1961 b, S. 12 ff., 60 ff., 67 ff.; Z. 111 y e s 1968, S. 452 f„ 455; H. Weyers 1968, S. 446 f. 291 Vgl. H. Büschelberger 1961 b, S. 61 f., 67. 292 Vgl. Z. 111 y e s 1968, S. 453 f. 293 Vgl. z. B. C. Oren di 1968, S. 46; K. Reinhardt 1976, S. 129; R. F. Matzen u. R. F. Matzen 1977, S. 50 (auch S. 54). 293a J. B. Wo Ibach 1947; I. Kühl 1977, S. 178, 181. 294 So gedeutet bei dem gut vergleichbaren Befund der Moorleiche I von Windeby; vgl. W. Haage