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schwere chronische Ernährungsstörungen im Wachstumsalter wie die Sprue. 286 Diese beruht vor allem auf einer Störung der Fettresorption, die häufig ebenfalls im Gefolge von Eiweiß- und damit Vitamin-D-Mangel entsteht und aufgrund eines stark nega tiven Phosphor- und Kalziumgleichgewichtes zu Resorptionsvorgängen im vorhande nen sowie Aufbaustörungen im neugebildeten Knochen führt. Das klinische Erschei nungsbild und die skelettmorphologischen Folgen ähneln dementsprechend denjenigen bei Kwashiorkor, Rachitis tarda und infantilem Skorbut. In die Reihe pathologi scher Symptome am Skelett gehören wie bei unserem Beispiel wieder eine dünne Kortikalis, schmale Diaphysenschäfte, verbreiterte Epiphysen sowie betonte Wachs tumszonen, die nach wiederholten Krankheitsschüben in Form von Wachstumslinien sichtbar bleiben. Bei Skelett 18 lassen starke, unregelmäßige Sklerosierungen des linken proximalen Femurschaftes (Abb. 37) zunächst an eine durchgemachte Osteomyelitis denken.287 Da im benachbarten Spongiosabereich aber kein Destruktionsherd erkennbar ist und die periostalen Veränderungen nicht eng umschrieben sind, muß eher an die Folgen eines infantilen Skorbuts (Möller-Barlowsche Krankheit) gedacht werden. 286 287 288 Bei dieser auf Vitamin C-Mangel beruhenden Erkrankung von Säuglingen und Klein kindern kommt es am Skelett, vorwiegend am Femur, zur Bildung subperiostaler Hämatome, vermehrten Kalkeinlagerungen in den Wachstumszonen, Ablösung der Epiphysen, allgemeiner Spongiosa- und Kortikalisathrophie und erhöhter Knochen brüchigkeit. Wie in unserem Fall läßt sich die Erkrankung noch im Erwachsenen alter anhand ausgedehnter, flächiger Hämatomverkalkungen am Periost der Diaphyse sowie breiter, dichter Epiphysenlinien nachweisen. Freilich erreicht der Knochen mantel bei Skelett 18 längst nicht die z. T. groteske Ausbildung klassischer Befunde; auch fehlen die ähnlich wie bei der Rachitis auftretenden Spongiosaquerbänder, und die Kortikalis ist von normaler Stärke. Eine auffällig dichte Epiphysenlinie sowie eine starkwandige Diaphyse (im oberen Drittel lateral bis 1,3 cm) zeigen ebenfalls die Femurfragmente von Skelett 45, bei diesem Individuum übrigens in Kombination mit Wachstumslinien, dünner Kortikalis sowie Spongiosafleckung. Mit einem stär keren Befall der Schirmenitzer Kleinkinder ist indessen sicher nicht zu rechnen, da angesichts der damals üblichen langen Stillzeit 289 die notwendige Vitamin C-Zufuhr normalerweise gewährleistet war. Ein Defizit an bestimmten Vitaminen könnte bei einer Reihe weiterer pathologischer Veränderungen mitgewirkt haben, die wir unter anderen Gesichtspunkten bereits behandelt haben. Für den gesamten Stoffwechsel, speziell für die Kalkresorption und 286 Vgl. z. B. P. D c ä k 1966, S. 61 f., 84; C. Ot cn d i 1968, S. 45 f. 287 Eitrige Knochenmarkentzündung verschiedener infektiöser Genese mit Durchbruch unter das Periost, in der Folge eitrige Knochenhautentzündung und reaktive Kompaktaneubildung; vgl. z. B. L. Winter u. S. Papp 1964; P. Deäk 1966, S. 100 f., 126 f., 373 ff.; E. Bür gel u. G. Bierling 1973, S. 38 ff.; R. F. Matzen u. R. F. Matzen 1977, S. 137 ff. 288 Vgl. z. B. P. Deäk 1966, S. 40, 70 f„ 81, 88, 344; C. Oren di 1968, S. 34 f., 559 f„ 574 f., 584. Belege aus dem europäischen Mittelalter nennt C. Wells 1975, S. 757. 289 Vgl. z. B. U. Ehmer, W. Reinhardt, H. Bach u. A. Bach 1971, S. 178.