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unauffällig (Abb. 36,7,2). Weitere Langknochen stehen nicht zur Verfügung. Wegen der starken Abrasion ist nicht sicher festzustellen, inwieweit die proximalen Gelenk enden gegenüber den sehr grazilen Diaphysen trichterförmig verbreitert waren. Daß es sich nicht etwa um eine postmortale Deformation handelt, zeigen die auch äußer lich erkennbaren unregelmäßigen Sklerosierungen auf der Konkavseite des Tibia- Schaftes, die von periostalen Reaktionen im Sinne eines statischen Ausgleichs her rühren dürften. 280 Bei der mit Säugling bestatteten etwa Zwanzigjährigen aus Grab 44 läßt das allein beurteilbare linke proximale Femurbruchstück wiederum auf eine Schaftverbiegung nach vorn schließen. Bei den genannten Individuen fanden sich ferner deutlich ausgeprägte Wachstumslinien 281 , eine schwammige, fleckige Spongiosa struktur sowie eine auffällig dünne Kortikalis. Skelett 4 weist darüber hinaus osteo- porotische Resorptionen besonders in den Wirbeln und eine unregelmäßige, struktur arme Zeichnung der metaphysären Spongiosa auf (Tab. 27). All das sind freilich keine ausschließlich bei Rachitis auftretende Symptome, und selbst die Langknochen deformierungen sind im Grunde wenig spezifisch. Bestimmte Schädelkonfigurationen oder die typischen Auftreibungen an den sternalen Rippenenden („Rosenkranz“) sind möglicherweise lediglich erhaltungsbedingt nicht nachweisbar. Aber auch die bei Mangel an Vitamin D und anderen Vitaminen auftretenden Zahnschmelzdefekte (Hypoplasien) wurden nicht beobachtet. 282 Unsere Befunde können deshalb nur zurückhaltend als Mineralisationsstörungen angesprochen werden, die an Rachitis erinnern. 283 Doch gibt es andererseits kaum Zweifel daran, daß sic im Zusammen hang der geschilderten Mangelerscheinungen stehen. Ebenso mehrdeutig und unbestimmt ist die Ätiologie des schon erwähnten Gibbus in der Brustwirbelsäule des eben genannten Skeletts 3 (s. Abb. 41-45). Angesichts der anderen pathologischen Veränderungen bei dieser Frau fühlt man sich an die Etymologie des Wortes Rachitis erinnert, denn „rickets“ (Buckel) waren früher eine besonders auffällige Folge der Englischen Krankheit. 284 285 Doch kommen ebenso andere Ursachen in Betracht, vor allem konsumierende Infektionen 28 -’ oder aber weitere 280 Vgl. z. B. P. Dcäk 1966, S. 77; C. Oren di 1968, S. 38; F. Heuck 1976, S. 57. - Wie problematisch die isolierte Betrachtung eines Symptoms ist, zeigt die Ähnlichkeit unseres Befundes mit nichtrachitischen, angeborenen Unterschenkelverbiegungen ; vgl. z. B. R. F. Mat zen u. R. F. Matzen 1977, S. 378 f., Abb. 252 (Crus varum congenitum). Zu weiteren Vitamin-D-resistenten erblichen Rachitiden vgl. z. B. P. Deäk 1966, S. 73; C. Oren di 1968, S. 40 f. 281 Ganz ähnlich bei Rachitis; vgl. z. B. F. Heuck 1976, Abb. 37. Als rachitisspezifisch gelten aber breitere Bänder; vgl. u. a. P. Deäk 1966, S. 311, 317. 282 Vgl. z. B. R. Reichardt 1974, S. 167 ff. Sie fehlen auch in anderen ur- und frühgeschicht lichen Bevölkerungen weitgehend; vgl. A. Bach, H. Bach u. U. Ehmer 1975, S. 222. Im Gegensatz zum Epiphysenwachstum wird ein optimaler Kalziumeinbau in das Gebiß offenbar schon durch kleinste Vitaminmengen gewährleistet; vgl. H. Aebi 1964, S. 89. H. Grimm 1972 b, S. 100, führt dementsprechend ebenfalls nur wenige Belege an. 283 Vgl. L. Vyhnänek 1969 a, S. 51; H. Grimm 1972 b, S. 92, 100 f. 284 H. Grimm 1972b, S. 96, zitiert als eines der wenigen Zeugnisse für rachitisverdächtige Ossi fikationsstörungen bei den Altslawen eine „rachitische Rückgraterkrankung“ bei zwei slawischen Skeletten von Damm, Kr. Rostock (nach W. K a s b o h m 1953, S. 118). 285 Vgl. S. 274 ff.