Die Veränderungen hinsichtlich Sterbealter, Spondylarthrose und Arthrose der gro ßen Gelenke sind also durchweg gleichsinnig verlaufen. In der ersten Hälfte des 12. Jh. wurden in Schirmenitz demnach gehäuft Erwachsene begraben, die vorzeitig an degenerativen Gelenkleiden erkrankt gewesen und frühzeitig verstorben sind, während davor und danach offensichtlich etwas bessere Bedingungen vorgeherrscht haben. Die Auswertung ernährungsbedingter Wachstums- und Stoffwechselstörungen wird diesen Befund bestätigen (s. Abb. 40). Weiter gefaßt, begegnet uns dasselbe Phänomen bei einem Vergleich mit den bäuerlichen Bevölkerungen von Großschwab hausen und Espenfeld: Die Staffelung des Arthrosebefalls entspricht kaum zufällig derjenigen der Erwachsenensterblichkeit (Abb. 11), und wie diese scheint jene vom „Lebensstandard“ i. w. S. mitbestimmt gewesen zu sein. Schirmenitz markiert in dem Jahrhunderte währenden Wandel also auch in dieser Beziehung einen Tiefpunkt der allgemeinen Entwicklung. Schwere Arbeitsbedingungen und - wie wir sehen wer den - durch Mangelernährung bedingte Entwicklungsstörungen verschiedener Art haben hier wohl mit einer durch Engzuchtverhältnisse geprägten genetisch-konstitu tionellen Disposition zusammengewirkt. Wachstums- und Stoffwechselstörungen Bei Auswertung der Körperhöhen war bereits auf den Anteil unterdurchschnittlich kleiner Erwachsener in der Schirmenitzer Bevölkerung hingewiesen worden. Die Streuung der dokumentierten und der aus den Grabgrubenlängen annähernd erschlos senen Individualdaten (Abb. 15) läßt trotz ihres geringen Umfangs insgesamt und in beiden Geschlechtern eine zweigipflige Verteilung erkennen, deren kleinerer Gipfel jeweils durch Minderwüchsige (0 < 150 cm, ? < 140 cm) bestimmt wird (Abb. 33239). Diese stellen immerhin 31 % aller beurteilbaren Erwachsenen (nach gewiesen für Grab 5, 27, erschlossen für 8, 11, 13, 17, 18, 23, 30 a, 33 a; vgl. auch Juvenile bzw. Juvenil-Adulte aus Grab 6, 10, 20). Der nur etwa 120 cm große Mann aus Grab 5210 ist als Zwerg zu bezeichnen; mehrere Erwachsene haben anscheinend Körperhöhen zwischen 130 und 140 cm besessen. Die Häufung von Zwerg-, Kümmer- und Kleinwuchs weist auf pathologische Verhältnisse hin. Abgesehen von den gerin gen Dimensionen aller Knochen mangelt es an speziellen Merkmalen, die von vorn herein eine nähere Bestimmung zuließen. Freilich schließt der schlechte Erhaltungs- 239 Erfaßt und im folgenden ausgewertet werden hier auch die (allerdings nur in der Größenord nung schätzbaren) Körperhöhen für Sk. 4 - 150 cm (Grabgrube leicht schräg angeschnitten 180 cm lang, Schädelbereich bereits zerstört, ganze L. ca. 200-210 cm geschätzt) - und für Sk. 11 - 140 cm (Grabgrubenbreite 65 cm, nach Vergleichen L. ca. 170-210 cm). 240 Das relativ gut erhaltene Skelett ist nach der Bergung leider in Privatbesitz verschollen. Der archäologisch und medizinisch-anatomisch interessierte Finder, M. Voigt, Oschatz, bezeugt aus drücklich: „Die Länge des Ski. betrug vom Kopf bis Fußknöchel nur 120 cm“ bei einer Grab grubenlänge von 200 cm. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, daß die Wirbel des offenbar erst adulten Mannes (nach dem vollständigen, intakten Dauergebiß geschätzt auf „ca. 25-30 Jahre") „starke Abnutzung“ zeigten und die „Hüftgelenkpfannen . . . stark erweitert“ waren (Fundunterlagen im Archiv des Landesmuseums für Vorgeschichte Dresden). Ersteres dürfte auf deutliche spondylotische Veränderungen, letzteres auf eine Koxarthrose und möglicher weise auf eine Hüftdysplasie hinweisen.