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Ernährung durch Mehlprodukte muß sich kariesfördernd ausgewirkt haben. Der relativ hohe Befall in mittelalterlichen Landbevölkerungen unterscheidet sich tat sächlich signifikant von dem weit geringeren in urgeschichtlicher Zeit. 177 Typische Kariesbefunde weisen deshalb im Einzelfall ihrerseits auf die Ernährungsweise hin und geben damit letztlich Aufschlüsse über die soziale Situation der jeweiligen Gruppe. Die genetische Disposition ist vor allem für den individuellen Befund von Bedeutung. Sie könnte aber gerade in Engzuchtgruppen wie der Schirmenitzer ein mal zum Tragen gekommen sein. Besondere ökologische Bedingungen (z. B. hoher Fluorgehalt des Trinkwassers) lassen sich in unserem Falle nicht erkennen. Die Anteile der Gebisse mit kariösen Zähnen und (gewöhnlich auf Karies zurückzu führenden) intravitalen Verlusten an den wenigen erfaßten Gebissen spiegeln die übliche altersabhängige Zunahme selbstverständlich nur in gröbsten Zügen wider (Tab. 16). 178 Frauen, insbesondere junge, waren offenbar mehr als Männer betrof fen (8:4, bei den Adulten 6:1), was mit ihrer ungünstigeren Stoffwechsellage während der Schwangerschaften bei auch sonst größerer Belastung (vgl. Mortalität!) Zusammenhängen dürfte. 179 Die Kariesfrequenz aller Erwachsenengebisse liegt mit 57,9 % (Mutungsbreite 33,5-79,8 "o) im unteren Bereich entsprechender Daten für die bäuerlichen Vergleichsgruppen (54,1-79,2 °0).180 Die als Maßstab nächstens Tabelle 16. Schirmenitz, Kr. Oschatz. Kariesfrequenz in den Altersstufen, beide Geschlechter (Sk. 45 zu frühmatur gerechnet). Gebisse mit K = kariösen Zähnen, I = intravitalen Verlusten, MG = Milchgebiß, WG = Wechselgebiß, DG = Dauergebiß. infans I-juvenil MG+WG DG frühadult spätadult matur- scnil adult- senil n 6 1 8 6 5 19 nK 0 0 1 1 2 4 %nK 0 0 12,5 16,7 40,0 21,1 nl 0 0 0 2 1 3 %nI 0 0 0 33,3 20,0 15,8 nKI 0 0 1 1 2 4 % nKI 0 0 12,5 16,7 40,0 21,1 % nK + % nl + % nKI 0 0 25,0 66,7 100,0 57,9 d e r s. 1976 a; d e r s. 1976 b. Demgegenüber mutet die aus Abgaben an das Kloster Hersfeld, wenn auch mit Einschränkungen, erschlossene Ernährung der Espenfelder geradezu optimal an: ..Die Hauptnahrungsmittcl waren Schweine- und Schaffleisch, Weizenbrot und Geflügel, Eier und Honig. . vgl. A. Bach u. H. Bach 1970, S. 232; U. Ehmer, W. Reinhardt, H. Bach u. A. Bach 1971, S. 177; A. Bach , H. Bach u. U. Ehmer 1975, S. 225 (Zitat). 177 Vgl. A. Bach, H. Bach u. U. Ehmer 1975, S. 225, Tab. S. 226; A. Bach 1978, S. 88, Abb. 16. 178 Dennoch läßt sich die Zunahme (bei Zusammenfassung der Werte für früh- und spätadult) auf dem 90-%/o-Niveau sichern: x2 = 4,928 bei f = 2. 179 Kariesbereitschaft erhöht u. a. während der Pubertät, während der Schwangerschaft und bei er schöpfenden Krankheiten; vgl. R. Reichardt 1974, S. 166. 180 Großschwabhausen KF 66,7% (34,9-90,1 %), KI 17,6% (13,4-22,5%) (K. Simon 1977, S. 327 f., Tab. 9); Camburg KF 54,1 % (frad. 14,3, spad. 40,0, frmat. 88,9, spmat.-sen. 100,0 %)>