zur Zeit der deutschen Ostkolonisation auch hinsichtlich der Körperhöhe gegenüber der Bevölkerung im deutschen Altsiedelraum einer Retardation unterlegen. Die rasche Körpergrößenzunahme um 1200 reflektierte dann letzten Endes den sozial ökonomischen Aufschwung und ethnischen Ausgleich in jenen Jahrzehnten, die zu allgemein verbesserten Lebensumständen sowie zu einem Aufbrechen der Isolate geführt haben. 11 ' Die erschlossenen Zusammenhänge deuten sich übrigens auch für die Folgezeit an: Der in mancher Hinsicht regressiven historischen Situation ent sprechend folgte im späten Mittelalter anscheinend wieder eine Periode stagnieren der oder gar erhöhter Mortalität sowie geringeren Körperhöhenwachstums. 117 118 Die soziale Bedingtheit der durchschnittlichen Körpergröße steht grundsätzlich außer Frage. Großwüchsigkeit von Vertretern der sozialen Oberschichten ist auch aus dem engeren Vergleichsrahmen belegt. 119 Für die entsprechenden Serien deutet sie sich ebenfalls an (Abb. 16). 120 Wie hinsichtlich der Mortalität muß also auch bei einer Rekonstruktion der Körperhöhenentwicklung deren soziale Bestimmtheit berück sichtigt werden. Daß ein solches Modell aber selbst dann die reale Dynamik nur ganz unvollkommen wiederzugeben vermag, versteht sich von selbst. Die gegen wärtige Akzeleration bestätigt zum einen, daß diesbezügliche Veränderungen inner halb weniger Generationen ablaufen können, und vermittelt andererseits eine Vor stellung davon, wie komplex das zugrunde liegende Faktorengefüge sein kann. 121 Epigenetische Merkmale Die herkömmlich miteinander verglichenen deskriptiven Merkmale sind ebenfalls zu sporadisch überliefert, um über allgemeine alters- und geschlechtsbedingte Kenn zeichen hinaus Eigentümlichkeiten der Schirmenitzer Bevölkerungsgruppe als Gan zes erkennen zu lassen. Weniger als Ersatz, denn als willkommene Ergänzung bietet sich eine Auswertung kleinmorphologischer Variationen wie Gebiß- und Zahnano malien, Nahtvarianten, Gefäßöffnungen usw. 122 an, da sie sich auch an stark frag- 117 Vgl. z. B. N. - G. Gejvall 1960, S. 51: „Among thc reasons put forward for the increase in stature in later times are the breakdown of conditions of Isolation, better Standards of living and improved housing. The same circumstances are also claimed to bc responsible for the risc in the average life span.“ 118 Vgl. S. 197 und Anm. 113. 119 Vgl. z. B. H. Grimm 1965, S. 272; d e r s. 1969, S. 537; d e r s. 1972 a, S. 56 f. 120 Freilich nur, wenn man die lokalen gleichzeitigen „Normalwerte" und berechnungsbedingte Kor rekturen berücksichtigt. Die Körperhöhen der böhmischen Serien fallen anscheinend generell etwas niedriger als für das Saalegebiet aus (vgl. z. B. Brandysck n. L. u. Lahovice mit Dreitzsch), so daß die - zumal nach Manouvrier bestimmten - Werte für Libice und Hradsko u Kanina auf Körperhöhen deuten, die gewiß über dem Durchschnitt liegen. Zu Bilina vgl. Anm. 116. 121 Vgl. z. B. H. Grimm 1966, S. 77 ff.; A. S ä I z I e r 1967, S. 18 ff., 27 ff. - Von den ver schiedenen Theorien der Akzeleration erklärt die u. a. von D. Vogt (1959, S. 150) vertretene - in der Umkehrung - am besten unseren gegenteiligen Befund. Danach ist die Akzeleration auf den gehobenen Lebensstandard in seiner Komplexität zurückzuführen. Wichtigste Einzelfaktoren bil den „bessere, insbesondere eiweiß- und vitaminreichere Ernährung, Eindämmung von Infektions krankheiten und Ernährungsstörungen, Einschränkung der körperlichen Belastung durch frühzei tigen Arbeitseinsatz, sowie bessere Erholungsmöglichkcitcn mit vermehrtem Aufenthalt an frischer Luft und Sonne“. 122 Vorläufige Liste z. B. bei A. Czarnetzki 1971, S. 2 ff.