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Bleiben wir noch bei dieser Rekonstruktion, so sehen wir auf Abb. 40 a ein Stück von der aufgeschnittenen Tibia eines Rindes, aus dem das Füllstück b hergestellt ist. Auf Abb. 40 c sind die Zahnplättchen bereits zusammengefügt, nachdem sie auf gleiche Stärke geschliffen worden sind, und die roh zugerichteten Deckplatten liegen schon oben auf. Auf Abb. 40 d ist der Kammrohling geklebt und auf die endgültige Form gebracht. Wollten wir diesen Kamm aus Hirschgeweih herstellen, müßte uns eine große Auswahl von Geweihen zur Verfügung stehen; denn nur selten wird eine Geweihstange eine so große Deckplatte in bestimmter Stärke liefern. P. Grimm 21 schreibt über die Kammacherwerkstatt von Quenstedt, Kreis Hettstedt: „Die runden pfriemenähnlichen Stangen werden dann in flache Plättchen von 3-4 mm geschnitten, die dann z. T. ausgesägt die Einsatzstücke mit den Zähnen bilden. Andere werden in flache Scheiben von 3-4 mm Dicke geschnitten, die dann die Deckscheiben für die dazwischengesetzten Plättchen mit den Zähnen bilden.“ Unsere Originalkämme, zumindest die Zahnplättchcn, sind alle aus spongiosafreier Wandung hergestellt. Alle Geweihe haben nur eine verhältnismäßig dünne Wan dung. Die spitzen Enden des Geweihes lassen sich unmöglich bei der Kammher stellung verwenden, weil sie das Feingerüst bis in die Spitze ausfüllt (Abb. 4). Wir können den Fundkomplex von Quenstedt eher als unbrauchbaren Abfall an sehen. Anders erscheinen die Umstände und das Material von Großjena, Kreis Weißenfels 22 . Dieser Fundkomplex enthält brauchbares vorgearbeitetes Rohmaterial, welches gebeutelt zum Transport oder zur Aufbewahrung liegenblieb. Es ist denk bar, daß der Kammacher, um nicht ganze Geweihe transportieren zu müssen, die ihm zusagenden Partien aus den Geweihen an Ort und Stelle grob heraussägte und mitnahm. Die technischen Probleme bei der Herstellung von Kämmen aus Geweih sollen am Muster des (original aus Knochen gefertigten) eines Kammes aus Grab 49 von Zauschwitz (Abb. 17) etwas näher erläutert werden. Es machte Mühe, an einer Geweihstange eines Zwölfenders eine Stelle zu finden, aus der die 117 mm langen Deckplatten gewonnen werden konnten. Abb. 41 a zeigt die aus der Gabelung am zweiten Sproß ausgesägten Deckplattenrohlinge, Abb. 41 b die zusammengefügten Zahnplättchen und das Füllstück. Zusammenfassend kann aus unseren Kammrekonstruktionen abgeleitet werden: Am schwierigsten bei der Kammherstellung ist die Beschaffung geeigneten Rohmaterials und das grobe Zurichten der Kammteile. Manches Einzelteil, dessen Bearbeitung schon viel Zeit in Anspruch genommen hat, erweist sich im letzten Moment noch als Ausschuß. Nur das stärkste und gesündeste Material läßt die maximalen Maße der Originale zu. Alle genieteten Kämme, auch die zweiteiligen, quervernieteten, setzen sehr gutes Zusammenfügen der einzelnen Teile voraus. Ohne die einzelnen Fugen zu kleben, ist ein gutes Abrichten der Kammplatte kaum denkbar. Ein Auf kleben der Deckplatten wäre nicht unbedingt notwendig, aber es garantiert deren 21 P. G r i m m 1930, S. 169, Taf. XVIII. 22 F.-K. Bicker 1936, S. 295, Taf. 63.