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einer der großen Pilgerstraßen zum Grab des hl. Jacobus in Santiago de Compostela an der Westküste Spaniens. Das umgeformte Naundörfchen war bis nach dem zwei ten Weltkrieg, in dem es zerstört wurde, durch eine Holzbrücke über den Pleiße- mühlgraben zugänglich (Abb. 1,7). Der Zugang vom Ranstädter Steinweg aus er folgte durch eine Gasse, die die langgestreckte, im Mittelalter durch ein schmales „Gräbchen“ (Abb. 1,9) vom Naundörfchen abgetrennte Jakobsparochie mit ihren Hinterhöfen und Gärten durchkreuzte (Abb. 1,8). Als die „Schottenkirche“ nach der Reformation abgetragen und ihr Friedhof aufgelassen worden war, übertrug man die Bezeichnung Naundörfchen auch auf das Siedlungsgebiet der ehemaligen Jakobs parochie. Wie die Eintragung auf der Kartenskizze ausweist, lag der Vergrabungs ort des Münzschatzes jedoch im Naundörfchen selbst, und zwar in seiner Westhälfte (Abb. 1,76). Es ist also berechtigt, den Fund der silbernen Meißner Groschen als „Münzfund vom Naundörfchen“ zu bezeichnen. Mit der Angleichung einer bäuerlichen Ortsgliederung an jene der Jakobsparochie scheinen sich auch die beruflichen Tätigkeiten der Bewohner des Naundörfchens verändert zu haben. Später sind es vorwiegend Fischer, die hier wohnten und die ihr Gewerbe in dem noch fischreichen Wassernetz der Aue betrieben; außerdem wohnten auch Fleischer hier, 4 die vermutlich in dem nahen Schlachthof am Pleiße- mühlgraben tätig waren (Abb. 1,73). Aus welchem sozialen Milieu der Münzschatz stammt, ist also ungewiß. Die Stelle, an der der Münztopf lag, konnte durch die nachträglichen Angaben des Finders noch im Planum (Abb. 1,76) und höhenmäßig (Abb. 3,7 7) fixiert werden. Zwar war das Erdreich (Abb. 3,2), das den von der Spitzhacke getroffenen Topf unmittelbar umgab, mit den restlichen Gefäßsplittern beim Ausschachten fortge schaufelt worden, aber die sich in der 30 cm dahinterliegenden Schachtungsgrenze abzeichnenden Abfallgruben (Abb. 3,3,6) nötigten nach archäologischer Präparierung des Schnittes zu weiteren Erörterungen. Es handelte sich um den Typ der älteren mittelalterlichen formlosen Abfallgruben, die in der Nähe der Wohnstätte im Hof oder auf der Rasenfläche hinter diesem je nach Bedarf ausgeschachtet wurden, um bald wieder verfüllt zu werden. Bei der Anlage einer neuen Grube kam es vor, daß zufällig eine ältere wieder angeschnitten wurde. 5 Im vorliegenden Fall ist die Grube auf der rechten Seite der Zeichnung die ältere (Abb. 3,3). Wie diese Abfall gruben im Bereich der 1976 durchgeführten Ausschachtungen verliefen, konnte leider nicht ermittelt werden, damit aber auch nicht, ob der Münztopf in die Ab fallgrube noch während der Zeit ihrer Benutzung gekommen war. Er müßte dann, der Projektion der Fundstelle auf die dahinter befindliche vertikale Schnittfläche der Abfallgrube entsprechend, mehr in der Nähe ihres oberen Randes gelegen haben (Abb. 3,11). Wahrscheinlicher ist es, daß der Topf nur zufällig in den Bereich der ehemaligen, längst verfüllten und wieder mit Erdreich überdeckten Abfallgrube 4 H. Füßler 1952, S. 23. 5 Über mittelalterliche Abfallgruben dieser Art und den mittelalterlichen Siedlungshorizont im glei chen Gebiet siehe H. K ü a s 1966, S. 352.