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Chemnitzer Anzeiger und Stadtbote : 19.09.1883
- Erscheinungsdatum
- 1883-09-19
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id512382794-188309199
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id512382794-18830919
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-512382794-18830919
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Chemnitzer Anzeiger und Stadtbote
-
Jahr
1883
-
Monat
1883-09
- Tag 1883-09-19
-
Monat
1883-09
-
Jahr
1883
- Titel
- Chemnitzer Anzeiger und Stadtbote : 19.09.1883
- Autor
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dem Nachtpolizeidiener Grimm zu Hilfe kommen wollten, wurden von den Unmenschen nicht unerheblich verletzt. Die Gendarmerie hat heute Nachmittag die Verbrecher an das hiesige Amtsgericht eingeliefert. Hoffentlich trifft, die rohen Messerhelden eine ganz exemplarische Strafe, die um so größer zu werden verdient, als die sechs Excedenten wahr scheinlich schon vorher in Hoheneck ein ähnliches Verbrechen verübt haben. Hier fand man nämlich am Montag früh im Freien den vorgestern erst zur Disposition beurlaubten Soldaten Klausner aus Stollberg mit einer schweren Kopfwunde bewußtlos in einer Blutlache auf. Der BeklagenSwerthe wurde in das hiesige Krankenhaus gebracht, Woselbst man seinem Tode jeden Augenblick entgegen sieht. — Aufgefundener Selbstmörder. An der Lerchenmühle in Zwickau war der Leichnam eines Unbekannten angeschwommen und von einem Mühlknappen ans Land gezogen worden. Durch die gerichtliche Aufhebung, die Seitens der Polizeibehörde alsbald erfolgte, ist constatirt worden, daß der Verlebte ertrun en. Wie später er mittelt, ist der Verstorbene der 59 Jahre alte Schuhmacher Christian Gottlob Fritsche aus Planitz, welcher seit 13. d. M. seine Wohnung verlassen hatte und schwermüthig gewesen sein soll. — Auf dem Bahnhof verstorben. Jn Flöha wollte am Sonnabend ein mit dem Abendzug, wahrscheinlich von R uenstein kommender Schieferdecker den nächsten Zug nach Oederan benutzen. Im Begriff stehend, einzusteigeu, klagte er über starkes Unwohlsein, brach zusammen nnd war binnen wenigen Minuten eine Leiche. Wer und woher der so schnell Verstorbene war, ist noch nicht ermittelt. — Eine «nglaublicheRohheit beging am Sonnabend Abend in der Müller'schen Restauration zu Wald heim der Steinbossirer Kissig an dem ruhig dasitzenden, als friedliebend bekannten Hand arbeiter Lamm, einem alten gebrechlichen Manne. Ohne jede Ver anlassung warf er denselben plötzlich zur Thüre hinaus, traktir e ihn dann noch niit Fußtritten «nd zersprengte ihm dadurch das Knie scheibenband, so daß derselbe zur ärztlichen Behandlung in das Krankenhaus geschafft werden mußte. — Selbstmord. I» Oederaner Stadtwald fand man am Montag die Leiche eines Erschossenen. Dieselbe war bereits so stark in Verwesung übergegangen, daß sich die Beerdigung an Ort und Stelle nöthig machte. Die Person des Selbstmörders konnte bis jetzt «och nicht festgestellt werden. Theaterplauderei. Gestern Montag fand die erste der für diese Woche arrangirten „Hof- Ih'e ater-Ensemble-Gastspiele" statt, welche, unter Mitverwendung des noch vorhandenen Personals unsrer heurigen Sommerbühne den eigent liche» Beschluß der Saison im Thaliatheater bilden. Das 3 artige Lustspiel „Cyprienne" von Bictorien Sardon, welches in dieser ersten Vorstellung gegeben wurde, ist hier schon öfters über die Bühne gegangen, also hinreichend bekannt- Die Wahl desselben dürfte nur aus dem Grunde erfolgt sein, weil es nur einige Hauptfiguren in sich faßt welche in dem hier gegebenen Falle hauptsächlich durch die iperthen Gäste beste Vertretung finden konnten Das überaus geist- und humorvoll, jedoch für französische Verhältnisse geschriebene Stück des berühmten Verfassers hat in der Thal für das deutsche Publikum «ur Werth, wenn eS durch excellentes Spiel der Vertreter des Prunellcsschen Ehepaares in den Feinheiten seines Dialogs, seiner psychologische» und charakteristischen Beziehungen, wie auch seiner attischen Würze und der im Ganzen enthaltenen Moral zu vollem Berständniß gelangt, wenn die im Wesentlichen sehr einfache Handlung durch echt künstlerisches Vermitteln des geistigen Stoffs das Interesse der Zuschauer wach erhalten wird- Und diese Aufgabe wurde, wie zu erwarten stand, durch Frl- Masson, Agl. Sächs. Hosschauspielerin (Cyprienne) ,md Herrn Leon Besen,an», Kais. russ. Hofschäuspieler (Herr von Prunellss), voll und ganz erfüllt- Erstcre Künstlerin, welche uns Chemnitzern durch früheres Gastiren an unsren Bühnen bereits rühmlichst bekannt war, wurde mit lebhaftem Applaus und Darbringung Einiger prachtvoller Bouquets beim ersten Auftreten vom Publikum empfangen. Herr Resemann, eine stattlich gewinnende Erscheinung, verfügt über ein klangvoll-sonores Sprachorgan und entfaltete bei voller Eleganz und vornehmer Haltung eine so leichte, fließende Beweglichkeit in Sprache und dramatischem Spiel, ein so gefälliges Entwickeln und Vollziehen seiner neckischen Aufgabe wie dies niit Künstlern ersten Ranges gelingt. So fand denn Herr Resemann auch bereits nach den ersten Ecenen den lebhaftesten Beifall des Auditoriums Als dann auch Frl Masson mit ins Spiel eingrisf und sowohl durch glänzende Garderobe wie durch ihr anerkannt prächtig-munteres Spiel die Blicke fesselte und die Herzen erwärmte resp. hinriN, steigerte sich der Beifall von Scene z» Scene Es war ja so hochinteressant, diesenPrunelles, dieses Trotzköpfchen Cyprienne in allen beiderseits so gewandt durchlaufenen Phasen zur Vernunft führen, bekehren zu sehen. , Neben dergleichen künstlerischeil Leistungen hatten selbstverständlich die übrigen Mitwirkendcu einen schweren Stand, sich mit einigem Erfolg zu behaupten; gleichwohl gelang dies einigen unsrer bekannten Darsteller ziem lich gut. So bot uns Herr Wäser in seine« Adhvmar eine recht an sprechende Leistung; der einfältige Geck erschien uns in dieser Darstellung durchaus angemessen; diese Beschränktheit und Dummdreistigkeit war so na türlich, so ganz ungezwungen, ebenso auch die endlich gewonnene Einsicht, daß der Gimpel geprellt sei, durch Herrn Wäser maßvolles Gepräge »ach Anforderung und Gebühr- Auch Herr Valdeck wußte in seinem Ober kellner Joses ein so abgerundetes durch wirksame Glossen bereichertes Gebild dieser Species zu bieten,V>aß* seine Darstellung die intereffante Restaurant- Scene des letzten Aktes nur zu erhöhen vermochte Anerkennend sei noch des Clavignac de- Herrn Frank erwähnt- Desgleichen auch die Frau von Briaune des Frl. Boldt- Die übrigen Mitwirkenden eigneten sich jedoch durchaus nicht für den Rahmen dieser Vorstellung. Der Besuch war seltsamerweise bei dieser erstell Vorstellung nicht so zahl reich als erwartet wurde. Geisterlauscher. Mosel!« - Plauderei. Die Künstler dos MosellasaaleS ernteten auch heute, am 17. dss., den lebhaftesten Beifall, was für die Vorzüglichkeit derselben spricht, denn das Wochentag-Publikum ist ein gewählteres, welches besser zu urtheilen versteht; das Sonntagspublikum will sich eben uni jeden Preis amüsiren und applau- dirt daher jede Nummer, auch weniger gute; jedoch hat diesmal auch dieses richtig geurtheilt, denn alle Künstler sind wirklich gute Kräfte So ist es gleich Frl Teil heim, welche durch ihre frische», munteren Tirolcrlieder, deren Jodler sie so schön zu nüanyiren versteht, entzückt; und auch die Dinus-Wei-manntruppe verdient das ihr gespendete Lob mit vollem Recht, zumal ihr Repertoire ein sehr reichhaltiges ist Das Damenmitglied dieser Truppe producirte sich heute in der bekannten Dorina-Manie, wodurch sie lebhaften Beifall erntete, aber auch der von den Herren ausgesührten Parterregymnastik ward dies zu Theil, was sie wohl hauptsächlich einigen neuen Nummern verdanken, die sie bringen- Rauschender Applaus ward auch diesen Abend der entzückenden Jnfiru«entalvirtuofin Frl Re in hold, welche sich uns heute zum ersten Male als Sängerin präsentirte und als solche einen vortheilhaften Eindruck machte, zu Theil Der Soubrette Frl. Carina konnten wir diesen Abend wirklich mehr Geschmack abgewinnen als gestern, denn sie sang sowohl mit srischerer Stimme, als auch mit mehr Leben und Grazie im Austreten; sie besitzt in ihrem Benehmen jenen eigenthümlichen Chic der nicht nur momentan zu begeistern, sondern auch anhaltend zu interesstren vermag; und die mangelnde Klangfülle ihrer angenehmen Stimme verschwindet hinter dem heiteren Liedergenre und hinter dem Glanz ihrer Persönlichkeit und ihrer prächtigen Tostüme- Der zweite Theil brachte uns heute noch besonders NeueS; es waren dies die Jongleurproductionen des Chinesen. Herrn L-rvouik; derselbe entwickelte eine erstaunliche Fertigkeit im Kugclspiel nnd Mefferwersen, welch' Letzteres allerdings mehr aufregend, als unterhaltend auf das Publikum wirkt. Frl. und Herr Tellheizn ernteten als Duettisten mit ihren deutschjüdischen Couplets und Duetten vielfache Dacapo rufe, was Herrn Tellhcim auch bei seinen packend komischen Sololttnen wiedersuhr und auch Herrn Sandor Vep^yffygist ward mehrfaches Lob gespendet. >.. L. Gerichtshalle. r—te. Strafkammer I. vom 18. September. Der Architekt Carl Richard Schuffcnhauer aus Chemuitz (bisher noch unbestraft) hatte am 20. Juni d. I das Unglück, daß ihm ans einem von ihm geleiteten Baue eine Wand einstürzte, wodurch der Maurer Döhler nicht unerheblich verletzt wurde. Schuffenhauer wurde wegen fahrlässiger Körperverletzung durch Außer achtlassung einer Berufspflicht in idealer Toncurrenz mit dem Vergehen gegen 8 330 des Reichsstrafgesetzbuchs, den Verstoß gegen die allgemeinen Regeln der Baukunst betreffend, zur Verantwortung gezogen und heute lag ihm zur Last, eine freistehende Wand nicht so gesichert zu haben, daß deren Einsturz vermieden wurde. Schuffenhauer machte geltend, daß er seinem Polier Schubert die ersordcrlichenWeisungcn ertheilt habe, derselbe habe dieselben nur nicht ausge führt. Schubert bestätigte die Angaben Schuffenhauers, wurde aber nicht vereidet, da er der Mitthäterschaft an dem vorliegenden Vergehen verdächtig erschien- Von sachverständiger Seite konnte dem Angeklagten ein Vorwurf wegen Bcrwenduyg schlechten Materials nicht gemacht werden, nur wurde cs ihm als Schuld ange rechnet, daß die Sicherung der eingestürzten Wand nicht erfolgt ist. Der Ver treter der kgl- Staatsanwaltschaft beantragte die Bestrafung des Angeklagten, während der Bertheidiger, Herr Rechtsanwalt Bleyl von hier, auf Frei sprechung seines Defendenden antrug. Der Gerichtshof erachtete Schuffen hauer des ihm beigemessenen Vergehens für schuldig und verurtheilte ihn zu 300 Mk. Geldstrafe und in die Kosten, Di« Verunglückten von Jschia. Jetzt, wo genaue officielle Daten über den Umfang der schreck lichen Katastrophe vorliegen, von welcher die Insel Jschia heimgesucht wurde, läßt sich die Zahl der bei dieser Katastrophe Verunglückten so ziemlich genau angeben und die Vcrlustziffer feststellen. Insoweit sich diese Daten auf die einheimische Bevölkerung der Insel beziehen, konnte die Zahl der Verunglückte« auf das Genaueste festgestellt werden; schwerer war dies bezüglich der im Augenblicke der Katastrophe auf der Insel anwesend gewesenen Badegäste. Angesichts des Umstandes, daß beinahe alle während der Badesaison geführten Fremdcnlisten in Verlast gerathen sind, und angesichts der Schwierigkeiten, welche sich somit der Constatirung der Zahl der im Augenblicke der Katastrophe an Ort und Stelle befindlichen Fremden entgegenstellen, kann die an genommene Approximativ-Ziffer von 500 nur als eine der Wahr scheinlichkeit nahekommende, aber nicht genau festgestellte betrachtet werde« und die Constatirung der Berlustziffer ist daher in dieser Richtung eine unsichere. Den dem italienischen Ministerium des Innern zugegangenen officiellen Berichten zufolge, wäre die ungefähre Verlustliste folgende: Casamicciola (mit Ausschluß der Fremden) 922 Todte und 206 Verwundete; Lacco Ameno 128 Todte und 87 Verwundete; Forio und Panza 305 Todte und 63 Verwundete; Barano lOjTodte und 15 Verwundete. Im Ganzen alsoI1355 Todte und 371 Berwimdete, wonach die Zahl der Verunglückten mit Ein schluß der mit 500 angenommenen Fremden 2236 betragen würde. Von den 37! theils in den Spitälern Neapel'-, theils in Privat pflege untergebrachten Verwundeten sind nach officiellen Berichten be reits über 200 vollständig genesen, so daß also die Zahl der bei der letzten Katastrophe Verunglückten mit rund 2000 ziemlich annähernd angegeben erscheint. Die Summe der bis zum 7. September ein gegangenen Unterstützungs-Beiträge für die Verunglückten betrug 2,240,0)0 Lire, wozu noch der durch die deutsche Botschaft in Rom abgeführte zweite Betrag > on 210,000 Francs hinzuzurechnen ist, so daß die Totalsumme der bisher eingegangenen Beträge mit 2'/, Millionen Lire beziffert »erden darf. Ob die verunglückten Ort schaften wieder aufgebaut werden oder nicht, hängt größtentheilS von der Erfahrung ab, ob die geleistete Unterstützung ausgiebig genug war, um die Betreffenden in die Lage zu setzen, ihre Wohnungen wieder zu errichten, oder nicht; jedenfalls wird aber der Wieder aufbau der vernichteten Orte in einer Weise geschehe , welche die Wiederholung einer ähnlichen Katastrophe absolut ausschließt. Vermischtes. — Hermelin-Rahmen find das Neueste für Bilder fürst licher Personen. Da der Hermelin nicht recht in der Mode ist und die zierlichen Felle doch Verwendung finden müssen, so ist man auf diesen Ausweg gekommen, und bald wird man ihn wohl auch noch anderweitig als Dekoration verwenden. Die Geschichte vom Löwen, dem Androklus einen Dm« aus dem Fuße gezogen hatte, wofür ihm der Löwe aus Dankbarkeit allüberallhin folgte und seinen Befreier nicht — auffraß — ist über boten worden. Ein Menageriebesitzer erzählte von seinem Löwen, dem ein französischer Sergant in Algier ebenfalls einen Dorn all dem Fuße gezogen hatte, daß dieser Löwe die sämmtlichen Vorder männer des Sergeanten gefreffen und so seinen Befreier zum Obersten gemacht habe. Eingesandt. Nochmals das Frühlänten vom Jaeobikirchthurm. ' In diesem Blatte ist schon einige Male die Rede davon gewesen, das Frühläuten vom Jaeobikirchthurm solle wegfallen. Warum denn? Weil ein paar Leute in der inneren Stadt dadurch im Schlaf gestört werden! Das ist aber doch sicher kein triftiger Grund, eine so an genehme und nützliche Einrichtung mir nichts, dir nichts über den Haufen zu werfen! Wer noch müde ist, der schläft auch wieder ein, wenn's ihn mal aufgebimmelt haben sollte und er noch Zeit zum Weiterschlafen hat. Nun frage man aber mal die vielen, vielen Chemnitzer, denen dies Läuten ein gar feierlicher, wohlklingender Morgengruß ist, an den sie von Kindesbeinen an gewöhnt find und ihn deshalb nicht gern missen wollen. Man frage aber auch die Tausende von Arbeitern und namentlich Arbeiterfrauen nicht nur hier in der Stadt, sondern auf eine Stunde im Umkreise. Sie Alle, welche auf ihrer Lagerstätte die Sorge drückt, daß sie die Stunde deL Aufstehens nicht verschlafen möchten, lauschen auf baS Glöcklein auf dem Jacobithurm; und wenn es erschallt, dann ist'- die rechte Zeit zum Erheben vom Lager, zum Kaffeekochen für Diejenigen der Familien angehörigen, welche um 6 Uhr in der Fabrik das Tagewerk beginnen müssen. Ertönte daS Glöckchen nicht, dann thäte eS noth, man nähme die Uhr die ganze Nacht in die Hand (nota bene, wer eine solche besitzt) und stellte sich ein Licht neben das Bett, um die rechte Auf stehzeit nicht zu verschlafen. Man ersieht also hieraus, wie angenehm und nützlich dies Läuten ist und gar nicht etwa so überflüssig, wie es Diejenigen meinen, di« dadurch ein bischen im Schlafe gestört werden. Und da dies Morgen läuten auch unserem lieben Thürmer keine Beschwerden macht, indem ihm, wie man hört, der Glockenstrang ins Bett hinein hängt, so möchte Einsender die maßgebenden Autoritäten im Namen Vieler freundlichst bitten, das Morgenläuten nicht einstellen zu lassen. Ein alter Chemnitzer. Ikedaetions-Notiz. Da dev Druck der großen Auflage unsres Blattes längere Zeit in Anspruch nimmt, können nur die jenigen Beiträge in nächster Nummer Auf nahme finden, welche bis vor Mittag in den Händen der Redaetion find Diesem ersten Besuche des jungen Arztes waren mehr und immer «ehr gefolgt, bis endlich ein Tag kam, wo Paula sich und ihr Den ken und Träumen, das jetzt so viel anders, ernster geworden, ver stand, — im Garten, unter den alten hohen Bäumen, deren Laub der Herbstwind bereits zu färben begann, schritt sie an Hallers Seite dahin. Er hatte sie um eine letzte Rose gebeten, die sie bereitwillig aus ihrem Gürtel zog und ihm reichte, — da berührten sich ihre Hände, — sie sah zu ihm auf und begegnete einem Blicke heißer Liebe. Wie es gekommen, das wußte sie selbst nicht, — er hielt sie in seinen Armen, strich mit leiser Hand das lockige Haar aus ihrer Stirn und flüsterte: „Ich Hab' Dich geliebt und lieb' Dich noch heut', und werde Dich lieben in Ewigkeit!" Der alte, erfahrene Vater Paula's indessen fand, obgleich er nicht das Geringste gegen Doctor Haller als Schwiegersohn einzu wenden hatte, sein Kind noch viel zu jung, um sich schon für immer zu binden, und so sehr die jungen Leute auch baten, er blieb fest und wollte von einer öffentlichen Verlobung nichts wißen. „Wenn nun in vier Wochen ein Anderer kommt, der Dir noch besser gefällt, Paula?" hatte Papa Rodenfeld scherzend gesagt, „wie dann? Lernt Euch Beide erst ordentlich kennen, prüfe« Euch und wenn Ihr nach Jahr und Tag noch denket wie heute, dann bin ich der Erste, der von ganzem Herzen Euren Bund segnet — eher nicht!" Dabei blieb er, und Haller und Paula sahen endlich das Ver gebliche ihrer Bemühungen, ihn umzustimmen, ein und waren auch innerlich so glücklich, daß sie sich jeder Bedingung gefügt hätten. Doch es sollten nur zu bald Dornen auf ihren Weg fallen. Nach einem halben Jahre ungefähr, — es war zu Ostern und draußen begann bereits Alles zu knospen — trat Haller eines Abends bei Rodenfelo's ein. Paula war allein zu Hause, sie stand am Fenster und wandte beim Näherkommen seiner bekannten Schritte das liebliche strahlende Gesicht ihm zu, — doch sofort verschwand das Lächeln von ihren Lippen, als sie sein verstörtes, bleiches Aussehen gewahrte. „tim Gott, Leo, was ist geschehen?" stieß sie angstvoll hervor, „bist Du krank?" „Nein, leider nicht, — wollte Gott, es wäre das, was mich be drückt," hatte er mit einem tiefen Seufzer geantwortet und dann, während er sie neben sich aufs Sopha zog und mit tiefem Ernste in ihre fragenden, kummervollen Augen blickte, begann er ihr zu erzählen, daß der einzige Bruder seiner Mutter in San Francisco ganz plötz lich dem gelben Fieber, der furchtbaren Epidemie Amerika'-, erlegen hi. Die Wittwe war gleichfalls bereits von der verheerenden Krank- angestcckt, man befürchtete für ihr Leben und sie hatte an Hallers lütter, als ihre einzige noch lebende Verwandte, telegraphirt, sich Kindes, eines hoffnungsvollen Knaben, apzunchmen, womöglich jjhnA ^Deutschland zu holcn.AHallers Mutter, die mit einer an Schwärmerei grenzenden Liebe an dem fernen Bruder gehangen, hatte mit Thränen in deu Augen ihren Sohn beschworen, sich des vielleicht in Kürze völlig verwaisten Knaben auzunehmen, und so blieb dem juugen Manne nichts übrig, als sich diesem Wunsche zu fügen. „Kann ich es verantworten, meine Hilfe zu versagen, Paula?„ hatte er gefra t, „um meines eigenen Glückes willen die arme Waise da drüben schutzlos und verlassen dem Elende preiszugeben? Ich kann — ich kann es nich, mein ganzes Gefühl sträubt sich dagegen, im eigenen Glück die Leiden Anderer u vergessen Sei stark, Ge liebte," hatte er die Weinende getröstet, „es gilt ja nur ein Scheiden auf kurze Zeit, — sei muthig, Paula — es bricht mir das Herz, Dich so weinen zu sehen." Mit »roßen Schritten stürmte Doctor Haller im Zimmer a f und ab, nur dann und wann ein Wort der Beruhigung Paula zu flüsternd, deren er selbst so sehr bedurfte Dann begann er ihr seinen Rciseplan mitzutheilen und von -en Vorbereitungen zu sprechen, die not wendig waren, bis er es endlich nicht mehr ertragen konnte, in ihre flehenden, t aurigen Augen, die eine schlimme Zukunft für ihre Liebe zu ahnen schienen, zu s hen, — un e üm zog er sie in seine Arme, küßte ihren schmerzlich ve zogenen Mund und eilte dann asch » Schrittes hinaus . in's Freie. Un > draußen zog es u n mit alle Macht immer wied r hin z» den erleuchtete ! Fenstern, um no h einen S,-immer der geliebten Gestalt zu er aschen, — es war ja für lange Zeit, — ja vielleicht f>r immer das letzte Mal. Wie gebrochen waukte Paula am andern Tage ihm entgegen, um Abs chi d zu nehmen, die Ei e war dringend nöthig, da er d s S; iff kaum noch zu erreichen vermochte, — und < s bedurfte seiner ganzen Fassun-, um bei dem grenze losen Schmerze Paula's nicht dennoch von 'ein m Vorsatze abzusteh n. Und doch, — es mußt s i ! „Harre muthig aus, mei > Li bling," flüsterte er Pa la zu, beim Abschied die Keine kalte Hand in der seinen haltend, der echten Liebe ist kei Opfer zu schwe , sie trägt und überwindet A es!" Und dann war er fort u d ei e entsctzli. e Ruh und Still trat im Hause Rodcnfeld's und im Hause Paula's ein. Der alte Rodenfeld, der Plötzlich se »st zu kränk ln b gann, bemühte sich ver gebens, das frühere fröhliche Lachen Paula's Hervorzuruf n; bleich und theilnahmslos ging sie einher und > ur wenn ein Brief von f rn m Westen eintraf, »rat ein lebha ter s Roth auf >hre Wangen uiw von Hall r's Rückkehr v rlautete noch immer k in St rbenswort. Das junge Mädchen war mit ihren Gedanken ganz in der Ferne, d- Plötzlich erk ankte ihr Vater so he tig, daß ihre Sorgen n»ch ver mehrt wurden. Der then re Krank beschäf igte fi u aus esetzt, sie wich nicht von seinem Lager, und fand kaum Zeit, dann und wann au Haller eine-, kurzen Bericht zu schreiben. Vor der Augst um den geliebten Vater trat Alles zurück, — aber es war vergebe S. das grausame Geschick laufzuhalten — mit verweinte > glanzlosen Augen stand Paula ba d am Sarge ihres theuer n Vaters, willenlos f gte sie sich den A so derungen einer entfernt n Verwan ten, deren Mann vor Jahren schon gestorben und die sich des jetzt gänzlich allein stehenden Mädchens anzunehmen und bei ihr zu leben beschlossen hatte. Als verstünde ne gar nichts von alledem, was um sie her geschah, lebte Paula weiter, so daß die Aerzte ernstlich für ihren G müths» zustand befürchteten. Doch ihre gesunde, kräftige Natur err ng endlich den Sieg, sie wurde ruhiger u d begann ihr Leid gefaßter zu rtragen, und al sie auf das Grab des geliebten Tobten die ersten blühenden Rosen legen könnt, seine Lieblingsblumen, da löste sich auch ihr S rmerz u d ein he her Thränenstrom entstürzte ihren Augen, — sie hatte endlich hren Schmerz ausweinen gelernt. Seitdem war sie eine Ander» geworden, — nur klagen oder freuen konnte ße sich mit, auch nicht, als Halle ihr eines Tages mittheilte, daß die Kur, die er bei er ber its aufgegeben n Tan e in der lebten, gefährlichen Stunde noch versu iff, wider alles Erwart n geglückt sei und sie d m Leben erhalten habe, — ihn selbst aber in den Augen der Amerikaner zu einem wahren Wunde d.ctor ge iempelt hatte. Doch — und hier kam die Haup sache — die neue Heil methode führte ihn auf neue Bahnen, ein berühmte A zt in San Francisco hatte ihn veranlaßt, sich ihm bei einer wissenschaftlichen Reise anzu chließen, und Halle' hatte, trotzdem es ihn mit aller Macht wieder zurück nach Deutschland zog, z gesagt, denn die Lorbeeren galten für den ehrgeizigen jungen Doctor, der nach der Laufbahn eines berühmten Professors zu streben begann, fast noch mehr als die Liebe. „Aber kehre ich dann zurück, Geliebte," hatte ec ,.n Paula ge schrieben, „cann wirst Du endlich, endlich die Meine, dann sind alle Hinde niffe überwunden, ich bewerbe mich um ein: Professur und führe meine kleine Frau heim. Und Du wirst sehen, Paula, die Zeit hat Flügel, sie wird um sein, eh' wir's uns versehen, und dann — dann —" — Ziemlich ein Jahr war seitdem vergangen uns nun heut' war die Nachricht gekommen, ein glückathmender Brief, daß er bereit sei zur Ueberfahrt und in wenig Tagen sie in seinen Armen halten werde. — Die wissenschaftliche Expedition, an der sich Doctor Haller be theiligt hatte, war über alles Erwarten geglückt; dem jungen Arzte ging ein Ruf voraus, der seine Zukunft für immer si erte. Was das junge Mäd Yen bei 'ieser Botscha t empfand, das zeigten die strahlenden, 'lauen Augen, die seit langer, langer Zeit keinen solchen Glanz gehabt. .Und alles Leid hat nun ein Ende," flüsterte sie traumverloren vor sich hin. Draußen hatte eben eine ffangvolle Stimme nach ihr gefragt. Paula hörte es nicht, erst beim Oeffnen der T ür wandte sie den Kopf und ein Freudenschrei entfuhr ihren Lippen. ^Fortsetzung folgt.) j
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