Auf der Grundlage dieser chronologischen Verständigung ist der Fundstoff der Tas sen aus den gefäßreichen Gräbern Sachsens etwa wie folgt einzuschätzen: Von den vorliegenden Verbänden entsprechen nur zwei der klassischen Phase - Zschornewitz und Kreutzen - alle anderen gehören zum älteren Abschnitt bzw. sind morphologisch von diesem her stark bestimmt. Die Verbände zeigen durchaus solche Unterschiede, daß nicht an Gleichzeitigkeit zu denken ist. Die genauere Betrachtung läßt aber er kennen, daß kein Verband der unmittelbaren Anfangsphase (Uraunjetitz nach Neu mann, Protoünetice nach Moucha, I a nach Pleinerovä) zuzuschreiben ist. Als die ältesten Verbände erscheinen Riesa-Gröba und Althirschstein. Die nähere Be trachtung läßt erkennen, daß sich hier eine Konsolidierung des Formenbestandes ab zeichnet. In Riesa-Gröba ist die breite Mündung bei allen Exemplaren bemerkens wert. Wenn wir zwei der vier schlichten Tassen (Abb. 12,1,2) noch zu den echten Bauchtassen rechnen können, so sind die beiden anderen (Abb. 12,3,5) als bauchige Tassen anzusprechen, die sich durch ungleichen Umriß auszeichnen. Die größte Aus dehnung erscheint auf der Henkelseite höhergezogen als auf der gegenüberliegenden, die Rundung im Umriß wird sowohl im Unterteil als auch unter dem Rand durch streckende („spitzbauchige“) Profilierung abgeschwächt 21 . Diese bauchige Tasse ist die langlebigste Tassenform, sie reicht bis an die klassische Tasse heran. So erscheint sie im Grab von Dresden-Zschertnitz (siehe unten) wieder. Riesa-Kucklitz, Grab 5 (Abb. 17), kennzeichnet mit seinen beiden Tassen die Übergangs- bzw. Angleichungs möglichkeit von den bauchigen Tassen zu den jüngeren ungegliederten Tassen mit Bauchumbug („erweichte gerundete Nebenformen“ der klassischen Tasse). Die letzte Tasse des Grabes von Riesa-Gröba (Abb. 12,4) unterstreicht mit der Halsleiste die relativ frühe Zeitstellung, der Gesamthabitus weicht jedoch von der vom Endneo lithikum her bestimmten Anfangsphase ab. Althirschstein zeigt eine kugelbauchige Sonderform (Abb. 1,1), eine durch Halsstrek- kung zum Krugartigen tendierende Weiterentwicklung (Abb. 1,2) und eine kleinere Tasse, etwa die morphologische Mitte zwischen Bauchtassen und bauchigen Tassen. Der Eindruck der Gräber von Riesa-Gröba und Althirschstein ist relativ-chronolo gisch recht geschlossen und entspricht der altaunjetitzer Phase nach Moucha (= I b nach Pleinerovä). Die beiden besprochenen Verbände haben gleichzeitig noch ein frühen Bronzezeit exakt zu bestimmen. Es ist offensichtlich, daß der Wahlitzer Friedhof nicht den Gcsamtablauf der Aunjetitzer Kultur widerspiegelt. 21 Es ist ein Verdienst von H. E. Mandera, wenn er die Bauchtassen und bauchigen Tassen formenkundlich exakt trennt (1953, S. 278 ff.) und die allgemeine Verbreitung der letzteren feststellt. Die chronologischen Konsequenzen bezüglich der Langlebigkeit der bauchigen Tassen hat er nicht gezogen, sie wurden anhand des sächsischen Materials nachgetragen (G. Billig 1956, S. 24 ff.). Dabei kann es nicht allein um die Höhendifferenz zwischen Henkel- und Bauch seite im Umriß und die schiefe Umrißkomponente mit dem „Hängebauch“ gehen. Bei der Ent wicklung dieser vom Kugelbauch wegstrebenden ungegliederten Tassen muß man die verschie denen Varianten der ungleichen Profilierung erfassen und berücksichtigen. Insofern ist der Spiel raum der Anwendung des Begriffes bauchige Tasse bei uns weiter als die Umschreibung von H. E. Mandera 1953, S. 178. Insbesondere möchten wir uns von der Verbindlichkeit be stimmter Höhen-Breiten-Proportionen und der Hcnkelstellung distanzieren (G. Billig 1956, S. 24 f. u. Anm. 53).