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Chemnitzer Anzeiger und Stadtbote : 28.02.1885
- Erscheinungsdatum
- 1885-02-28
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id512382794-188502285
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id512382794-18850228
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-512382794-18850228
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Chemnitzer Anzeiger und Stadtbote
-
Jahr
1885
-
Monat
1885-02
- Tag 1885-02-28
-
Monat
1885-02
-
Jahr
1885
- Titel
- Chemnitzer Anzeiger und Stadtbote : 28.02.1885
- Autor
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. UMeryÄlmgs-VlÄt M ..Chemmhkr Ameizer". Nr. SS. — Sonnabend, 28. Februar. Ererbte Schuld Kriminal-Roman von Adolf Belot. (Fortsetzung.) (Nackdruck verboten.) „Und weshalb," fragte Pulchörie, „sollte sie das nicht gethan haben, wenn ich fragen darf ? Weil ich der Ehre ihres Besuches nicht würdig bin ? — Ihre Schwester kam hierher, und ich nahm mir dir Freiheit, sie so zu empfangen, wie sie eS verdiente Freilich schien es ihr wenig Vergnügen zu machen — das thut mir leid. „Pulcherie, sprechen Sie nicht so!" versetzteEmery. ,,Jch kann nicht glauben —" „Ach, glauben Sie, was Sie wollen I Fragen Sie doden Herrn da I Der folgte ihr auf dem Fuße I Er begleitet und beschützt sie auf derartigen Ausflügen. Vielleicht hat er ein Recht darauf." Ha, schweigen Sie!" fuhr Laurent auf. „Fangen Sie nicht wieder mit Ihren schändlichen Berläumdungen an." Mit diesen Worten wandte er sich nach der Thür. Emery folgte ihm. „Sie vergessen, daß Sie mir ei e Erklärung schulden, Herr Dalissier!" Laurent zuckte die Achseln. „Erlauben Sie," fuhr Emery fort. „Wenn Ihnen dieser Ort dazu nicht paffend erscheint — und ich stimme Ihnen darin bei so können wir zu mir hinaufgehen." „Gern!" sagte Laurent. Sie stiegen die Treppe hinauf; sobald sie oben im Zimmer allein wann, nahm Emery eine feierliche Haltung an. „Wenn man nach dem Anschein urtheilen darf, so hatten Sie in dem Augenblick, als ich bei Madame de la BaulonMre eintrat, einen ziemlich heftigen Wortwechsel mit derselben " „Laß mich mit Deinem Anschein und Deiner Madame de la Vaulonbisre in Ruhe!" unterbrach ihn Laurent. „Wie? Ich werde nicht gestatten —" „Bestatte es nicht, wenn Du willst. Ich sage Dir nochmals, eS handelt sich nicht um sie, sondern um Deine Schwester." „Meine Schwester hat mit der ganzen Geschichte nicht- zu thun." „Ah! sehr gut! - Dann giebst Du also zu, daß Deine Schwester meine Geliebte ist?" „Was unterstehst Du Dich zu sagen?" „Ich unterstehe mich nicht, Gott behüte mich davor! Ich wieder hole nur die Beleidigungen, welche Pulcherie ihr in's Angesicht ge schleudert hat, und die Du billigst, da Du jene in Schutz nimmst." „Es ist nicht wahr, sie ist nicht fähig, so etwas zu sagen. Wes halb sollte Emilie in dies Haus gekommen sein?" „Das weiß ich nicht aber sie war hier, vor kaum einer halben Stunde." Emery durchmaß gesenkten Hauptes und finsteren Blickes das Zimmer „Ja," murmelte er, „möglich ist es bei alledem — ich bin mit meiner Familie entzweit — und sie wird gekommen sein, um den Versuch einer Versöhnung zu machen." „Pulch rie wird ihr auf der Treppe begegnet sein. — Ah!" unterbrach er sich, Laurent scharf ansehend. „Aber Ssx, Herr Dalis sier, wie sind Sie dazu gekommen?" „Wie ich — ach ja, richtig!" versetzte Laurent sarkastisch. „Meine Anwesenheit beunruhigt Dich und flößt Dir Bedenken ein Beruhige Dich!" «Ich sehe gern klar und deutlich, weiter nichts. Komm', setze Dich hierher und laß uns wie alte Kameraden mit einander reden. Was ist passirt?" „Dar lasse ich mir gefallen!" sagte Laurent. „Nun wohl, so höre denn in wenigen Worten, was vorgefallen ist. Ich wollte'zu Dir; auf der Treppe höre ich Mi Stimmen im Wortwechsel. Ich horch;; dieselben klingen mir bekannt. Ich zögere einen Moment Endlich trete ich ein. und was sehe ich? Fräulein Suchapt, ja, Deine Schwester, in lautem Wortwechsel mit Pulchörle." „Sei ruhig," sagte Emery, „der Tag soll nicht vergehen, ohne daß ich Pulcherie zur Rechenschaft ziehe. Aber weiter!" Laurent erzählte, was er gesehen und gehört hatte; wie Pulcherie Emilie gekränkt, wie diese plötzlich ausgebraust sei und jener entrüstet eine Handvoll Goldstücke in's Gesicht geschleudert habe. „Gold!" rief Emery. „Ah! Ich ahne! — ArmeS Schwester chen! Sie wollte mir ihre Ersparnisse bringen, davon bin ich überzeugt." „Ja, wahrscheinlich," versetzte Laurent. .Und nun sage mir, nachdem sie fort war — denn sie ist hinwrggeeilt, ohne auch nur meine Begleitung auzunehmen — meinst Du noch, daß ich Unrecht gehabt, Dein Schätzchen so zu behandeln, wie ich es gethan habe?" „Du hast vollständig Recht gehabt," sagte Emery. „Uebrigens möchte ich doch auch ein Wörtchen mit ihr reden — entschuldige mich einen Augenblick!" Er ging hinab. Als er aber bei Pulcherie, die sich in ihrem Salon eingeschloffen hatte, eintrat, sah er nichts weniger als hart und streng aus. „Sie sind eS?" sagte sie und warf ihm einen gereizten Blick zu. „Was wollen Sie noch von mir?" „Verzeih', meine liebe Pulcherie!" entgegnete er. „Du bist ungeduldig, nervös, ich verstehe daS. — Auch ich bin sehr ärgerlich über das heutige Vorkommniß, und ich wollte Dir mein Bedauern darüber aussprechen." „Laß mich in Ruhe. — Du thust mir leid!" „Weshalb denn?" „Weil Du ein erbärmlicher Feigling bist! Du findest hier einen Menschen, der mich in meiner eigenen Wohnung beleidigt, und Du ohrfeigst ihn nicht!" „O, entschuldige! Du hast doch gesehen, wie ich auf ihn loS- geftürzt bin — aber —" „Aber dann warst Du vorsichtig genug, nachzugebeu." „Nachgeben, ich! — Niemals! — Was sollte ich indessen machen? Ö, wenn es sich nicht um meine Schwester gehandelt hätte, wenn es Dalissier allein gewesen wäre, dann hättest Du ein mal sehen sollen! Uebrigens habe ich mich dadurch nicht abhalten lassen, ihm verdiente Vorwürfe zu machen. Ich habe ihn tüchtig zurechtgewiesen, und er hat zugegeben, daß er etwas zu weit ge gangen" —. Sie ließ ihn reden, scheinbar ohne zuzuhören. Bei den letzten Worten fuhr sie hastig auf und sah ihm in's Gesicht. „Hat er das zugegeben?" fragte sie. „Ja — das heißt, er hat anerkannt, daß sein Jähzorn —" „Das ist nicht wahr! Du lügst! Er und anerkennen, daß er Unrecht gehabt, mich zu beleidigen — nie! Er dürstet nur darnach, von Neuem anzufaugen!" „Aber ich versichere Dir —" „Und was sollte ihn zu diesem Zugestäudniß veranlaßt haben? Herrn Emery's Bemerkungen? Du meinst wohl, ich kenne ihn nicht? Du möchtest mir elnreden, er sei ein ebensolcher Mann wie Du? — ierlagS-Expeditio«: Alexander Wiede, Bnchdruckerei, Lhernnib, Tkeaterslrahe -8 (ehemalige» Bezirksgericht, gegenüber dem Kasino). 1885. - 5. O nein, er mag unverschämt, ehrlos sein, so viel er will, aber Muth hat er!" „Ich schlage die Augen nicht vor ihm nieder zu Boden " er- wiederte Emery, sich aufrichtend. „Ach, geh! Du willst Dich wohl mit ihm vergleichen? — Du machst Dich lächerlich!" Sie behandelte ihn mit der wegwerfendsten Geringschätzung, war, wie wenn Plötzlich Haß in ihr aufloderte. Und er verlangte noch, daß sie ihn liebte! Und er glaubte eS? Hatte er doch in einer Anwandlung von Eifersucht sich selbst eine Wohnung gerade über der ihrigen gemiethet, um sie überwachen zu können I Nein, nein, das mußte ein Ende haben; sie wollte ihn nicht mehr sehen, nichts mehr von ihm hören! „Bon diesem Augenblicke an verbiete ich Ihnen, sich hier wieder blicken zu lassen!" rief sie. Sie that einige Schritte, um sich zurückzuziehen. Mitten im Salon stieß ihr Fuß an eines von den Goldstücken, die noch immer auf dem Parquet verstreut umherlagen; sie glitt aus und wäre bei nahe gefallen. Das kleine Mißgeschick fachte den glimmenden Funken wieder an. „Da! Hebe doch wenigstens das Geld auf," rief sie, „wrnn Du nicht im Stande bist, eine Beleidigung zu rächen!" Und mit einem Fußtritt rollte sie Emery das Goldstück vor die Füße. Dann ging sie. Emery war im ersten Augenblick ganz niedergeschmettert. Er saun auf Mittel, sie wieder zu versöhnen, als sein Blick auf den Louisd'or fiel, den Pulchsrie ihm vor die Füße geschleudert hatte. Eine sltsame Idee durchzuckte sein Hirn : dies Goldstück, das Emilie der Pulcherie in'S Gesicht geschleudert hatte, und über das die Letztere beinahe gefallen wäre, mußte augen scheinlich dem, der es im Spiel setzte, rin höllisches Glück bringen „Ja " sagte er halblaut. , mit diesem Goldstück werde ich heute Abend sämmtliche Stammgäste der Coralie auf's Trockene setzen." Er vergewisserte sich, daß ihn Niemand beobachte; dann bückte er siH, nahm das Goldstück von der Erde und verbarg eS sorgsam in seinem Portemonnaie. Einen Augenblick darauf war er wieder bei Laurent. „Wenn man Alles überlegt," empfing ihn dieser, „hättest Du ebenso gut gethan, still zu schweigen; wozu noch diese abermalige Szene?" „Nein, nein! Die Lektion mußte eine gründliche sein, und — jetzt ist sie's!" — „Aber lassen wir daS ruhen und sprechen wir von Dir! Bleibst Du eine Zeit lang in Paris?"' „Ich habe bis Ende des Monats Urlaub." „Sehr gut! Dann wirst Du es mir nicht abschlagen, unserer alten Freundschaft einige Stunden zu opfern?" „Gewiß nicht!" „Hoffentlich möglichst lange; denn durch die mehrwöchevtliche Abwesenheit wirst Du ganz fremd geworden sein und ich muß doch Deine Bekanntschaft mit unserm Paris wieder auffrischen. Um einen Anfang zu machen, frühstücken wir im Cafe Lenoir, nachher bum meln wir den Tag über zusammen herum, und heute Abend führe ich Dich zu Coralie, die Du ja kennst, und die noch immer die alte ist. Also keine Einwände, die Sache ist abgemacht." Sie traten in's Freie. Drüben arzf dem Trottoir dem Hause gegenüber ging ein älteres Männlein, dem Anschein nach ein kleiner Rentier, auf und ab. Laurent erkannte ihn: eS war Lubin. Beim Anblick der beiden jungen Leute stand er still und seine Augen blitzten vor freudiger Ueberraschuvg. Laurent streifte an ihm vorbei, gab ihm ein Zeichen, daß Alles auf's Beste gehe, und entfernte sich mit Emery. Entzückt von der Rührigkeit und Gewandtheit seines Kameraden, kehrte Lubin nach seiner Wohnung zurück. Laurent und Emery blieben den ganzen Tag zusammen. Abends gegen zehn Uhr gingen sie verabredetermaßen zu Coralie, in die Rue Saint-Nikolas d'Antin. Coralie war eine Blondine von vierzig Jahren, wovon sie zehn ableugnete und wenigstens fünf durch Kunst zu verdecken verstand. Sie begrüßte Emery und den Fremden, den er bei ihr cinsührte, mit ihrem reizendsten Lächeln. „Pah! Kennen Sie ihn nicht mehr?" fragte Emery. „Nein — ich glaube wirtlich noch nicht das Bergnügen gehabt zu haben." — „Besinnen Sie sich doch — Laurent Dalissier !" ,AH!" machte Coralie. Das reizende Lächeln war verschwunden, um einer schlecht ver hehlten Enttäuschung Platz zu machen. „Sie irren sich, mein lieber Emrry," verbesserte Laurent, „ich heiße nicht Laurent Dalissier, sondem L6on Croisillat, und würde Ihnen sehr verbunden sein, wenn Sie sich das merken wollten." Coralie gewann ihre Liebenswürdigkeit wieder und reichte Laurent die Hand. „Sie haben gut gethan," sagte sie leise und trat ihm etwas näher, ^und ich erkenne darin Ihren Takt. Sie haben eingesehen, daß Sie unter dem Namen Dalissier fortan unmöglich find. Gott weiß, ob ich je im geringsten an die Abscheulichkeiten geglaubt habe, deren man Sie anklagte, aber der Name ist doch zu unheimlich." „Nicht wahr?" bestätigte Laurent. „Ich malte mir auch die Bestürzung aus, welche sich Ihrer Gäste bemächtigen würde, wenn ei« Unbesonnener wie Emery denselben laut genannt hätte." Man plauderte von früherer Zeit, von der guten alten Zeit, von Herrn von Burgy, der jetzt an irgend einem kleinen deutschen Hofe versauere, von de« alten Freunden, die Coralie zum größten Theile den Rücken gekehrt hatten. Inzwischen hatte sich der größte Theil der Gäste eingefunden, die Spieltische füllten sich, bedeutende Summen wurden gesetzt. Emery drängte es, sein Heil zu versuchen und zu sehen, ob das in Pulchörie'S Salon aufg:lese«e Geldstück ihm Glück bringe. Er setzte sich an einen der Spieltische und hatte in weniger als zehn Miauten 25 LouiSd'ors verloren. „Teufel, daS ist unwürdig!" meinte er, das Spiel aufgebend. Das verhängnißvolle Goldstück hatte er indessen vorsichtiger Weise behalten. Jetzt gab er es Laurent mit den Worten: „ES muß an meiner Hand liegen. Versuche Du es einmal. Ich wette, Du gewinnst." Laurent nahm seinen Platz ein und gewann in der That. „Ich wußte eS ja!" rief Emery triumphirend. Beide wollten den Gewinn unter sich theilen. Anfangs hatte Laurent gleichgültig gespielt; nach und nach regte sich bei der Be rührung der Karten seine alte Leidenschaft; der Goldhaufen vor ihm wuchs immer mehr. — Plötzlich hielt er inne; er sah sich gegenüber ein ernstes Gesicht, das ihn scharf onblickte. Er erkannte Herrn von Mhörac. Ganz vermint spielte er noch einen Augenblick, verlor, verließ den Spieltisch und trat auf Herm de Mhürac zu. „Sie wundern sich, mein Herr, daß Sie mich in diesen Räumen sehen?" „Allerdings!" „Ich bin nur zufällig und vorübergehend hier; nach der Art der Gesellschaft glaube ich übrigens nicht, daß ich festen Fuß fassen heran; eS war Moule. Der P-lizeiinspektor schüttelte ihm die Hand werde, und ich muß mich selbst verwundern, daß Sie sich hierher verirrt haben." „Ich will auch gleich wieder gehen." „Was selbstverständlich nicht ausschließt, daß wir uns aus anderem Boden wieder begegnen werden, nicht wahr?" „Sobald eS Ihnen beliebt; denn die Bedingungen sind Ihne« ja bekannt und die Erfüllung derselben ist von Ihnen abhängig." „Ich weiß es und bin glücklich, Ihne» mittheilen zu können, daß die- innerhalb vier Wochen geschehe» sein wird." „Ich werde der erste sein, der ihnen Glück dazu wünscht." Dabei machte Herr von Mhörac eine leichte Verbeugung und hatte eine Minute darauf den Salon verlassen. Emery kam auf Laurent zu und suchte ihn für eine neue Partie zu gewinnen, de« Letzteren aber hatte die Begegnung düster gestimmt, er schlug e» auS und zog sich in eine Ecke zurück. Hier hatte er «ine Zeit lang trüben Gedanken nachgehangen, als er in der Gesellschaft eine eigen- thümliche Bewegung wahrzunehmen glaubte. Er erhob sich und be merkte nun einen verspäteten Gast, dem Alle, besonders die Damen, zu huldigen schienen, „Ah! Sieh da, Herr von Formigny!" hörte er Jemand in der Nähe sagen. Es war ein sehr elegant gekleideter, heiterer und schöner Mann von etwa fünfzig Jahren, der die ihm von allen Seiten dargebrachteu Glückwünsche mit einem liebenswürdigen Lächeln, einem artigen Wort oder einem Händedruck erwiederte. „Dacolard!" murmelte Laurent. Er hatte ihn wiedererkannt, den Banditen, dem er gestern im Magazin Chanoisie begegnet war, den Helfershelfer Lubin'S, den Mörder seiner Mutter. Inzwischen dauerte die lebhafte Unterhaltung, deren Mittelpunkt Herr von Formigny war, fort; man bestürmte ihn mit Fragen: ES sei sehr liebenswürdig von ihm, um diese Jahreszeit sein Landgut in der Normandie verlassen zu haben. Wie lange er in Paris bleibe» würde? Wie gern man ihn längere Zeit hier behalte u. s. w u. s. W. Er antwortete auf Alles das in dem Tone eines biederen Land» edelmannes, der zugleich unter Männern ein lustiger Lebemann, gegen die Damen ein galanter Kavalier ist. Laurent drückte sich tiefer in die Ecke und beobachtete. Herr von Formigny mußte eine gut gespickte Börse von seinen Gütern mitgebracht haben; er wurde den« auch sofort in Beschlag genommen und an einen Spieltisch gezogen. Mit dem liebenswürdigsten Lächeln von der Welt erklärte er sich zu einem Spielchen bereit. Er setzte mit der Nachlässigkeit eines Nabob; nichtsdestoweniger gewann er.. DaS eigensinnige Glück, das er hatte, war aber nicht dazu angethan, Emery einzuschüchtern. Er versuchte es, ihm beizukommen, aber trotz des Louis, den er wie einen TaliS« mann hütete, hatte er Pech. Sein Verlust wurde bald so beträchtlich, daß er sich nach Laurent wie nach einem rettenden Engel umsah, und demselben ein Zeichen gab. Laurent trat Herz» und nahm neben Emery Platz. Herr von Formigny nahm seine Anwesenheit anfang- gar nicht wahr. Aber Plötzlich, als gerade eine beträchtliche Summe auf dem Spiele stand, erschrak er; er hatte bemerkt, daß Laurent'- Blicke fest auf ihm ruhten. Er wurde verwirrt und verlor, fuhr aber fort zu spielen, seine Stirn war gerunzelt, seine Züge umdüfterteu sich; er schenkte dem Spiele keine Aufmerksamkeit mehr. Im ersten Augenblicke hatte er Laurent erkannt. Ja, das war der Mann, den er in Lubin'S Begleitung gesehen hatte, aber wer war dieser Mensch? Weshalb war er hier an diesem Platze? War es nicht ein verkappter Agent von Lubin, dessen nahe Beziehung;« zur Polizei er ja kannte, hergesandt? Koonta er, Dacolard, nicht jeden Augenblick beim Ver lassen des Hauses oder hier im Salon verhaftet werden? Er dachte schon an den Widerstand, den er leisten würde, an die Mittel, einer Verhaftung zu entgehen. Unter dem Drucke der ihn beherrschenden Befürchtungen war ihm das Spiel begreiflicher Weise allmählich gleichgiltig geworden. Er verlor unausgesetzt, und Emery gewann nicht nur sein Geld wieder, sondern hatte noch einen Ueberschuß von einigen 30 Louis. „Halt! Jetzt ist es genug für heute!" sagte Herr von Formigny ausstehend. „Ich wußte ja, daß ich nicht verlieren konnte!" triumphirte Emery. Herr von Formigny entfernte sich von dem Tische, ohne deshalb Laurent aus de» Auge zu verlieren. Letzterer wich indessen nicht von seinem Platze. Er sah, wie Dacolard hastig von d.n Nächst stehenden Abschied nahm, ein kurzes Wort mit Coralie wechselte und sich entfernte. Coralie schien untröstlich. Meine arme Coralie," sagte Laurent, „ich bitte Sie um Ver gebung — ich habe Ihnen heute Abend zwei Ihrer Freunde ver jagt, Herrn von Mherac und Herrn von Formigny." „Wirklich?" versetzte Coralie, „Herr von Formigny kennt Sie also? Er hat mich doch nach Ihrem Namen gefragt, und ich habe ihm gesagt, Sie hießen Herr Croisillat." „Der Name wird ihm verdächtig vorgekommen sein," meinte Laurent, „aber beruhigen Sie sich, ich werde ihm bald meinen wahren Namen sagen, und — er wird sich darüber freuen! Lebe« Sie wohl!" 20^ Kapitel. Das Verbrechen in der Rue Cardinet. Die fo'genden Tage sah Laurent Emery häufiger; er erhielt ihn m der günstigsten Stimmung, daß heißt, er hielt jeden Gedanken an eine Aussöhnung mit seiner Familie von seinem Geiste fern. Zugleich korrespondirte er mit Moule. der ihn dringend bat, bis zu der bevorstehenden Verhaftung des Franz Housdal auSzuharren, und nahm Lubin'S begeisterte Glückwünsche in Empfang; dieser hielt den Ersolg ihres Unternehmens gegen das Hotel Suchapt von nun an für gesichert. So lagen die Sachen, als Laurent am 28. Juni folgende Mittheilung erhielt, deren Verfasser nicht genannt, ihm aber wohl- bekannt war: Franz ist verhaftet. Zu seinem ersten Verhör muß ich Lubin !>ei der Hand haben. Ich werde ihn heute Abend verhaften lassen, Sie mit ihm. Sie leisten des Scheins wegen Widerstand — nicht zu viel, keine übertriebene Demonstration! Vorher müssen Sie sich aber das verabredete Pfand sichern. Such;» Sie Lubin zu diesem Zwecke heute Abend in seiner Wohnung auf; zwischen 8 und 9 Uhr rst er zu Hause, mit dem Feilen seiner Nachschlüssel beschäftigt. Ich werde gleichfalls mit einem Polizeikommiffar auf dem bekannten Posten sein. Sie spielen Ihre Rolle. Sind Sie damit fertig, so nehmen Sie Lubin mit in's Lass Anglais. Dort speisen Sie gut zu Nacht, und gegen 10 Uhr befördere ich Sie Beide zur Ver- >auung nach der Präfektur. ES wird Ihnen deshalb nicht schlechter bekommen —" Laurent beeilte sich, diesem Aufträge nachzukommen. Abend» ' um die festgesetzte Stunde begab er sich nach der Rue du Faubourg- Poissonnwre Nr. 76. Auf dem Flur der Mansarde schlich sich ge- heimnißvoll eine Gestalt, die im Schatten verborgen war, an ihn 'S
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