Der einzig wirklich kritische Punkt in der Weiderich-Ansicht ist die Frage: hat man tatsächlich schon im Mittelalter den Namen Weiderich für die jetzt dafür bekannte Pflanze benutzt? Die relative Unscheinbarkeit der Pflanze kann der hier entwickelten An sicht nicht entgegenstehen. Wir müssen dabei daran denken, daß es im Mittelalter im Bereich der Siegel und Wappen allein auf die Typisierung eines Gegenstandes ankam. Die Linde z. B. auf Lindauer Brakteaten die ser Zeit hat einen dicken Stamm, an dem sich einige Zweige befinden, nun hängen aber rechts und links um den Stamm verteilt etwa 7 ein zelne, im Verhältnis zum Baum riesige, überdimensionale Blätter daran, aber eben genau gezeichnete Lindenblätter. Und nur darauf, auf die Typisierung, nicht auf das richtige Größenverhältnis kam es an. Eine eigenartige Stellung nehmen die (jetzt) drei Brakteaten ein, die als Äbtis- sinnenmünzen den Versuch zeigen, einen vogteilichen Hauptanspruch auf die Ausmünzung in Gera einzuleiten und die deshalb neben dem Schleier der Äbtissin das weltliche Lockenhaar des Machtausübers zei gen. Zwei davon sind im Archiv für Brakteatenkunde T. 40, Nr. 28 und 29, abgebildet, und der dritte ist hier erstmals bekannt gemacht worden. Vielleicht sind diese Münzen in den Jahren vor 1219 entstanden und haben dann in diesem Jahre zu dem bekannten Vergleich zwischen der Quedlinburger Äbtissin und Heinrich dem Mittleren geführt, in dem die Äbtissin dem Vogte für eine geringe Summe die gesamte Einnahme aus dem Zoll und Münzgeschäft überließ 36 . Sie würden somit tatsächlich das darstellen, was H. Buchenau aussprach: den Versuch einer allmählichen Verdrängung der Äbtissinnenrechte in bezug auf die Münzprägung in Gera. Sicherlich hat dann aber der Vogt, nach Überlassung der Einkünfte, die Hoheitsrechte der Äbtissin nicht mehr angetastet, denn nach den drei Brakteaten scheint wieder ausschließlich das eindeutige Bild der Äbtis sin auf die Münzen gesetzt worden zu sein. Wenn B. Schmidt und C. Knab 37 eine andere Auffassung vertreten, so ist weder der bildlichen Darstellung auf den Münzen noch den damaligen Gepflogenheiten ge nügend Rechnung getragen. Allerdings können diese Brakteaten nicht, wie es H. Buchenau tut, als vogteiliche Nachprägungen angesehen werden. Sie müssen als legales Geld für den Geraer Stiftsbereich angesehen werden, das auch in der Münze zu Gera geprägt worden ist. Der untere Faltenwurf des Gewan des, den H. Buchenau bei den beiden damals bekannten Stücken als mehr männlich bezeichnete, ist auf meinem Stück durchaus als weiblich zu be zeichnen, er wiederholt den Faltenwurf anderer Äbtissinnenmünzen und 36 H. Buchenau 1898-1906, S. 149. 37 B. Schmidt, C. Knab 1907.