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Chemnitzer Anzeiger und Stadtbote : 08.02.1884
- Erscheinungsdatum
- 1884-02-08
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id512382794-188402084
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id512382794-18840208
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-512382794-18840208
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Chemnitzer Anzeiger und Stadtbote
-
Jahr
1884
-
Monat
1884-02
- Tag 1884-02-08
-
Monat
1884-02
-
Jahr
1884
- Titel
- Chemnitzer Anzeiger und Stadtbote : 08.02.1884
- Autor
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Chemnitzer Anzeiger und Stadtbote. Rr. 3». Freitag. 8. Februar. Seite 2. schon wird aus München von einem ähnlichen, gestern bereits tele graphisch mitgetheilten Vorfall gemeldet. Am Dienstag Vormittag trat ein Individuum in das Bankgeschäft von Wilhelm Brandt, feuerte auf den anwesenden Lehrling zwei Schüsse ab, die glücklicherweise sehl gingen und raubte die Auslage im Betrage von 6000 Mark, womit es daun entfloh. Der Verbrecher wurde indessen noch auf der Straße verhaftet und gab bei seiner ersten Vernehmung an, daß er Lotten berger heiße, aus Vohenstrauß (Oberpfalz) gebürtig und Kommis sei, und gegenwärtig keine Stellung habe. Er bestritt, Komplicen zu haben und sagte ferner aus, daß er durch die Lektüre über die jüngsten Einbrüche bei Bankiers zu seinem verbrecherischen Versuche verleitet worden sei. Nachdem man Lottenberger die 6000 Mark wieder ab genommen, wurde er dem Untersuchungsrichter übergeben Oesterreich-Ungar»». Der über Wien und Umgebung ver hängte Ausnahmezustand hat eine Reaktion in den Wiener Sozialistenkreisen hervorgerufen, welche nur beweist, wie nothwendig jene Maßregel war. Fortwährend stoßen die Anarchisten und Sozia listen unter den Wiener Arbeitern wilde Drohungen aus und Droh briefe an die Spitz-m der Behörden sowie ähnliche Provokationen sind nichts Seltenes. Es beweist dies, wie sehr der Boden auch in der österreichischen Hauptstadt durch die anarchistische Partei bereits unterwühlt ist und der Ministerpräsident Graf Taaffe hatte Recht, hieraus hiiuuweisen, als er in der Dienstagssitzung des Abgeordneten hauses die Ausnahmemaßrcgeln begründete. Nach der Versicherung des Ministers würden unter den Arbeitern massenhafte aufrührerische Schriften verbreitet, in denen man die gewaltsamsten Schritte und den völligen Umsturz der öffentlichen Ordnung predige. Obschon nur ein geringer Bruchtheil der Wiener Bevölkerung, führte Graf Taaffe weiter ans, zu den getroffenen Maßregeln Anlaß gebe, so habe die Regierung doch zum allgemeinen Schutze die gesetzlich gebotenen außer ordentlichen Mittel anwenden müssen, sie werde aber mit denselben keinen Mißbrauch treiben. Von einer Anwendung der Ausnahmemaß regeln auf andere Theile der Monarchie habe die Regierung vorläufig abgesehen, obwohl auch hier besorgnißerregende Erscheinungen zu Tage treten. Das Abgeordnetenhaus nahm schließlich mit allen gegen Stimmen einen Antrag auf Einsetzung einer Kommission von 24 Mitgliedern zur Berathung der Ausnahmeverfügungen an. — Der Mörder des Polizeidetekiivs Blöch soll mit einem Individuum iden tisch sein, welches Stellmacher heißt, erst in preußischen, dann in sächsischen Militärdiensten gestanden hat und aus letzteren entwichen ist. Frankreich. Frankreich wäre beinahe wieder einmal mit einer Ministerkrisis beglückt worden. Wenigstens wenn es nach dem Willen der Monarchisten und der Ultraradikalen gegangen wäre, so hätten Herr Ferry und seine Ministerkollegen in olge der gegen den Wunsch der Regierung in der Deputirtenkammer erfolgten Annahme des An trages Clcmeneeau, betreffend die Einsetzung einer Enquctekommission z»r Prüfung der Pariser Arbeiterverhältnisse, schleunigst ihre Demission geben müssen. Indessen, die Sache war nicht so schlimm, schon in der Montagssitzung drückte die Kammer gelegentlich einer bonapar- tistischen Interpellation über die Eisenbahnkonventionen dem Mini sterium ihr Vertrauen aus, indem sie eine dem letzteren günstige Tagesordnung aunahm. Der ganze Vorfall zeigt ober, wie unsicher der parlamentarische Boden auch für das Ministerium Ferry ist und Herr Ferry wird seine ganze Umsicht und Energie nothwendig haben, um sich auf diesem schwankenden Boden zu behaupten. England. Auch das englische Parlament ist am Dienstag endlich wieder an seine Arbeit gegangen, allerdings sehr spät im Ver gleich mit den übrigen europäischen Volksvertretungen. Die Thron rede, mit welcher das Parlament eröffnet wurde, bezeichnet die Beziehungen Englands zu allen Mächten in hergebrachter Weise als freundschaftliche und konstatirt speziell das herzliche Einvernehmen mit Frankreich. Ueber die in Egypten künftig einzuschlagende Politik enthält sie nur vorsichtige Andeutungen, aus denen nicht zu entnehmen ist, ob die englische Negierung endlich der egyptischen gegen den Mahdi thatkräftigcn Beistand leisten will. Die Lage im Transvaal, im Zulugebiet und in Irland bezeichnet die Thronrede als relativ be friedigend und kündigt schließlich die schon bekannten Gesetzentwürfe über Erweiterung des Wahlrechtes, Ausdehnung der Reform der Lokal-Regierung auf die Provinzen und Reform der Londoner Munizipalverwaltung an. — Das Oberhaus hat den Adreßentwurf an die Königin nach einer mit Beifall aufgenommenen Rede Lord Granville's, des Ministers des Auswärtigen, angenommen. Bei der Adreßdebatte im Untcrhause wurde ein die egyptische Politik des Kabinets mißbilligendes Amendement Bomke's mit 77 gegen 20 Stimmen abgelehnt. Spanien. Dem spanischen Kabinet Canovas del Castillo drohen fortwährend schwere innere Gefahren. In Madrider Negierungs kreisen ist man von der Existenz einer militärisch-republikanischen Verschwörung überzeugt »nd daneben regt sich auch die sozialistische Partei, denn in. Madrid wurde der Versuch gemacht, sozialistische Plakate an die Mauern anzuschlagen. Das Kabinet hat die strengsten Maßregeln angeordnet, um sowohl einem militärischen Pronunciamento als auch einem sozialistischen Putsche sofort entgegenzutreten Egypten. Wiederum eine Hiobspost aus dem Sudan! Baker Pascha meldet dem Khedive, daß er bei Tokar mit einem Verlust von 200 Mann, sowie von 14 Geschützen geschlagen worden sei, obwohl die türkischen und europäischen Truppen tapfer gefachten hätten. Baker beabsichtigt, mit dem Rest seiner Truppen nach Suakim zu- rückgukehren. Die Besatzungen von Tokar und Sinkat, zu deren Entsatz Baker Pascha von Suakim ausgebrochen war, sind demnach verloren und der Ausgang der Mission Gordon's erscheint unter solchen Umständen immer zweifelhafter. Skachrtchten aus Chemnitz und Umgegend. Chemnitz, den 7. Februar 1884. — Wenn die Einsetzung der Fri eben sge richte und der Frieden srichter allseitig sicher als eine höchst segensreiche Institution im Allgemeinen gepriesen werden konnte, indem durch diese Einrichtung zahllosen Jnjurienprozessen von vorn herein die Spitze abgebrochen wirdunddabei dieKostenfürdieThätigkeitdcrgenanntcnBeamtenimEinzel- falle 1 Mark nicht übersteigen — ein wohlthucnder Gegensatz zu der Höhe der Gerichts kosten —, so wird man ebenso freudig die neue Einrichtung unseres Justizministeriums begrüßen, nach welcher d-m Friedensrichter die Befugniß zusteht, auch in civilen Bagatellsachen als erste Instanz zu entscheiden. Zwar war cs den Friedensrichtern (nach K 4 Abs. 1 ihrer Instruktion) schon bisher unbenommen, in civilrechtlichen Streitsachen erstinstanzlich zu entscheiden, doch war diese Befugniß einerseits wohl dem größeren Publikum meist noch unbekannt und andererseits wurde sie wohl auch von den betr. Beamten weniger ausgeübt. Deshalb hat das Kgl. Justizmikiisterium neuerdings beson dere Formulare zur Ladung in civilen Streitsache^ vor den Friedens richter Herstellen lassen, damit die Kcnntniß auch von dieser Befugniß völlig ins Publikum dringe. — Wir verfehlen also nicht, unsere Leser darauf aufmeiksam zu machen, daß der Friedensrichter ebensowohl in Beleidigungsklagsachen wie in Civilstreitigkeitcn als erste Instanz gilt. —li. Am vergangenen Montag hielt Herr Gewerbschullehrer Emil Walther von hier im Verein Deutschland einen Vor trag über „Das Kolonialwesen der Griechen." — Von der geschichtlichen Entwickelung des griechischen Volkes ausgehend, legte Redner alle jene Ursachen klar, welche fördernd und bestimmend auf die Hebung der äußeren und geistigen Weiterbildung jenes kleinen und doch bedeutsamsten Volkes des ganzen Alterthnms gewirkt haben. Von der Natur mit den höchsten Gaben ausgestattet und von außer ordentlich regem und gesundem Geist, umgeben von einer herrlichen und reichen fast immer sonnigen Natur, wußten die Griechen alle gebotenen Verhältnisse in so glänzender Weise auszunützen, daß ihr materielles Wohl ebenso wie ihre Geistesbildung unaufhaltsam fortschritten. Herren einer reichen Inselwelt, erkannten und ver- wertheten sic die für die Schifffahrt überaus günstigen Verhältnisse zu einer rasch ausblühcnden Handelsthätigkeit und vcrrietheu bei jedem Schritt, welchen sie in dieser Hinsicht vorwärts thatcn, daß sie mit ihren hohen Geistesgaben und der größten Vaterlandsliebe noch einen ungewöhnlich gesunden und prakiischen Sinn vereinigten. Der Vor tragende führte die Hörer in das materielle und gerstige Leben der griechischen Städte, von denen manche Hunderte von Handels- und Kriegsschiffen und eine ungeheure Zahl von Tochterstädten an nahen und fernen Meeresküsten besaßen. Er zeigte, wie Griechenland bald die Küste der bekannten Länder mit Kolonien besetzte, welche Griechen land vor Uebcrvölkerung und inneren Unruhen schützten und dadurch den Sinn des Volkes gesund erhielten, welch letzterem sie außerdem immer ausgedehntere Einnahmequellen eröffnten. Das Leben in diesen Handelskolonicn, der Verkehr mit den fremden Völkern, die Ver breitung der Bildung, die stehenden Messen und Märkte in den griechischen Städten selbst und de» Kolonien, das Treiben auf diesen Märkte», die öffentlichen Einrichtungen, das alles fand in dem über aus interessanten Vortrag, unterstützt von der größten Sachkenntniß lebensvolle und klare Beleuchtung. Und wenn es wahr ist, daß die Kenntniß der Geschichte das Berständniß für die Verhältnisse der Gegenwart schafft, so ist der Gewinn, den die Hörer von diesem Vortrag gehabt, sicher ein ganz bedeutender gewesen und er wird ein ebenso bleibender sein. —xle. Der gestrige Vortragsabend im Verein für volks verständliche Gesundheitspflege und Naturheilkunde Brandstifters Dore. Eine hessische Dorfgeschichte von E. Mentzel. (Fortsetzung.) Es entstand eine peinliche Pause, in der sich Dore mit Gewalt von ihm frei zu machen suchte. Er jedoch schlang seinen Arm nur noch fester um sie und suhr dann mit leidenschaftlichem Hohn fort! Dernt'halb bist Du also mein Schatz nit mehr und so hart worden wie ein Kieselstein! — Doch wart', ich will Dir's auch schon beweisen, daß Alles so ernst nit gemeint war, daß man Dich leichtlich aus dem Sinn schlagen kann!" — „So ihn' mir auch die Schmach nit länger an und gieb mich frei!" rief Dore in gebieterischem Tone. „Gleich! gleich! doch vorheb sollst Du mir »och ein gut Lösegeld dafür zahlen!" Er sprach cs wie im Fieber und beugte sich vor, um die Widerstrebende zu küssen. In diesem Augenblick jedoch tönte ein gellendes Hohngelächtcr in der Nähe und eine grelle Weiberstimmc rief: „Das ist recht, Hanjust! Ein Narr ist das Mannsbild, das nit nimmt, was cs von seines Gleichen nimmer und von raupichter' Art für ein Butterbrod Han kann! ' — Als ob ihm Plötzlich eine Stimme aus den Wolken Einhalt ge boten hätte, so fuhr Hanjust bei dem höhnischen Zurus plötzlich zu sammen. Er schien wieder zur Besinnung zu kommen, gab Dörens Hände schnell frei und eilte mit wüthenden Blicken und geballter Faust der geputzten Bäuerin aus Grenzdorf nach. Leichtfüßig war dieselbe bereits ein Stück des Waldwegs binausgeschritten. Auch Dore stand einen Augenblick da, als ob sie von einem Keulenschlag auf den Kopf getroffen worden wäre. Nachdem jedoch Hanjust, ohne sic noch einmal anzublicken, wie ein " csinnungsloscr davon gerannt war, faßte sic sich schnell, langte nach dem Kräuter strauß und eilte, wie von einem bösen Geiste verfolgt, durch die Bäume nach einem wenig bekannten Pfad hinunter. Während des Weges klangen zuerst laute Streitworte und dann der Ruf ihres Namens an ihr Ohr, der in einem lauten angstvollen Ton mehrmals den stillen Tannenwald durchschallte. Obgleich ihr jedoch die Stimme durch Mark und Bein ging, obgleich sie ein mächtiger Drang mit Gewalt zur Antwort zwingen wollte, gab sic doch nicht nach und hielt sich, wie zum Schutze vor sich selbst, beide Hände vor den Mund. Was konnte er denn nach seinen letzten Worten noch von ihr wollen, er, den sie so heiß geliebt und der sie auf ein bloßes Gerede hin so schmählich verkannt hatte?! Gutes konnte es nimmer sein. — Deßhalb mußte war äußerst zahlreich besucht. Nachdem der Herr Vorsitzende die Versammlung eröffnet hatte, ertheilte er Herrn Canitz aus Berlin das Wort, welcher in einem Bortrage über: „Hustenkrankheiten und oeren naturgemäße Behandlung" sprach. Er schilderte kurz die ver schiedenen Hustenarten und verbreitete sich dann eingehender über den Schwindsuchtshusten. Lebhafter Beifall dankte dem Redner, welcher in vier Wochen hier wiedersprechen wird Der Herr Vorsitzende forderte alsdann die anwesenden Gäste noch zur Mitgliedschaft auf mit dem Bemerken, daß die Zahl der Mitglieder die Zahl 500 bereits überschritten habe. Nach der Erledigung des Fragekastens wurde die Versammlung geschlossen. — Die außerordentlichen Erfolge, welche der K. K. Kammer sänger Herr Theodor Wachtel bei seinem bisherigen Auftreten auf unserer Bühne erzielt hat und der ungetheilte, allseitige Beifall, welcher dem genannten Künstler zu Theil geworden ist, haben Herrn Direktor Schindler, der ja immer und stets sich in zuvorkommendster Weise bereit finden läßt, den Wünschen des Publikums soviel wie möglich Rechnung zu tragen, veranlaßt, mit Herrn Wachtel Unter handlungen wegen nochmaligen Auftretens (der genannte Sänger hätte sich heute, Donnerstag, Abend zum letzten Male hören lassen) an zuknüpfen. Wie wir hören, sind diese Unterhandlungen erfreulicher Weise von Erfolg gekrönt gewesen, und z w ar wird Herr iheodor Wachtel nächsten Sonnabend noch einmal in einer seiner Bravourrollen, und zwar im „Postillon von Loy- jumeau" auftreten. —Wir theilten kürzlich bereits mit, daß sich in dem Erd reich des Schloßgarten-Restaurants längs der hohen Mauer ein Riß gebildet habe, welcher Anlaß zu Bedenken gab. Die sofort getroffenen Vorsichtsmaßregeln sind nun beendet. Im Schloßgarten ist ein großes Stück Erdreich ausgegrabcn und die hohe Mauer ist durch eine Menge Pfosten gegen das Einstürzen gesichert worden. Der Aufgang zu Schloß Miramar ist abgesperrt und befindet sich jetzt ein Treppen aufgang zu demselben am chinesischen Häuschen. —glc. Daß man im geschäftlichen Verkehr nie vorsichtig genug sein kann, beweist folgender kleine Fall, welcher dieser Tage hier vorgekommen ist. In ein hiesiges Restaurant bringt eine Frau täglich Backwaaren, welche ihr der Oberkellner abnimmt und kontrollirt. Letzterer war nun, als die Frau dieser Tage die Backwaaren brachte, beschäftigt, weshalb ein anderer Kellner das Kontrolliren übernahm. Als der Kellner der Frau den leeren Korb zurückgab, behauptete diese, daß ein Portemonnaie mit Geld darin gelegen hätte und brachte den betr. Kellner in den Verdacht des Diebstahls. Ueber die näheren Umstände befragt, sagte die Frau ans, daß ihr eine zweite das Portemonnaie in den Korb gelegt, sie selbst ei aber nicht ge sehen hätte. Wo ist nun das Portemonnaie geblieben ? Der Kellner steht bei seinem Herrn als ehrlicher Mann in gutem Ansehen und an seiner Unschuld ist nicht zu zweifeln. Die Frau hat sich nicht ein mal überzeugt, ob das Portemonnaie in den Korb gelegt worden ist. Ist es nun verloren oder gestohlen? —el>. Abermals eine Schußaffa ire. Erst kürzlich haben wir darauf hingcwiesen, wie unumgänglich nothwendig es sein dürfte, das Tragen bez. das Kausen von Waffen seitens junger Leute einer strengen Konirole zu unterstellen und schon heute haben wir aber mals Veranlassung darauf zurückzukommen. Gestern Abend gegen 10 Uhr wurde an der oberen Hai->straße, in der Nähe der dort be findlichen Ziegclscheunen ein Schuß abgefeuert Wie wir hören, ist der Schütze ein Bäckergeselle gewesen, der kurz vorher vor der Wohnung seiner Geliebten, sich oder diese zu erschießen gedroht hat. Man könnte solche Geschichten einfach als Narrheiten bezeichnen, wenn man nicht wiederholt — und namentlich in letzterer Zeit — gesehen, wie vom Lächerlichen bis zum Erhabenen zwar nicht, aber doch zum Entsetzlichen, nur ein Schritt ist. —cd. Daß der Stoffzu mitunter ganz effektvollen Lust spielen häufig, wie man sich auszudrücken Pflegt, auf der Straße liegt, und daß demnach ein um passende Motive verlegener Komödien- dichtcr eigentlich nur „hineinzugreifen braucht ins volle Menschenleben", wenn er nicht gerade selbst erfinden kan», was allerdings nach Göthe etwas sehr Schönes sein soll, dürfte der nachstehende Fall zur Genüge beweisen. Ein Obsthändler hiesigen Ortes, in, Kreise seiner Gcwerbsgenossen und auch darüber hinaus als Original bekannt und mit jener naturwüch sigen Derbheit in Rede und Geberde begabt, welche der Volksmund mit Grobheit zu bezeichnen liebt, blieb zum gerechten Erstaunen seiner Kollegen und Käufer plötzlich von seinem gewöhnlichen Standorte weg und wurde ebensowenig in den Wirtschaften, in welchen er für gewöhnlich zu verkehren Pflegte, gesehen. Man sprach daher allgemein von seinem — Tode, da man eine andere Erklärung seines Ver schwindens nicht hatte finden können. Plötzlich tauchte der Todtge- sie fliehen, so schnell sie ihre Füße zu tragen vermochten, deßh lb mußte sie auch gleichsam der Stimme zu entrinnen suchen, die ihr immer und immer wieder zuflüsterte, daß er ihre harmlose Vertheidigung des Beckenjörg mißverstanden, daß ihn nur ein gefährlicher Wahn zu solchen Reden angereizt habe. — Nachdem Hanjust mehrmals Dörens Namen gerufen und keine Antwort erhalten hatte, schlug er sich beide Hände vor's Gesicht und lachte wie ein Verzweifelter. Dann sah er mit rollenden Augen zu Boden, als ob er etwas suche, und sagte im Tone schmerzlichster Er grisfenheit: „Verloren, verloren auf immerdar!" — Eine Weile stand er da wie ein Unglücklicher, dem sein höchstes Gut geraubt worden ist, plötzlich jedoch ging eine Wandlung mit ihm vor. Er klatschte in die Hände, stieß einen wilden Jauchzer aus und rief: „Doch was brest'2) ich mich hier und drunten tönt's Geigel und manch' schöne Augen winken?! — Lustig sein, lustig sein, das ist das Best'! Es giebt ja noch mehr Weibslcut auf der Welt, und sie soll's gleich erfahren, daß sie mir nit in's Lebensmark cinschnitten hat, das; mein letzt' Wort kein leeres Geflunker war!" Er summte eine heitere Melodie vor sich hin und eilte so schnell, wie er vorhin gekommen, die Höhe hinunter und nach dem Wirths- haus zu. Während er nun bis spät in die Nacht hinein mit allen Dirnen, auch mit der reichen Lenetraud vom Klosterhofe, tanzte, lag Dore im Schifferhäuschen neben ihrer festschlafenden Großmutter und that kein Auge zu. Sie dachte an jenen Ausspruch der Zundcrlore, den sie sich so fest eingeprägt hatte, wie ein Bibclwort in der Kinder lehr', sie stellte sich die Leichtgläubigkeit des Hanjust und deren empörende Folgen vor, aber alles dies konnte nicht verhindern, daß immer »nd immer wieder heiße Thräncn aus ihren Augen auf die Kissen hinabranncn, daß ihr das ganze Leben öde und nichtig vorkam. Schon sehr frühe erhob sich Dore und ging auf ein nicht weit vom Schifferhäuschen liegendes Gemüscland, um Unkraut zu jäten. Sie war noch nicht lange da, als eine Magd aus dem Wirthshause zum Anker vorüber kam und ihr ungefragt erzählte, wie lustig der junge Höfer vom Grenzhofe gestern Abend gewesen und wie flott er mit den reichen Dirnen bis spät in die Nacht hinein getanzt habe. IV. „Anspannen!' „Herr, Ihr wollt wirklich nach dem Klostergrund fahren?" „Ich will's und die Grenzbäuerin desgleichen." Der Oberknecht wagte cs, bedenklich den Kopf zu schütteln. Er blickte dabei durch's Gitterthor des Gehöftes nach dem hoch ange ') Verächter. -) Quäle. schwollenen Strome hinüber, der hinter einem breiten Kornfelde ein gut Stück durch die Gemarkung des Grenzbauern floß. „Es wird heut unheimlich heiß werden, Herr. Wen» er's machte wie vor einem Jahrzehnt zur Lenzzeit und am Mittag schon im" „Er wird's bleiben lassen!" unterbrach Höfer seinen Oberknecht in barschen! Ton. „Anspanncn!" befahl er dann nochmals mit einer Miene, als wolle er sagen, wie kann der Strom sich untersteh'« in's Gehöft einzudringen, während der reiche Grenzbauer für seinen Einzigen auf die Brautschau geht. „Mir schon recht, wenn sich unser Herrgott kommandiren läßt wie unsereins!" murmelte der Oberknecht für sich hin. Dann sah er wieder nach der breiten Wasserfläch', hinüber, an deren jenseitigem, von einem Gebirgszug begleitetem Ufer auf ziemlich steiler Anhöhe ein einsames kleines Haus stand, und fügte noch hinzu: „Wie doch der Eine dem mit Gewalt aus dem Wege läuft, was ein And'rer für sein höchst' Glück halten thät! — Arme Dore, könnt ich's allein für dich tragen!" — Während nun Martin, der Oberknecht, die stolzen Apfelschimmel vor die Chaise spannte, in welcher schon der Vater Höfers in Winter tagen zur Kirche nach Grenzdorf gefahren war, trat letzterer selbst durch die Thüre seines stattlichen Hauses und schritt in die im er höhten Erdgeschoß gelegene Wohnstube. „Fertig, Annemarie?" fragte er barsch seine Frau. „Ja Mann, ich bin's. — Wenn nur der Hanjust so mit sich fertig wär." — „Ah was Flausen!" gab er mürrisch zurück. Dann trat er dicht an sein sonntäglich geputztes Weib heran und legte die schwere Hand mit den Worten auf ihre Schulter: „Annemarie, wir all'zwei sind von stolzem Geblüt. Willst Du's vielleicht erleben, daß doch noch eins von dem Gesindel dem alten Ruhm jählings ein Ende macht?" „Gott bewahr mich davor, Hanfried!" erklärte die Grenzbäuerin, die ihren Mann nur mit seinem Vornamen anredete, wenn sie sich in völliger Uebereinstimmung mit ihm wußte. „Aber die Dore ist ein bildsauber' Weibsbild 'worden — und unser Einziger ist kein Hansjörg. — Glaub' mir, glaub mir, sie sitzt ihm tiefer im Herzen als er halt selbst weiß!" — Als Frau Höfer den Namen ihres verstorbenen Schwagers nannte, zog etwas wie ein Schatten über die Züge des Grenzbauern. Es war jedoch ebenso schnell wieder verschwunden wie es gekommen war. „Ihr Weibslcut' seht immer Gespenster wo keine sind," sagte er dann im vorigen Ton. „Ist dann der Hanjust nit einverstanden mit unscrm Plan und ganz lustig obendrein?" (Fortsetzung folgt.)
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