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Sächsischer Landes-Anzeiger : 19.09.1886
- Erscheinungsdatum
- 1886-09-19
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id512384622-188609190
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id512384622-18860919
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-512384622-18860919
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Sächsischer Landes-Anzeiger
-
Jahr
1886
-
Monat
1886-09
- Tag 1886-09-19
-
Monat
1886-09
-
Jahr
1886
- Titel
- Sächsischer Landes-Anzeiger : 19.09.1886
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Aeiblatt zum Sächstschm Landrs-Anzeiger. Luis« Amalie, einer Schwester der Fron Friedrich de» «roßen, hatte di» Huldigung der Armee rmpsangrn, war vo« de« gedankenlosen Meng« mit Audelplalmeu und schlechten Versen, mit Huldigung»- adrisfeu und Weihranchwolke» begrüßt. Und dies» Wolke» verschlrirrtr» fchonwtqig« Tage »ach seinem Heimgänge da» Andenken de» großen Oheim». Mirerbean ging in seinem Arbeitszimmer mit langen dröhnende» SchiÜtt» auf und ab. Sein Gesicht war stark geröthet, sein« dunklen »Utzen Locken zitterte« vor Erregung. Ans dem Divan saß der Var« von Noldö, ein Manuskript seine» Freunde» in der Hand, Mpi mehr ans dessen lodernde Worte hörend, als in de» Heste lesend. ^ Einer der größten Charaktere auf dem Thron ist dahin, der önste «uß zerstört, den dir Natnr je geschaffen I* rief Mirabeau, '»je Krankheit, die zehu Menschen an einem Tage grtödtet haben «, hat elf Monate ohne Unterlaß und ohne Aushöreu gearbeitet, > Riesengelst zu «sticken — und doch mühen sich heute bereit» zwei Drittel der Bevölkerung Berlin» ab. zu beweisen, daß er rin gewöhnlicher Mensch gewese« sei und fast unter dem Durchschuitt». maaL/gestauden Hab»! O, wenn dies« großen Augen, die »ach dem Willen seiner Heldenserle Entzücken oder Entsetzen verbreiteten, sich ^ einmal öffneten, würden sie den Mnth haben, vor Scham zu diese erbärmliche« Schmeichler?!" — , .,6 »-La» mich betrifft', fuhr er «ach einer Pause mit rvhigr«, fast " oüthiger Stimme fort, „der ich ihn gesehen, mit ihm gesprochen ls^mrd bi» zn« Grabe den süßen Ehrgeiz nähren werde, ihn esslrt z« habe» — ich zitterte, mein Herz empörte sich bei dem tzauspiel, da» Berlin am Tode-tag diese» Helden bot, der die t vor Staune« verstumme« und vor Bewunderung jauchzen ließ! -^Alle» ernst beschäftigt, Niemand betrübt, kein Vermissen, keine Thräven, kein Lob! — Ich bewundere ihn al» de« wunderbarsten Mann, der je «in Scrpter getragen, wenn ich auch darum viele seiner MgiernngSmaßregel« nicht rühmen mag. Die Zeit wird'» lehre», wch selbst »in Absolutismus seiner — der besten — Art, und wenn durch da» größte Genie getragen wird, in sich zn Grund« geht. »S Räderwerk der Maschine erlahmt, wenn der Geist und die Kraft htn, die e» von innen bewegte». Zu glaube«, daß ein solcher i»rrat in seiner Größe vo» Dauer sei. ist ein großer, verhängnißvollrr itpthum. an dem diese» Land zn Grunde geht." — „Und da» Stannenwürdigstr ist,' nahm der Baron Roldü da» Wprt, „wie reißend schnell dies« Fäulniß jetzt schon zu Tage tritt. Ms« tief müßten diese Odendichter und anfgebanschten Bardensänger de» deutsche» Volke» erröthen und sich vor Scham in ihre heiligen Eichenhain« verkrieche», wenn sie, wie wir, dem Schauspiel beiwohnten, tw» Hier zur Zeit gegeben wird. Wo bisher der Wille de» großen König» allein und bis beinahe zur Stunde seine» Tode» regiert« und jetu« Minister, di« Lärmer, Brandt, Dankelmann, di« Zedlitz und Herzbrrg. Finkeustein und Lchulenburg und wie sie heiß,», kaum eine ^dpr« Arbeit mehr hatte«, al» seine Befehl« zu »xpedirrn, da stehen Männer wie Bischofs» Werder, Wölluer an der Spitze de» Regiment». W» vor de» Verstorbenen Adlerauge jeder leiseste versuch, Einfluß «f seine Entschließungen zn gewinnne«, znrückschrak, bemühen sich dt«, jesuitischen Roseukrenzer ganz offenkundig, mit Rekromantir, mysti- scheu Formel», pietistischen Einschüchterungen, selbst mit den Reizen der hochdlonte« häßliche», aber aristokratisch nnd kirchlich gesinnten Gräfin von Boß, den Eirfluß der alten Geliebten de» König», der woudrrschö»«« Wilhelwin« Rietz zn verdrängen. Sie ist ihnen zu freisinnig, zu aufgeklärt, zu selbstständig, dem stanzöfischeu Bündnisse V» geneigt und zu gefährlich, weil für die Entwickelung der freieren «pd feinere« Geselligkeit nnd sür die Annähernng der geistreichen Leut« au» allen Ständen vo» unberechenbarem Einflüsse." Mirabea« blieb vor Noldü stehen und droht« ihm lächelnd mit de« Finger. „Sollte e» die preußische Pompadour, dies« märkische Raxolaue, «ich «eine« weiberhaffende» Freunde angetha» nnd ihn in ihren Netzen gefangen haben?" „Sie scherzen, Herr Graf, aber ich wünschte lebhaft, Sie lernten sich kennen. ES wäre «in Schauspiel für Götter, Sie Beide einander gegenüber zu sehe»! — Und wer weiß, ob dann nicht, wessen Sie »ich verdächtigen, Ihnen selbst pasfiren würde. Sie ist ein« volle, hrrrltch gebaut» Brünette, ihr« Büste, ihr Nacken, ihr Arm ist vo» unübertresflicher Schönheit und ich verdenke e» dem Könige kaum, daß er sich vo« der wunderschöne« Pracht dieser Glieder «och immer nicht ganz lokznreiße« vermag. Sie sollten nicht versäumen, sich dem Kreis« auzuschließen, der sich in Charlotteubnrg und in ihrem Palai» Unter den Linden «m sie versammelt. Aber noch mehr. Mit der Retz fällt da» Bünduiß mit Frankreich, mit der Gräfin von Boß nnd mildem GeneralBischossSwerderkommt da» Kabinet von Wien oben a»f.' „O, dieser BijchoffSwerder I" rief Mirabea». „Wenn Friedrich der Große sehen müßt«, daß dieser .Laubfrosch', wie er ihn nannte, sich seine» Throne» ganz nnd gar bemächtigt hat und der neue König willenlos de« Absichten und Zielen diese» Manne» beipflichtet! — Ich war bei ihm. Seine Verschlossenheit und Schlauheit, sein Mißtrauen gegen jede freie Regung de» Geiste», ja, schon der scheue Blick seine» «nge», de» dnwpfe Ton seiner Sprache, der an die Atmosphäre de» Grabe» oder der Bedientengarderobe erinnert, machen mir de» Man« in tiefster Seel« verhaßt. Dieser bigott, dickleibige Falstaff, der trotz Allem unter dem Pantoffel seiner katholische« Frau, der früheren Gräfin Pinto steht — daß ich noch so thöricht war, ihn z« meinen Ansichten bekehren zu wolle« I" „Sie waren bei Bischofs-Werder? — o ich bitte, erzähle» Sie mir!' fragte der Baron gespannt. Mirabea» setzt, sich zn ihm in den Diva«. „Ich war bei ihm. Ich hoffte ihn zn bewegen, daß er den König günstig stimme sür die Rrformpläue, die ich diesem in dem ihm am Begräbnißtag« seine» Oheim» übeneichten Memoire, von dem Sie eine Abschrift in der Hand halten, vorgelegt habe.' „Und diese Pläne? — Theilen Sie sie mir ln allgemeine« Zügen mündlich mit. Ich wnß in eine» halben Stunde «ach Lharlottenburg zur Rietz, vielleicht finde ich Gelegenheit, sie über di« Aufnahme dieser Pläne bei de« Könige au»zusorschen ' „Gern', erwiderte Mirabeau, sich aus dem Diva« bequem zn- recht setzend. „Ich habe dem Könige vor allen Dingen gratnlirt, daß er in dieser glücklichen Stunde auf den Thron gelangt ist, wo die Aufklärung di» heiligsten und größten Ideen genügend vorbereitet hat nnd e» nur eine« raschen Zufaffen» bedarf, sich unter ihrer Aegide der Führerschaft Deutschland» nnd der alten Welt z« bemächtigen. Zu diesem Zwecke sei «» vor Allem nöthig, den Unterthauen dir ganze Freiheit zu gkbe«, wie sie dieselben nur Immer zu ertragen vermögen nnd sich vor der Zuvielregiermei z« hüten. Al» den einflnßreichsten Schritt für die Retcrm in diesem Sinne empfahl ich ihm di« Besei tigung der barbarischen Mililär-Gesetzaebuug nnd die Einrichtung einer Nationalgard», welche dem germanischen Volksgrist« entspricht nnd di« Quelle der Freiheit und de» wahren Heroismus in sich trägt. Ich verlange ferner Freizügigkeit nnd dir Genehmigurgde» Erwerbes auch adliger Grundstücke für Jedermann, so wie im Zusammenhang« damit di« Beseitigung der bevorzugten Stellung des Militär» dem Bürger- stände gegenüber, die Abschaffung der adelige« Vorrechte und die Be schränkung der Aristokratie, welche in monarchischen Staaten noch von größerer Gefahr ist, al» in Republiken. Ich fordere Unabsetzbarkeit und feste Besoldung de» Richterpaude» au» der Staatskasse. Ferner schlag« ich vor, öffentlich« Arbeiter-Werkstätten anf Staatskosten zu errichten, damit, wer arbeiten kann nnd will, Gelegenheit zum Ver dienst finde, wodurch der Werth und Nutzen «ine» arbeitsamen Lebens weiter in da» Volk dringe« und wohlthätiger wirken würde, als e» durch Lehre und Unterricht geschehen kann. Der öffentlich« Unterricht, die Freiheit der Presse, die ««beschränkte Toleranz in Glaubenssache« stelle ich als di« Grnndfrsten einer Bersaffung hi», wie sie unsere Zeit unbedingt verlangt und sich mit Blut und Eisen erobern wird, wo sie ihm nicht freiwillig gewährt werden. Endlich schlage ich vor, eine durchgreifende Reform de» bisher befolgte« System» der politi schen Oekonowie durch Verminderung der indirekten Abgabe« bei gleich- zeitiger Erhöhung der Grundsteuer und Beseitigung der Steuerfrei heiten jeder Ar», Begünstigung de» Tranfithandel», Befreiung der Industrie und de» Handel» überhaupt von jeder lästigen Bevormundung ' Baron Noldä war mit steigendem Interesse der MItthrilnug Mirabea»» gefolgt. „Ich bewundere Sie, Herr Graf," begann er, als jener geendigt. „DaS preußische Volk, ganz Deutschland müßte Ihnen Denkmale von Marmor nnd Erz errichten, wenn e» Ihnen gelänge, auch nur de» vierten Theil Ihrer Vorschläge z« realifire« I Aber täuschen Sie sich nicht! — Meinen Sie «rnstlich, an diesem Hofe mit de« düster« Geistern, di« hier umgehen, in der drückenden Atmosphäre, die hier herrscht, auch «nr eine eingehende Aufmerksamkeit sür Ihr« Vorschläge zn erwecke»?' Mirabea« hatte di« dunkel« Angen, di« er während seiner Mit- theilvvg zur Decke »aporgerichtet, finster nnd starr zn Bode« gesenkt „Ob ich Hoffunng heg«, ob nicht,' begann er mit leiser, tiefer Stimme, „ist ohne Gewicht. Mir genügt «», da jede ander« Stimm« schweigt, ohne Rückhalt nnd frei anSznsprechen, wa» unser« Zeit vo» ihren Regenten z« fordern berechtigt ist, was fort und fort Tausende nach mir verlange« werden, wenn r» mir nicht gelinge» sollte, hier oder in Frankreich meine Pläne z« verwirklichen. Die Gewährung liegt nicht in meiner Hand. Wohl ober weiß ich gewiß, daß mein« Hoffnungen einst ersüllt werdeu, wenn nicht mit freier Znstimmung der Monarchen, so gegen ihren Willen. I« diesem Falle aber mögen sie die Verantwortung trage» sür die Ströme unnütz vergossenen Blute» und da» maßlose Elend ihrer Völker, da» ihr thörichter Widerstand über die Welt bringt. Ich fordere viel, ich weß eS, aber ich betrachte wich al» Wecker einer neue« Zeit und werde nicht müde werden, Fürste» nnd Völker wachzurusen, bis ich die Stelle inde, wo ich die Hebel ausetzen kann, um die Last de» VorurtheilS, »er Unterdrückung, de» Dünkel», der Intoleranz in die Lust zu chnellen I — Ich kenne dirs« Last, — ich habe unter ihr gelitten, ich habe—" E» hielt au. Die Thür öffnete sich langsam und Fra» v. Nehra trat herein. Sie sah abgespannt nnd traurig au» und ihr« bleichen sehen konnte« nnd fast bei jedem Schritte über Steine, Balken, Tele- g'iphevdrähte «. s. w. stolperten. Dabei begegneten wir fortwährend barhänptigen, vothdürstig bekleideten oder fast nackten menschltchru Ge statten, die zum Theil vor Entsetzen dem Wahnsinne nahe zu sein schienen. Alle diese Leute suchten iustinctiv nach den offenen Plätzen zu gelangen, da sie sich nur dort «och vor der Gefahr, von einem ein stürzenden Hanse erschlagen zn werden, sicher fühlte«. Hie» nnd da brwrrkte »an auch undeutlich die Umrisse einer anf der Straße rie,enden menschlichen Körper», aber bei der wilden Flucht hielt sich Niemand auf, um «achzusehen, ob e» ein todter oder ein lebender Körper war. „Da plötzlich dringt Licht durch den Kalknebel. Da» Licht wird immer stärker, «ud gleich darauf ertönt der SchreckenSruf: „Jener! Ein zweiter Erdstoß ließ die fliehenden Menschen einige Sekunden alle» Ander« vergessen, nnd nachdem die Wiiknngen des Stoßes vorüber waren, fühlt« man momentan ein Gefühl der Erleichterung, da wan einer reuen Gefahr entgangen war. Dann aber stolperte «nd tastete man sich weiter nnd weiter, um einen sicheren Platz zu «reich,», mitten durch Lchaareu jammernder, schreiender, stöhnender, betender, nm Hülfe rusender menschlicher Wesen. Die Schrecken» feem« werden Jedem, der sie mit «»lebt hat, unvergeßlich fein, aber beschreiben kann sie Niemand. — „Der erste Stoß begann 7 Minuten vor 10 Uh«. Die» sah »a» später an den Thurwuhren. welche säwmtlich zu dieser Zeit stehe« geblieben waren. D-r zweite Stoß, der nur schwach war, erfolgte acht Minuten später. Unterdessen hatte das Feuer um sich gegriffen, und die au mehreren brennende» Gebäuden emporzüngelnden Mammen belenchteten von allen Seite» mit düsterem Scheine die Stätte der Verwüstung. An vier Stellen, in verschiedenen Siadt, theilen sah mau da» verheerende Element sein ZerstörnngSwerk bNKchewmt fortsetzen, aber so groß waren die Angst und da» Entsetzen »er unglücklichen Bewohner, daß im ersten Augrnblicke Niemand daran dacht«, diese neue Gefahr zu bekämpfen. Mau schickte sich mit stnmpfer Resignation in den Gedanken, daß nun dir ganze Stadt in Rauch ansgrhrn würde. Namentlich die Reger schienen an nicht» Andere« wehr zu denken, al» daran, ihre« Frieden mit dem Himmel z» machen. Sie beteten und sangen, ohne sich um da», wa» nm sie he» vorgiug, weiter zn kümmern. Rang- und Klassenunterschiede konnte wan in der vrrbävgvißvollen Nacht nicht wehr. Man konnte Züge trugen unverkennbar da» Gepräge «ine» Brnstleideu». da» fi, in letzter Zeit Stunden und Tage lang an da» Krankenbrtt gefeffrlt. Sir trug in der Hand einen silberne« Teller, ans welchem «in große» Schreiben lag. Sie präsentirte da» Schreiben Mirabea«. „Wenn ein König an Dich schreibt, Gabriel.' sprach sie lächelnd, „so darf ich wohl de« Kammerdiener machen —' „Vom Könige, «in Brief vom König,!' rief Mirabea», üb«, rascht ansspringend nnd da» Schreiben rasch entsiegelnd. „Nun werdeu wir lesen, wie er meine Vorschläge ausnimmt.' Dann la» er mit Anfang» leiser, dann aber immer lauterer Stimme: Her, Graf vo« Mirabea« I Ihr mit einem Memoire begleitetes Schreiben vom 17. d. Mt», ist mir übergebe« worden. Ich bin Ahnen sehr verbunden, sowohl für die Ansmrrksamkeit, mir da» letzter, »«gestellt zn haben» al» auch sür die verbindliche« Sachen, welche Eie di« Güte hatte«, mir bei diese, Gelegenheit zu sagen. Seien Sie überzeugt, daß mir Alle», wa» von Ihnen kommt, Vergnügen macht. Ich bitte Gott, Sie in seinen gnädige« Schutz zu nehmen. Berlin, 20. «ngnst 1786. Friedrich Wilhelm. Mirabea» ließ die Hand, mit der er den Brief gehalten, langsam finken, indem er de« Baron nnd Fra« v. Nehra eine Sekunde ruhig ansah. Dan« aber brach er in ein laute» Gelächter au» «ud warf den Brief verächtlich aus de« Tisch. „Wahrhaftig, Majestät, e» hat Ihne« Vergnügen gemacht!' rief er mit schneidender Ironie. „Da» ist lustig. Dinge, bei denen e» sich um Bestand oder Untergang der Staate», Wohl «ud Wehe der Völker handelt, haben Ihnen Vergnügen, ein arme» unschuldige» Vergnügen, ein Amüsement für ein Biertelstündche« gemacht! — Vergnügen! — Ja, da» ist der Angelpunkt, um de» die Dinge hier am Hose kreisen. Vergnüge« oder nicht Vergnügen — rin Dritte» gilbt r» nicht. — Aber, verzeihen Majestät, e» dürste di« Zeit nahe sein, in der, wa» vo» mir kommt, Ihr königliche» Wort zn Schanden mache« und Ihnen schwerlich Vergnügen bereiten wird — sicherlich» di« Zeit kommt!' — Er warf sich anfgrregt in den Divan und Fra« von Nehra ließ sich neben ihm nieder, ihn ruhig umfassend und ihren Kops sanft an seine Brust lehnend. „So Hab« ich mir'» gedacht, Herr Graf gerade so, wie e» ge schrieben steht', sprach de« Baron ernst. „Ich erinnere mich zufällig der Worte, mit denen der verstorbene König im verflossene» Jahre nach der letzten Revue in Schlesien vo» dem Minister Hohn» Abschied nahm: .Lebe Er wohl, er sieht mich nicht wieder', sprach er. „Ich werde ihm sagen, wie e» «ach meine« Tode gehen wird. E» wirtz ei« lustiges Leben bei Hose werden. Mein Neffe wird den Schaß verschwenden, die Armee anSartr» lassen. Di« Weiber werden regieren und der Staat wird zu Grunde gehen! — Da» sagte der Mann, der sich selten in seinem Urtheil über Menschen getäuscht. Auch hier nicht. — Und wa» sagen Sie nun? — Wa» denken Sie zn thun, Herr Graf?' — Mirabea« sah eine Minnt« finster zu Boden. „Ich war »in Thor, etwa» andere» zn erwarten!' erwiderte er. „Meine Unterredung mit BischossSwerder mußte mich darauf vorbe» reiten. Wa» ist zu erwarten vo» eine« Manne, der Preußen» Anf» gäbe darin setzt, daß e» Gott allein diene und vor ihm groß sei» der di« Stenersreiheit de» Adel» und da» Evangelium für ein und dieselbe heilige Sache hält? - Wa» ist zn hoffen von eine, Re- gierung, die unter seiner und eine» Wölluer» allmächtiger Leitung steht, u»r beschränkt durch die Launen eine» wollüstigen schöne» Weibe» ? — Ich will nicht länger zu der Rolle de» Thirre» ver dammt sein, die schmutzige» Krümmungen einer Regierung z« durch- kriechen, dir sich jeden neuen Tag durch eine neue Kleinlichkeit nnd Un wissenheit bezeichnet. — Diese» Preufeu ist die Fänlniß vor der Reise! — Ich kehr« nach Frankreich zurück.' „Nach Frankreich — o nach Frankreich!' ries Fran von Rehr» ubelvd nnd mit ihren schönen Arme« ihn fester umschlingend. „O, diese» Helle Wort giebt wir Licht, Genrsnng in diesem traurige» Lande wieder!' ,Ja, nach Frankreich, weine Theure! Mein Enthusiasmus ist nicht kalt geworden trotz der Abweisungen, die ich «fahren, mein Herz ist nicht todt. Ich halte de« Tag für einen Festtag, an de» ich wieder de« Boden weine» Vaterland«» betrete. Ich weiß, wa» ich dort finde, weiß, daß auch dort die innere Triebkraft de» Staate» nnd der Kirche welk nnd abgestorben ist, daß da» Blut in alle» Adern de» VerwalluugSg«nicht» und Kircheuwesen« stockt, daß die Di»- eiplin der Armee durch Maiiressen-Generäle bi» znr Auflösung ge lockert nnd di« prlittsche Gleichheit durch da» Sc,pter de» königlichen DeepvtiSwuS erdrückt ist; daß die rasende Vergeudung von oben nnd die bitterste Noih von nuten sich znm unlörbaren Gegensatz gestaltet nnd der guimüihig« König trotz besten Willen», ohne Festig keit, ohne Energie, solchen Zuständen gegenüber ohnmächtig ist." Schluß folgt- viele Beweise edler Menschenliebe von Herren gegen Diener, Herrinnen gegen Dienerinnen sehen, — wenigsten» ein Trost i» Unglück. Nachdem wan sich vo« erste» Schrecken einigermaßen erholt hatte, machte wa» sich an die Rettung Verunglückter, während die Feuer wehr die Flammen (mit ziemlich raschem Erfolg) bekämpfte. E» ist geradezu unmöglich, die Zahl der zerstörten und beschädigte« Gebäude auzugeben. Man kann sogen, daß nur wenige Häuser in der Stadt unversehrt geblieben find. Eben so wenig läßt sich jetzt schon die Zahl der Todteu und Verwundeten feststelleu. Nach den letzt,» Schätzungen find mindesteu» 30 bis 40 Personen getödtet nnd über 100 mehr oder minder gefährlich verletzt. Drei Viertel der Stadt liegen in Trümmern und der Gesamwtschaden dürste wohl acht bis zehn Millionen Dollar» betrage«. Ls waren zur Zeit wenige Schiffe im Hafen, nnd unter diesen wenigen ist nicht «in einzige» beschädigt worden. Ueberhavpt wurde das Wasser im Hafen durch die Erd stöße nicht im mindesten erregt, obwohl alle Stöße an» südwestlicher Richtung gekommen waren.' Dieser drastischen Schilderung ist wenig mehr anzufügen. Im Augenblick ist die Zahl der Tobten noch nicht feftgestellt. doch wird sich dieselbe Wohl aus 40 bi» bO belauft«; der angerichtete Schaden an Eigevthum wird verschiedentlich auf zwischen b—10 Millionen Dollar» taxirt, doch glaubt wan im Allgemeinen, daß die kleinere Zahl der Wahrheit am nächsten kommt. C. A. Hoothumb. Rebhuhn und — Schwiegermutter (Eingesandt von einem Chemnitzer Stammtisch.) Bor «In ger Zeit ping folgende» Gedicht durch di« Zeitungen .Ist gelb dos Bein des Huhns, gleich der Citrorie, So ist's von diesem Jahre zweifelsohne, Doch rechne davon zwei auf einen Kops — Sie werden Dir gar sehr gering im Topf! DaS Huhn mit Beinen gelb wie Apfelsine Bor Allem Dir zum saft'ge» Braten diene. Bei Hellem, grauem Beine laß Dir rathen. Ein halbes Stündchen länger eS zu braten. Scheint dunkel schon des HühnerbciueS Grau, So kocht'S vor'm Braten erst die kluge Frau. Blaugraue Bein», Schnabel beinah' weiß, Rings um die Bugen «in hellrother Kreis — Laß ab! umsonst sind Speck und Fett und Butter, Derart'ge Hühner schenk' — der Schwiegermutter!" Dieser Rath scheint einem streitbaren Schwiegersohn nicht!zu paffen. Selber essen macht ftt», denkt er und belehrt dir Gourmand» über de» Werth der allen Rebhühner in folgender origineller Weise Willst Du die alten Hühner Deiner Schwiegermutter schenken So wäre dies Dir dann nicht zu verdenken, Wenn so wie junge Hühner Du sie wolltest braten, Denn zäh und hart und trocken würden sie gerathen. Doch, lieber Freund, sei nicht so rasch mit dem Verschenken I Ich rathe Dir, das Eine reiflich zu bedenken: Kannst Du die allen Hühner selcht verzehren. Warum sie Deiner Schwiegermutter dann verehren? Und daß Du's kannst, dar will ich Dir beweisen: Du sollst die älisten Hühner mit Genuß verspeisen, Wenn meinen Rath Du nur besolgen wirst — Kein besseres Gericht verspeist der Fürst. Besitzt Du Hühner, die zum Braten nicht mehr taugen. Weit blau die Tritte, rothbekränzt die Äugen, Der Schnabel weiß und graumclirt der Kops, So wach« Dir dazu noch einen „Hühnertopf." Kennst Du den nicht? Wrhlanl Ich bin zu Nutz und Fromme» Der jämmtlichen Gommand's zu dem Entschluß gekommen, Euct, ein Geheimniß jetzo zu entdecken Darnach Ihr alle Eure Finger werdet lecken! Die alten Hühner, welche Du bislang verachtest. So lehr, daß Du der Schwiegermutter sie vermachtest, Dis laß von Deiner Köchin jetzo präparircn Genau, als wollte sie zum Braten sie servire». Sie nimmt nun einen Topf von ird'nem Gut, Aus dessen Boden sie zuvor genügend Salz schon thut, Und packt die Hühner Schicht aus Schicht hinein, Gießt daraus dann V« Essig und -/» Wein. Nun nochmals Salz und Pfeffer dran gethan. Auch eine Scheibe magren Speckes opsre man. Und lege Porree, Sellrie, Zwiebeln, Wurzeln, dünn geschnitten, oben dranf» Dann paffe man dem Tops genau den Deckel aus, Damit derselbe aber wirklich luftdicht schließt Und von der Sauce ja nicht- überfließt, Deckt man zuletzt das Ganze noch in Ruh' Mit einem Ueberzug von Brolteig zu. Wenn nun der Bäcker backt, so gehe hin und bitte, Daß er den Tops postire in der X rote Mitte; Der Tops, der 4, 5 Stunden in dem Ofen war, Ist nun zugleich auch mit dem Brot« gar. Kalt wird er dann zu jeder Tageszeit gegessen. Doch darfst Du Remouladen-Sauce nicht vergessen, Dann ist es aber ein vorzüglich Futter Und viel zu gut für Deine Schwiegermutter- Für de» redaktionelle» Tdetl verantwort!,ch: Frau» Götze in Chemnitz. — Lrnck nn» «erlag vo» Alexander Wied, in Chemnitz.
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