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Sächsischer Landes-Anzeiger : 14.10.1888
- Erscheinungsdatum
- 1888-10-14
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id512384622-188810145
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id512384622-18881014
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-512384622-18881014
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Sächsischer Landes-Anzeiger
-
Jahr
1888
-
Monat
1888-10
- Tag 1888-10-14
-
Monat
1888-10
-
Jahr
1888
- Titel
- Sächsischer Landes-Anzeiger : 14.10.1888
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Beilage zu Nr. 2LL Sonntag, 14. Oktober 1888. 8. Jahrgang. «Lchstfch«* Landes-Anzeiger Unparteiische tägliche Zeitung für Sachsen und Thüringen. Verlags-Expedition: Alexander Wiede, Chemnitz, Theaterstratze 5. Kaiser Wilhelms Romfahrt. Alle Welt in Rom ist zufrieden: Kaiser Wilhelm ist hoch er freut über die ihm zu Theil gewordene mehr als enthusiastische Be grüßung, Köiiig Humbert ist glücklich, seinen hohen Verbündeten als Gast in Italiens Hauptstadt zu sehen, das Volk von Rom ist ent zückt von der Liebenswürdigkeit und der flotte», schneidigen Erschein ung des deutschen Monarchen. Wer im Süden imponir.'i: will, muß auch äußerlich glänzend auftrcten, und Kaiser Wilhelm hatte darum Wohl absichtlich die reiche Uniform der Potsdamer Garde-Husaren gewählt, die ihn, bekanntlich vortrefflich steht. Erscheint Wilhelm II. auch nicht so hünenhaft, wie Kaiser Friedrich in der Kürassirnnisorni, so giebt er doch seinem Vater an Stattlichkeit nichts nach. Der Jubel der Römer, die sich auf solche Aeußerlichkeitcn besser als wir Deutsche verstehen, beweist das schlagend. Und zufrieden ist endlich auch Papst Leo XIII. im Vatikan, dem Kaiser Wilhelm am zweiten Tage seiner Anwesenheit in der ewigen Stadt einen feierlichen Be such abstattete. Die Herzlichkeit und Freundlichkeit des Empfanges ließ auch hier nichts zu wünschen übrig; eine Hauptsache muß im Innern des päpstlichen Palastes naturgemäß in Fortfall kommen, der tosende Volksjubel. Die Einleitung zu dem Kaiserbcsuch bildete die offizielle Visite, welche der Cardinalstaatssecrctär Rampolla am Donnerstag Abend dem preußischen Gesandten beim päpstlichen Stuhle, Herrn von Schlözer, im Namen Leos XIII. abstattete. Am Freitag Morgen unternahm der Kaiser bald nach 7 Uhr einen Spazierritt nach Cenlocello, wo heute Sonnabend die große Truppen parade stattfinden wird; in seiner Begleitung waren der deutsche Militärattache Major von Engelbrecht und der italienische General Driguct. Um 10 Uhr erfolgte die Rückkehr nach dem Quirinal, worauf König Humbert seinem Gaste einen Besuch abstattete. Ans sehen und Haltung des Kaisers sind vorzüglich. Nach einer längeren Unterredung mit dem Könige erfolgte die Fahrt in den Palazzo Capranico, in welchem der preußische Gesandte beim Vatica», Herr von Schlözer, wohnt. Der Kaiser war begleitet von dem Prinzen Heinrich, dem Grafen Herbert Bismarck, der vorher schon mit Herrn Crispi conferirt hatte, sowie von den Generälen von Hahnke und Wittich. Benutzt wurden italienische Hofequipagen. In der Wohn ung des Herrn von Schlözer empfingen den Kaiser, welcher in großer Uniform war wie am Einzugstage, die Cardinälc Rampolla und Prinz Hohenlohe, sowie die Monsignori Mocenni und Agliardi. Nach der Begrüßung nahm die Gesellschaft ein Dejeuner ein, welches bis gegen 1 Uhr währte. Alsdann erfolgte die Fahrt zum Vatican, der Kaiser in der von Berlin gesandten Hvfkarosse, das Gefolge in Privatwagen. Das Publikum grüßte lebhaft und verhielt sich musterhaft. Irgend welche Störungen sind bisher nicht bekannt geworden. Am Eingangsthor zum Vatikan am Peters- Platze wurde der Kaiser, zu dessen Seite Herr von Schlözer schritt, mit seinem Gefolge von päpstlichen Palastbeamten in großer Gala empfangen. Die Schweizersoldaten der Wache hatten ihre malerische Hoftracht angelegt und erwiesen beim Erscheinen des kaiserlichen Zuges die militärischen Ehrenbezeugungen. Langsam, aber stolz und sicher um sich blickend, stieg der Kaiser mit seiner Begleitung sodann die große Treppe des Vatikans hinan, seinen Weg durch die be rühmten Säle nehmend. Die Geistlichkeit des Vatikans, geistliche rnid weltliche Hofstaaten, Palaskgarden nnd päpstliche Beamte in ihren reichen, farbenprangendcn Kostümen bezcichueten den Weg und grüßten mit tiefer Verneigung den Kaiser, der freundlich seinen Gruß darbrachte. Noch eine Thür und der junge Kaiser sah sich dem Oberhaupt der katholischen Kirche, dem greisen Leo XIII., gegenüber, der aus seinen Privatgemächern ans die Kunde von dem Nahen des Gastes getreten war, und denselben umgeben von Kirchcnfürsten er wartete. Der Papst trug das bekannte Brnstkreuz, welches Kaiser Wilhelm I. ihm verehrt. Eine feierliche Stille herrschte. Der Papst und der Kaiser schauten einander voll ins Angesicht und tauschten zur Begrüßung einen herzlichen Händedruck. Nach kurzen Worte» der Begrüßung zogen sich der Kaiser und der Papst für längere Zeit in das Pnvatzimmcr des letzteren zurück und verweilten dort sitzend längere Zeit im Gespräche. Alsdann folgte die Vorstellung des Ge folges. Mit leisem Lächeln betrachtete der Papst die kräftige Gestalt des Grafen Herbert Bismarck und erkundigte sich nach dem Befinden des Reichskanzlers. Mit großer Liebenswürdigkeit sprach Lev XIII Der Geistersee. Original-Novelle von Gustav Höcker. Fortsetzung und Schluß. Nachdruck verboten. „Die Mutter, die »ns beide unter dem Herzen getragen, Heinrich, War eine arme Malerswittwc," nahm Orlando seine Rede wieder auf. „Als wir wenige Monate nach unseres Vaters Tode, den eine schwere, langwierige Krankheit dahingcrafft hatte, das Licht der Welt erblickten, befand sie sich in der bittersten Noth. „Die Frau, welche ihr in der Stunde unserer Geburt beistand — ihr Name war Cabus — sagte ihr, ein kinderloses wohlhabendes Ehepaar wollte einen der Zwillinge an Kindesstatt aunehmen. Die Mutter, die zu arm war, um zwei Knaben zu ernähren, erklärte sich damit einverstanden. So schwer es ihrem Herzen auch werden mochte, so sah sie doch wenigstens einem ihrer Kinder eine bessere Zukunft gesichert. Frau Cabus »ahm den Knaben mit sich und als sie Wiedcrkam, brachte sie der Mutter eine Geldsumme, die ihr über die furchtbare Noth des Augenblicks hinweghalf, aber auch zugleich ein todtcs Kind, welches für einen der Zwillinge gelten mußte. Das verursachte der Mutter ernste Bedenken. Sie fürchtete, ihre Hand zu einem Betrüge geliehen zu haben, verweigerte die Annahme der Geldsumme und verlangte ihr Kind zurück. „Frau Cabus aber wußte sie mit Versprechungen hinzuhaltcn »ind die hülflose Wöchnerin konnte nichts unternehmen. „Als sie genesen war, wandte sie sich an den Advocaten Rothen haag, damit dieser zur Wiedererlangung des Kindes gerichtliche Schritte cinleite. „Er ließ Frau Cabus zu sich kommen und nahm sie in ein so peinliches Verhör, daß sie in Widersprüche gerieth und endlich, gegen das Versprechen, daß die Sache außergerichtlich beigelegt werden sollte, alles gestand. Hierauf mußte sie ihre Ausgabe zu Protokoll geben und dasselbe in Gegenwart zweier Zeuge», welche dieses Gc- -tvisscnsamt gegen Geldvcrgütung handwerksmäßig zu übernehmen pflegten, unterzeichnen. Ich habe dieses Protokoll, welches sich noch heute in Rothenhaags Besitz befindet, gelesen. „Es enthält ebenfalls eine trübe Geschichte, welche auf das Andenken derjenigen, die Du als Deine Eltern geliebt hast, leider einen dunklen Flecken wirft. Deine Pflegemutter, Frau Zelter, hatte gegen den Willen ihrer Eltern geheirathet, und wenn sie kinderlos starb, so fiel ihr Vermögensantheil wieder an die Eltern zurück. Wurde sie Mutier, so war zwar nur das Kind Erbe, aber sie blieb im Genuß der Zinsen, welche Deinem Pflegevater, als bescheiden situirtcn Journalisten, unentbehrlich waren. Frau Zelter gebar ein todles Kind, und da das trostlose Ehepaar durch Frau Cabus von -der armen Malerswittwe hörte, die erst vergangene Nacht eines zu jedem der Herren einige Worte. Zur Verabschiedung gab der Papst dem Kaiser wieder einige Schritte das Geleit und sagte ihm dann mit sehr warm empfundenen Worten ein Lebewohl. Der kaiser liche Zug verließ, wie er gekommen, die Räume des Papstes, überall ehrerbietig begrüßt. Prinz Heinrich traf etwas später als sein kaiser licher Bruder im Vatikan ein, wurde nnter den gebührenden Ehren bezeugungen zum Papste geleitet und vom Kaiser demselben vorge stellt. Alle Anwesenden »ahmen von der denkwürdigen Begegnung den besten Eindruck mit. Nachdem auch dem Kardinalstaatssekrctär Rampolla ein Besuch abgestattet war, erfolgte unter dessen Führung ein Rnndgang durch die mit den herrlichsten Kunstwerken angesüllten Räume des Vatikans und St. Peter, und nach demselben die Rückfahrt ins preußische Gesaudtschaftshotel. Kir Feier und Erinnerung des Kaiser- besuches im Vatikan ist ein Denkstein eingelassen worden, in welchem das Ereigniß eingegrabcn steht. Von der preußische!: Gesandtschaft kehrte der Kaiser wieder in den Quirinalpalast zurück, wo Abends um 7 Uhr das große Galadiner staltfand. Ein weiteres Telegramm über de» Besuch im Vatikan meldet noch, daß die dem Vatikan zunächst gelegenen Straßen von italienischen Truppen besetzt waren. Keine Ruhestörung kam vor, lebhafter Euthusiasmns begrüßte den Kaiser. Prinz Heinrich trat nach der Unterredung zwischen Kaiser und Papst in das Arbeitsgemach des Papstes, in welchem unter einem Baldachin drei ganz gleiche Sessel ausgestellt waren. Dann erfolgte die Vorstellung des Gefolges. An dem Galadiner im Quirinal nahmen die gestimmten Mitglieder der italienischen Königsfamilie, Gefolge, Minister und Behörden theil. Der Kaiser saß zwischen dem italienischen Königspaare, Prinz Heinrich zur Seite der Königin. König Humbert trank auf die Gesundheit seines hohen Gastes und Verbündeten, Kaiser Wilhelm erwiderte mit Worten des Dankes für den Empfang, gedachte seines Vaters, der so beliebt in Italien ge wesen, und schätzte sich glücklich, in seinem und seines Großvaters Sinne an der alten Freundschaft festhalten zu können. Der Trubel in den Straßen ist auch heule ein gewaltiger, überall herrscht die höchste Feststlinmung. Die albernen Demonstrationen einiger unreifer Franzosen haben gerechte Entrüstung hervor gerufen. Die Stadt ist von Fremden überfüllt, die Hotels sind bis zum Boden besetzt trotz der enormen Preise. Sächsisches. — Dresden, 13. Oktober. Bekanntlich wird in dem Hause Kreuzstraße 14 15, wo zur Napoleo nischen Zeit der französische Gesandte Baron de Serra wohnte, noch der russische Schlitten aufbewahrt, in welchem Napoleon, den Trümmern seines in Rußland geschlagenen Heeres vvrauseilend, in der Nacht des 14. Dezember 1812 Plötzlich in Dresden ankam. Nachdem das Haus durch Kauf kürzlich an die Stadtgemeinde übergcgangen, hat der bisherige Be sitzer, Graf Kleist von Loß, jenen historischen Schlitten der Stadt zum Geschenk gemacht. Derseloe soll in der ortsgeschichtlichen Samm lung Aufstellung finden, sobald dieser größere Räume zur Verfügung stehen. — Gestern wurde die Leiche des emeritirteu Schuldirectors Traugott Kummer, welcher am Schlagfluß verstarb, zur Feuerbestatt ung nach Gotha übcrgeführt. — In der Nacht zum 11. ist in einem Grundstücke der Radebergerstraße 14 ein frecher Einbruchsdieb stahl verübt worden. Die Diebe haben eine Fensterscheibe des Souterrains eingedrückt, und sind, nachdem sie Eiscnstäbe verbogen hatten, in die Küche eingestiegen und von da in das unbewohnte Erdgeschoß gedrungen. Dort haben sie einen Kronleuchter augezündet und den Diebstahl ansgeführt. Unter den gestohlenen Gegenständen befindet sich ein Sparkassenbuch, und scheinen die Diebe es nur auf Geld abgesehen zu haben, da sie andere werthvolle Gegenstände un berührt gelassen haben. In dem Hause wohnt eine Gräfin Münster mit ihrer Mutter, deren Schlafzimmer sich in: ersten Stockwerk be finden. — Aus der Stichs. Schweiz. Jener vermißte Kaufmann aus Leipzig hat sich, nachdem er zwei Nächte im Bereiche der Schramm- steinc verbracht, wieder wohlbehalten im „Hotel zum Engel" einge funden und ist alsdann zu den Seinen nach Leipzig zurückgekehrt. Ans seiner Wanderung war der Gesuchte dieser- Tage von den Schrammsteinen aus in die Stciubrüche hinabgestiegeu, um dortselbst mit den Steinbrechern Kaffee zu trinken und dann einige Zeit lebenskräftigen Zwillingspaares genesen war, so entstand der Plan zu jenem Tausche, zu welchem Frau Cabus, durch ein reiches Geld geschenk bestochen, ihre Hand lieh. „Zelters mochten Wind bekommen haben, daß der bedenkliche Handel vcrrathcn sei. Sie waren plötzlich mit Dir verschwunden, angeblich wegen der zu jener Zeit grassirenden Cholera, vor der viele Leute flohen. „Auch unsere Mutter und Frau Cabus erlagen dieser Krankheit und so war für Nothcnhaag kein Grund vorhanden, die Sache weiter zu verfolgen, denn er ist nicht der Mann, der sich unnütze Mühe macht. Als ich ihn in meiner Erbschafts-Angelegenheit besuchte, fiel ihm meine Aehnlichkcit mit Dir auf. Der Name Zelter nnd die Auskunft, die ihm seine Tochter über Deine Eltern und sonstigen Verhältnisse zu geben vermochte, that das übrige. Er suchte aus seinen verstaubten Akten das Protokoll wieder hervor, um es für alle Fälle als Waffe gegen mich in Reserve zu halten. „Dieses Protokoll, welches mich einer Viertclmillion zu berauben drohte," gestand Orlando weiter, „wurde eine furchtbare Versuchung für mich — und ich war schwach und unterlag. „Nothcnhaag ließ mir die Wahl, seinen Vorschlag anzuuehmen und den Nest meines Erbes ungestört zu genießen oder Dir Deine:: Autheil heraus zu zahlen und mich mit einen: kleinen, mir noch zu verbleibenden Bruchtheilc zu begnügen. „Hätte er mir das Gcheiinniß entdeckt, als die halbe Million noch unangetastet in meinen Händen war, so würde ich keinen Augenblick gezögert haben, dem Bruder zu geben, was ihn: gebührt, denn ich war ja immer noch reich genug. Aber ich hatte mit fremdem Gclde gcwirthschastet, ohne es zu wissen. Ein prunksüchtiges Weib, im Bunde mit einem goldhuugrigen Schwiegervater, hatten meinen Autheil nahezu verschlungen. „Der Sprung, den ich hätte thun müssen, war zu tief! Ich kannte Dich nicht, Heinrich; wir hatten uns nie gesehen. Der Besitz eines Bruders war mir etwas zu neues, als daß die Regungen der Bruderliebe so rasch und unvermittelt in meinem Herzen hätten Wurzeln schlagen können. „Das Wort „Bruder" war mir ein leerer Schall und ich ver mochte es nicht über mich, meinen Rcichthum dafür hinzugcbcn. Auch wußte ich nicht, ob Du Dich vielleicht mit weniger begnügen oder auf Dein gutes Recht pochen würdest. „Ja, noch mehr, Heinrich, ich nährte einen unüberwindlichen Groll gegen Dich in meiner Brust, um nicht gerade Haß zu sage». „Ich war in meinen heiligsten Gefühlen betrogen von »icinen: Weibe, Du warst der Geliebte ihres Herzens gewesen nnd ich war nur der Strohmann. Das hatte mich gegen Dich erbittert und machte es mir leichter, Dich um das Deinige zu bringen." Mittagsruhe zu halten. Den genossenen Kaffee zahlte er splendid und wanderte hierauf wieder dem Berggebiete zu. — Leipzig, 12. Oktober. Nach den jetzt vorliegenden offick- ellen Mittheilungen werden der an: 31. Oktober erfolgenden Grund steinl egung zum Reichsgerichts-Gebäude Kaiser Wilhelm wie auch König Albert beiwohnen. König Albert wird gegen Mittag kurz vor der Ankunft des Kaisers hier eintreffe::. Beide Monarchen werden dann voraussichtlich durch die innere Stadt über den Markt platz, am Siegesdcnkmal vorbei, hinaus nach dem Platze zur Grund steinlegung fahren. Die Rückreise wird, soweit jetzt Bestimmungen getroffen sind, bereits in: Laufe des Nachmittags erfolgen. — Heute Vormittag trafen mit Eilzug der Dresdner Bahn Herr Oberhof- marschall Freiherr von Könneritz, sowie Herr Justizminister vr. von Abeken hier ein, zu deren Empfang die Herren Oberbürgermeister vr. Georg! und Polizeidirectvr Bretschneidcr auf dem Bahnhofe sich eingefunden hatten. Nachmittags 3 Uhr 5 Min. reiste der Justizminister vr. von Abeken wieder nach Dresden zurück. — Wie Herr Carl Meyer von: hiesigen Bibliographischen Jnstistut mitzutheilen in der Lage ist, hat er über das Befinden seines Bruders vr. Hans Meyer» den man für todt hielt, ein Telegramm aus Zanzibar erhalten folgenden Inhalts: „Nachrichten 29. Sept. Hans gesund." — Entweder hat er selbst am 29. September eine Botschaft nach der Küste geschickt, oder es hat ihn am 29. September eine Karawane getroffen, welche diese Nachricht mit nach Zanzibar brachte. — Der hiesige „Verein für die Feier des 19. Oktober" wird die erweiterte Feier des 75jährige:: Gedenktages der Leipziger Völkerschlacht in ähnlicher Weise abhalten, wie die Feier des 90. Geburtstage» unseres verstorbenen Kaisers Wilhelm. Hiernach werden Orchester vorträge, der Feier entsprechende Männerchorgesänge, letztere aus geführt von der Leipziger Liedertafel und dem Männergesang-Verein, ein allgemeiner Gesang, eine einleitende Ansprache des Herrn Oberbürgermeister vr. Georgi, sowie eine Festrede des Herrn Prof, vr. Maurcnbrecher zweckmäßige Abwechselung biete». — Der Hauptgewinn der Frankfurter Pferdelolterie ist in die Collection des Herrn Agenten Hentschel in Döbeln gefalle». Der Gewinn besteht in einer vierspännigen Equipage, resp. 4994 M. Geld. Inhaber der Glücksnummer (Nr. 6442) ist Herr Gutsbesitzer Möbius in Steina bei Waldheim. — In Wurzen wurde am Dienstag ein falsches 2-Markstück mit den: Bildnisse des Kaisers Wilhelm I. angehalten. In letzter Zeit sind verschiedene falsche Geldstücke aufgetaucht und dürfte deshalb Vorsicht anzurathen sein. — Ein bedauerlicher Unfall begegnete am 10. Oktober Abends dem Maschinenführer Göbel, welcher den gegen 8 Uhr in GeitHain eintreffenden Güterzug führte. Während der Fahrt auf der Strecke zwischen Narsdorf und Geithain stürzte derselbe von der Maschine und zog sich nicht unerhebliche Verletzungen zu. — In Penig soll der Kirchen-Erneuerungsban, soweit es die vorgeschrittene Jahreszeit zuläßt, noch in diesem Jahre begonnen werden. — Plauen i. V. Im Aufträge der Königin Carola ist von dem Königlichen Ministerium des Innern an die Direktion der hiesigen Kunstgewerblichen Fachzeichenschule das Ersuchen gerichtet worden, eine Anzahl der kürzlich in Dresden ausgestellten Blumen malereien käuflich zu überlassen. Die Ausstellung der Fachzeichen schule in Dresden fand bei dem König und der Königin die höchste Anerkennung, und namentlich die Königin erfreute sich besonders an den herrlichen Blumenmalereien, die nach dem Urtheile Sachverständiger wohl an keiner anderen Anstalt Deutschlands gezeigt werden dürften. Es sei hier namentlich das Urtheil eine- der strengsten Kunstkritiker Dresdens angezogen, welcher schreibt, daß die Plauen'sche Kunst gewerbliche Fachzeichenschule von keiner Kunstgewerbeschule Deutsch lands, ganz besonders im Naturzeichnen und Naturmalen, übertroffen werde, ein Urtheil, welches außerdem noch durch Professoren au» Hannover, Württemberg, Oesterreich und Italien, welche die Aus stellung besuchten, bestätigt wurde. — Dem bisherigen ersten Archi tekten des Stadtbauamtes, Herrn Brünig, ist vom Stadtrathe die erste Stadtbauinspektorstelle übertragen worden. — Scheibe nberg, 11. Oktober. Herr Johann Georg Leh mann, welcher an: 26. September 1745 nach schweren Leiden im 55. Jahre in Dresden verstorben ist, hatte in seinem Testamente „Auch ohne das Motiv betrogener Liebe," entgegnete Heinrich, „warst Du nicht schlimmer als tausend andere Geschwister, welche über einen nachgeborenen Miterben die Nase rümpfen, weil er ihren künftigen Besitz schmälert, und die ihr Mißvergnügen gewiß in eine That nmsetzen würde», wenn cs anginge." „Stein, Heinrich, keine Beschönigung! Ich war's mir schuldig, die Beweggründe meiner Handlungsweise zu nennen, aber ich verwerfe sie. — Ich »ahm also de» Vorschlag des Advocaten an, nur mit der Ausnahme, daß ich die Abfindungssumme von hundert tausend Thaler», die er für seine Tochter forderte, auf zehn Jahres raten von je zehntausend Thalern vcrtheilte, zu deren Zahlung ich jedoch nicht mehr verpflichtet war, wenn du innerhalb dieser Zeit sterben solltest. Darauf gingen denn auch Leopoldine und ihr Vater ein. „Vor zwei Monaten wurde mir eine kurze Andeutung von Deinen: vermeintlichen Tode, und um mich davon zu überzeugen und zugleich den Advocaten und seine Tochter zur Rede zu stellen, die demnach schon seit zwei Jahren kein Recht mehr auf die Jahres- rcute besessen hatten, reiste ich nach Europa. In Westerlünne erfuhr ich Dein Schicksal. Dein Genius hatte sich empört gegen die engen Verhältnisse einer frostigen Alltäglichkeit; was auch »och schlimmes hinzntrat, um Dich zu eine»: verzweifelten Entschluß zu treiben, — cs wäre doch anders gekommen, wenn Du Deine Schwingen frei hättest regen könne», anstatt daß die tägliche Bürde der Brotarbeit auf Dich drückte. Und daran war ich schuld! Wenn mein Herz mir nie gesagt hatte, daß ich einen Bruder besessen, so sagte es mir jetzt mein Gewissen. Dazu kam der Fluch, der auf meinem unrecht mäßigen Gute ruhte: cs hatte Verschwendung und Habgier hcraus- gefordert, es hatte mein Weib zu Betrug und Diebstahl verführt» Unschuldige ins Gefängnis: und um ihre» ehrlichen Namen gebracht, und es forderte endlich noch zwei Menschenopfer an: Geistersee. Bittere Reue kam über mich. Sie schien freilich wohlfeil, so lange ich meinen Miterben als todt beklage» konnte. Aber das Gestäuduiß eines Sterbenden entlastete Dein Andenken von einer schweren Schuld, wegen der Du Dich, unfähig, sie von Dir abzuschütteln, verborge» halten mußtest; Schratt zögerte nicht mit der Enthüllung, aß Du lebst und wo Du zu finden seiest, — ich eilte zu Dir, und hier bin ich, Heinrich, um Deine Verzeihung zu erflehen, Dir zu geben, was Dein ist, und in Zukunft von meiner Kunst zu leben, wie ich es in frühere» Jahren gethan habe." „Mich kan» Reichthum nicht glücklich machen", entgegnete Heinrich unter trübem Lächeln. „Und wenn Du mir Millionen zu Füßen legtest — sie würden die Wunde meines Herzens nicht zu heilen vermögen. Man hat Dir in Westerlünne mein Geschick erzählt; Du weißt also, daß es die Untreue ineines Weibes war, die mich trieb» mein Leben im See zu enden.
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