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Sächsischer Landes-Anzeiger : 02.11.1888
- Erscheinungsdatum
- 1888-11-02
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id512384622-188811022
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id512384622-18881102
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-512384622-18881102
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Sächsischer Landes-Anzeiger
-
Jahr
1888
-
Monat
1888-11
- Tag 1888-11-02
-
Monat
1888-11
-
Jahr
1888
- Titel
- Sächsischer Landes-Anzeiger : 02.11.1888
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« M. 25K. — 8. Jahrgang. Der jeden Wochentag Abend (mit Datum des folgenden Tage-) zur Versendung gelangende „Sächsische Landes-Anzeiger" mit täglich einem Exlra-Beiblatti 1. Kleine Botschaft L. Sächsischer Erzähler ö. Sächsische Gerichtszeltung 4. Sächsisches Allerlei b. Jllnstrirtcs UnterhaltungSblait 6. Sonntngsblatt 7. Lustiges Bilderbuch tostet bei den Ausgabestelle» monatlich 70 Pili-, bei de» Post-Anstalten 75 Psg. (Post-Zcituugs-Preisliste Nr. 6035.) Sächsischer Unparteiische tägliche Zeitung für Sachsen und Thüringen. Verlags-Expedition: Alexander Wiede, Bnchdrnckerei, Chemnitz, Theaterstratze Nr. 5. Fernsprech-Anschluß Nr. 136. — Telegramm-Adresse: Landes-Anzeiger, Chemnitz Freitag, 2. November 1888. Bon den Hanptblättern der „Sächsischen Landes-AnzeigcrS" erscheint (ohne dessen tägliche Extra-Beiblätter) eine billigere Sonder-AuSgabe unter dem Titel: Chemnitzer General-Anzeiger für monatlich nur SO Psg. mit Zutragen; außerhalb Chemnitz monatl. 57 Pf. m. Ztr. (Zeitungs-Preisliste 6. Nachtr. Nr. 1350a.) FürAbonnenten erscheint je einmal imJahrr Sommer-Kiseiibahnfahrplaiiheft für Sachsen- Winter-Liseiibahnfahrplanljeft für Sachsen- Zllustr. lkaiender des Sächsischen Laiidlwten. JUustrirlcs Zahrrsbuch des LandeS-AnzeigerS- Aiizeigrilpreiö: Raum einer schmalen Corvnszeile 15 Psg. »- Bevorzugte Stelle (Ispaltige Pctitzcile) 31) Psg. — Bei Wiederholung großer Anzeigen Preisermäßigung. — Bei Bestellungen von Auswärts wolle man den Eimückungsbetrag (in Briefmarken) beifügen sie 8 Silben Corpusschrist bilden ca. 1 Zeile.) — Anzeigen können nur bis Vormittag angenonnnen werden, da Druck und Verbreitung der großen Auflage längere Zeit erfordern. — Die Anzeigen finden ohne Preisaufschlag gleichzeitig Verbreitung durch den „Chemnitzer General-Anzeiger" (billigere Sonder-Ausgabe der Hauvtblätter des „Sächsischen Landes-Anzeigers" ohne dessen tägliche Extra-Beiblätter.) Amtsgerichtliche Bekanntmachungen. Im Handelsregister für den Landbezirk des Unterzeichneten Amtsgerichts wurde heute auf Folium 413 die Firma N. Wienhold in Einsiedel und als deren Inhaber der Kaufmann Herr Franz Robert Wicnhold daselbst, Be sitzer eines Strunipfwaarensabrikationsgeschäfts, eingetragen. Chemnitz, am 29. October 1888. Königliches Amtsgericht. Netteste Nachrichten. Wie», 31. October. Der Kawaß eines russischen Consulates in Bulgarien, welcher seinerzeit wegen Beleidigung bulgarischer Unter offiziere verhaftet und von den bulgarischen Behörden dem deutschen Consulate ansgclicfert und von letzterer der russischen Botschaft in Konstantinopel überwiesen worden war, ist von dieser nunmehr ohne Maßregelung losgcsprochen worden. Die Untersuchung ergab, daß der Kawaß durch abfällige Aeußerungen der Unteroffiziere über den Zaren provocirt worden war. Brüssel, 31. October. Die belgischen Bischöfe veröffentlichen einen Brief über die Lage des Papstes Sie erheben jedoch nicht die erwartete geharnischte Verwahrung gegen Roms Eroberung und gegen Italiens neue Gesetze, sondern nur den ideellen Wunsch auf Wiederherstellung der weltlichen Macht. Rom, 31. October. Gerade unter den Gemächern, welche Kaiser Wilhelm im Quirinal bewohnt hat, brach um Mitternacht ein Brand aus, welcher, da er lauge unbemerkt blieb, das Königsschloß mit ernster Gefahr bedrohte. Die Möbelmagazine des Schlosses sind zerstört. Um 2 Uhr war der Brand gelöscht. Berlin, 1? November. (Drahtnachricht unseres Anzeigers.) Dem Dankgottesdienst, welcher in der russischen Botschafts-Kapelle anläßlich der glücklichen Errettung des russischen Kaisers aus Lebens gefahr heute abgehalten wurde, wohnte das gesainmle Botschafts- Personal, an der Spitze Schuwaloff, bei. Zahlreich waren auch die Mitglieder der russischen Kolonie vertreten Petersburg, 1. November. (Drahtnachricht unseres Anzeigers.) In dem Kaiserlichen Reskripte, welches die Verleihung des Wladimir- Ordens an Giers begleitete, heißt es: Jhresvorzüglichcn Eigenschaften und große Erfahrenheit, die Sie sich angeeignet, bewogen mich, Ihnen im Jahre 1882 den wichtigen Posten eines Ministers des Auswärtigen anzuvcrtrauen. Indem ich seit dieser Zeit in Ihnen meinen nächsten Mitarbeiter und pünktlichen Ausführcr meiner Absichten bezüglich der internationalen Politik gefunden, konnte ich mich von Ihrer unermüd lichen Wirksamkeit in Verwaltung der auswärtigen Beziehungen über zeugen, welche Verwaltung der Würde und dem Nutzen des Reiches vollständig entspricht. Politische Rundschau. Chemnitz, den 1. November. Deutsches Reich. In Liegnitz ist, der „Krzztg." zufolge, Mackenzie's Brochüre abermals mit Beschlag belegt worden — Die Amerikaner am württembergischen Königshofe. Zu diesem neuesten Scnsationsthewa geht der „Frkf. Ztg." aus Stuttgart eine Zuschrift zu, in welcher die amerikanischen Vertrauten des Königs Karl gegen die wider sie erhobenen Angriffe, wie folgt, verthcidigt werden: „Gegen den Plan, den deutschen Kaiser in Stuttgart zu empfangen, sträubte sich hauptsächlich die Königin Olga. Der Ameri kaner Woodcock war für den Empfang in Stuttgart. Weder das Haus Nr. ü der Ncckarstraße, noch dessen Einrichtung hat der König den beiden Amerikanern geschenkt, cs gehört vielmehr dem bekannten Herrn Karl Hallberger, der es eigens um hohen Preis kaufte, um es ganz dem Könige anbietcn zu können. Dieser ließ es auf seine Kosten möbliren und übergab es Herrn Woodcock zum Bewohne», das Eigenthumsrecht auf die ganze Einrichtung sich wahrend. — Die spiritistischen Sitzungen, welche der König abgehalten haben soll, stammen ans der Zeit seines Gcneraladjutanten von Svitzenberg, Woodcock war von je her ein Gegner des Spiritismus. — Woodcock hatte den Namen Maren von Westerland. Novelle von Reinhold Ortmann. Fortsetzung. Nachdruck verboten. Auch an dem Abende, welcher nach einem schwülen, drückenden Lage das schwere Gewitter und den furchtbaren Sturm gebracht hatte, war sie nicht über die Schwelle des Hauses getreten. Sie ahnte ja nichts von Uwe Petersen's heldenmüthiger That und sie hatte keine Veranlassung, wegen seines Fernbleibens zu sorgen. Um so heftiger war ihr Erschrecke» gewesen, als man ihn in spater Abendstunde gar schwach und hülflos zurückgcbracht hatte. Er war wohl ans seiner Ohnmacht erwacht und hatte sich so weit erholt, daß er — ans zwei kräftige Männer gestützt — den Heimweg antrcten konnte, aber er mußte doch noch immer mehr getragen, als geführt werden, und es hatte ganz den Anschein, als ob sein alter Körper diesem schweren Anprall nicht mehr werde Widerstand leisten können Mit wenigen Worten hatten die Männer, welche ihn geleiteten, der bestürzten Maren von seiner schönen That und von der Ursache seiner Erkrankung berichtet; aber sie hatte nicht viel Zeit gehabt, sich nach den Einzelheiten zu erkundigen; denn all'ihr Denken und Sorgen hatte sich sogleich ihrem wackeren Pflegevater zugcwendet. Eine unsäglich bange und spannungsvolle Nacht war cs, die sie an seinem Lager durchwachte, denn er lag in heftigem Fieber und begann irre Reden zu führen, in denen er nur immer von seinem Weibe Jnkcn und von seiner Tochter Maren sprach. Sic hatte alle die kleinen Hausmittel angewandt, die bei den Friesen von Sylt für solche Fälle im Gebrauch sind, und sie war nicht müde ge worden, seine trockenen Lippen zu benetzen und seine brennende Stirn zu kühlen. Und gegen Morgen endlich schien die Gewalt des Krankheitsaufallcs gebrochen. Das Blut hämmerte weniger stürmisch in seinen Pulsen, und er fiel in einen festen und ruhigen Schlaf. Die beinahe wunderbare Lebenskraft und Widerstandsfähigkeit seines stählernen Körpers bewährte sich von Neuem, und als er endlich die Augen wieder aufschlug, da fühlte er sich wohl »och angegriffen und Watt, aber die Krankheit war von ihm gewichen, »nd er schaute klar und hell in die Welt hinein, wie vordem. Hoch beglückt athmete Maren auf; denn der Gedanke, daß ihr U»n auch dieser einzige Freund genommen werden könne, de» sic Koch auf der Welt besaß, hatte sie mit namenloser Angst erfüllt. seiner Mutter (Savage) dem seinigen beigefügt und ist unter seinem mütter lichen Namen geadelt worden; ganz sicher empfing er diese Auszeichnung sehr gegen seinen eigenen Willen, nur auf dringendsten Wunsch des Königs, der ihm eine officielle Stellung in seiner Umgebung ein- rünmen wollte, nachdem er vier Jahre lang ohne eine solche der Vertraute des Königs gewesen war. Ehren und Auszeichnungen waren ihm längst eingetragen, er wies sie alle standhaft zurück und beobachtete in Allem eine entschieden bescheidene Zurückhaltung. Woodcock war es auch, der den leidenden König, weit entfernt, ihn seinem Volke zu entfremden, vielmehr weniger menschenscheu machte, ihn wieder unter die Leute brachte, ihn wieder für öffentliches Leben, Kunst und Wissenschaft, namentlich auch für das Theater interessirtc. Die Abneigung gegen die Amerikaner rührt einzig nur allein davon her, daß diese dadurch, daß sie keine greifbare officielle Stellung bei Hofe annahmen und doch das Vertrauen und die Gunst des Königs im vollsten Maße besaßen, in ihrer Zurückhaltung von jeder Art ge selligen Lebens zu mythischen und mystischen Persönlichkeiten wurden, die man sogar für verkappte Jesuiten hielt, während cs notorisch gute Protestanten sind. Da die Geschäftswelt Stuttgarts durch die beharrliche Verlegung des Hoflagers aus der Residenzstadt nach Friedrichshafc» oder an die Riviera sich ganz empfindlich geschädigt sieht, liegt es nahe, die Amerikaner dafür verantwortlich zu machen, obschon es nicht erwiesen ist, daß diese nicht lieber in ihrem schönen Hause zu Stuttgart blieben." — Die Wahlmänncrwahlen für das preußische Abgeordneten haus haben am Dienstag in größter Ruhe stattgefunden. Ein ge naueres Resultat wird sich erst in einigen Tagen ergeben, da fast alle Landkreise noch ansstehen. — Die „Bcrl. Pol. Nachr." schreiben: „Aus zuverlässiger Quelle hören wir, daß bei dem Statthalter in Elsaß-Lothringen zahlreiche Gesuche von französischen Offizieren wegen Ertheilung der Erlaubniß zum Aufenthalt in Elsaß-Lothringen eingchen. Diese Ge suche werden gewöhnlich damit mvtivirt, daß die Betreffenden Ver wandte in den Reichslanden besuchen wollen. So machte kürzlich ein Offizier geltend, er wolle vor der Einschiffung nach Tonki» von seiner Mutter Abschied nehmen. Merkwürdig ist, daß der Abge ordnete Windthorst bei der Intervention zu Gunsten französischer Wünsche eine Nolle spielt!" Soll Herr Windthorst dadurch als Beschützer französischer Wünsche hingestellt werden? Das ist doch wohl nicht recht glaublich. — Aus Ostafrika wird berichtet, daß die Beamten der deutschen ostafrikanischcn Gesellschaft in Bagamoyo die Araber wiederholt mit empfindlichem Verlust vertrieben habe». Ms endlich die Uebermacht der Muhamedaner gar zu groß wurde, wurde, wie schon mitgetheilt, ein Matrusen-Kommando dorthin in Garnison gelegt, welches den Platz hält. — Ans Zanzibar wird ferner gemeldet, daß dieArabcr- schwärme in der Umgebung von Bagamoyo sich vereinigt haben und den Ort anzngreifen sich anschicken. Deutsche Marinesoldatcn sind in genügender Zahl vorhanden; cs kommt ihnen wohl sehr zu Passe, den rein aus Rand und Band gcrathenen Arabern einen tüchtige» Denkzettel beizubringen. — In Berlin befürwortete in einem öffentlichen Vortrage der bekannte Afrikareiscndc Wißmann ein energisches Vorgehen gegen die afrikanischen Sklaveujäger. Aus eigener Erfahrung theilte er mit, daß das Ansehen der Europäer in Jnncrafrika in den letzten Jahren ganz enorm gesunken sei, und das würde noch schlimmer werden, wenn nicht energisch vorgegangen würde. Der europäische Handel und alle europäische Kultur seien auf das Schwerste bedroht. Wiß mann empfiehlt, wenn irgend möglich, ein Zusammengehen aller intcressirter Staaten, welches bestimmt den größten Eindruck auf die Araber von vornherein machen würde. Die Emin-Pascha-Expedition muß noch verschoben werden. Frankreich. Der Minister Goblet verspricht den Franzosen alle mögliche künftige Größe und Glorie, die Regierung beschließt Liebevoll und zärtlich machte sie sich um den Genesenden zu schaffen, und sie blickte kaum in die Höhe, als plötzlich an die Thür des Zimmers geklopft wurde, und als auf Uwe Petersen's freundlichen Zuruf ein Besucher über die Schwelle trat. Erst als sie die Stimme desselben erkannte, kehrte sie sich überrascht und fast bestürzt nach ihm um. Ihr feines Ohr hatte sie nicht getäuscht: es war wirklich kein Anderer als Capitän Erichsen, der da vor ihr stand. Es war seine Gestalt und sein Gesicht; nur schien er ihr viel älter, als da sie ihn zuletzt gesehen, und seine Züge hatten einen ganz anderen Ausdruck als sonst. Das falsche, freundliche Lächeln, das ihr immer so un heimlich gewesen, war völlig verschwunden, und an seine Stelle war eine gewisse demüthige Milde getreten, die dem harten, stolzen Manne seltsam genug anstchen wollte. Aber der ersten Uebcrraschung sollte »och eine zweite, ungleich größere folgen. Capitän Erichsen ging, nachdem er Maren mit einem freundlichen Wort begrüßt hatte, auf Uwe Petersen's Lager zu, ergriff die Hand des erstaunten Greises und sagte, indem er die Linke feierlich zur Decke cmporstrecktc: „Uwe Pctcrscn, Ihr sollt mich einen Schurken und nichts- würdigen Hundsfott nennen, wenn ich Euch jemals vergesse, was Ihr an mir gethan habt! Ihr könnt heute von mir fordern, was Ihr wollt; so es in meiner Macht steht, will ich es Euch gewähren!" Es wurde nach diesem sonderbare» Schwur ganz still in dem kleinen Zimmer. Unzweifelhaft war der erste Gedanke der beide» Anderen, daß es mit dem Verstände des Capitäns nicht mehr ganz in der gehörigen Ordnung sei, und Maren trat rasch an die Seite ihres Pflegevaters, wie wenn derselbe möglicherweise ihres Schntzcs bedürfen könnte. Petersen aber lachte etwas gezwungen und meinte: „Nun, cs ist mir schon recht, wenn Ihr mir nicht mehr böse seid, Capitän Erichsen. Ihr seid ja viel klüger als ich, aber — seht Ihr — durch die Brandung sind wir doch gekommen!" „Ja, das seid Ihr, Uwe Petersen! Und ich werde keinem ehr lichen Manne mehr ins Gesicht sehen können, daß ich Euch überlassen habe, was kein Anderer thun durfte, als ich! Ohne Euch läge er jetzt unten auf dem Grunde der Nordsee! Hol mich der Teufel stink weise, wenn ich Euch das vergesse!" „Na, na, warum seid Ihr denn gar so wild gegen Euch selbst? Ihr seid ein reicher Mann und könnt überdies noch ein zehn oder fünfzehn Jahr leben. Da mag man sich in einem solchen Fall schon ein wenig besinnen. Ich aber bin ein altes Wrack, wie Ihr selber die definitive Einbringung der Vermögenssteuer in den Kammern, und diese letzteren streiten sich mit dem Marineminister über Erspar nisse bei Schiffsbauten umher, das Volk von Paris kümmert sich nicht im Geringsten darum. Für die Pariser heißt die Losung Bon- langer. Mit grimmigem Zorn erkennen die republikanischen Journale an, daß dem General aus Anlaß der Hochzeit seiner Tochter Huldig- guncn wie einem Monarchen dargebracht wurden, daß die wetter wendischen Pariser sich völlig dem Diktator der Zukunft in die Arme geworfen haben. — Ucber BoulangerS Pläne enthüllen Pariser Blätter jetzt Folgendes: Der General soll sich verpflichtet haben, die Thronbesteigung des Grafen von Paris zu fördern und vvrzu- bereiten. Als Lohn verlangte er eine jährliche Rente von zwei Millionen und einen hohen Adelstitel. Beide Forderungen seien ihm vom Grafen von Paris zugestandcn. Bonlanger werde darnach trachten, nach den nächsten Wahlen Premierminister zu werden und als solcher dann den Staatsstreich durchführen. Wenn das auch nicht gerade wahr ist, aber kein Rauch ohne Feuer. Die Polizei hat mehrere ausrüAerische Bilder in Paris konfiszirt. U. a. war Bonlanger dargestellt, wie er mit einem mächtigen Besen die Abge ordneten zur Kammer hinauskehrt. England. Die nordamerikanische Regierung hat England offiziell anfgcfordcrt, ihren Gesandten Sackville, der sich in die Wahl- strcitigkeitcn eingemischt, ans Washington abznberufen. Das britische Kabinet wird dem entsprechen. — Der Kohlenarbeiterstrcik in Aorkshire ist durch Nachgiebigkeit der Grubenbesitzer bcigclcgt. — Im Gegensatz zu andere» Londoner Blättern theilt der „Standard" mit, daß England und Deutschland beschlossen haben» bei der Unter drückung des ostafrikanische» Aufstandes und Sklavenhandels Hand in Hand derart vvrzugehcn, daß jede Macht auf ihrem Territorium Ordnung schaffe, aber die Operationen doch zu gleicher Zeit begonnen werden. — Der Aufstand der Araberstümme in den Schwarzen Bergen ist definitv niedergeschlagen. Ein Theil der englischen Kolonnen tritt bereits den Rückmarsch an. Nutzland. Ucber einen Eisenbahnnnfall, welcher dem Zaren ans der Heimreise nach Petersburg zugcstoßcn, giebt die russische Regierung nun endlich Folgendes bekannt: Die Entgleisung erfolgte am Montag Mittag. Der Zug ging mit einer Schnelligkeit von 65 Werst pro Stunde und wurde von 2 Lokomotiven gezogen. Vier schwere kaiserliche Salonwagen befanden sich im Zuge. Der Weg war abschüssig, und dadurch wurde die Entgleisung herbeigesührt. Die erste Lokomotive bohrte sich in den Bahndamm ein, die zweite wurde zertrümmert. Im nächstfolgenden Wagen saßen größtentheilS Hofdienerschaften, dann kam der Küchenwagen, hierauf der Wage» des kaiserlichen Gefolges und endlich der Speisewagen. Das Gefolge, darunter der Verkehrsministcr Admiral Pvssint, befanden sich im letzteren. Der Oberinspector der Eisenbahnen Baron Stcrniwal saß in einem vorderen Wagen, in dem mehrere Unglncksfälle vorgckommen sind. Der Kriegsminister Wannowski, der mit seinen Adjutanten sich im Speisewagen befand, wurde leicht kontusionirt. Der Kaiser und die Kaiserin trösteten den Verunglückten. In Petersburg wurde aus Anlaß des immerhin noch glücklichen Verlaufes der Katastrophe ein Dankgottesdienst abgehalten. Die Zeitungen tadeln die Bahn verwaltung heftig, weil sie für die Sicherheit des Hofzuges nicht hinreichend gesorgt habe. Die Bahnverwaltung giebt als Ursache der Katastrophe Radrcifcnbruch an. Im Speisewagen, der vollkommen eingedrückt und über den Haufen geworfen wurde, befand sich auch die kaiserliche Familie, doch blieb dieselbe ganz unverletzt. Aus den ersten Wagen wurden getödtet der Stabskapitän des Feldjägerkorps Brcsch, ein Heilgehilfe, ein Schreiber, ein Officiant, zwei Kouriere, ein Kammcrkosak, ein Jäger, 5 Eisenbahnbeamte, 6 Soldaten des Eiscnbahnbataillons. 18 Personen wurden verwundet. Trotz Regen und Schmutz verweilten der Kaiser und die Kaiserin lange Zeit bei den Verwundeten. Die Todten sind nach Petersburg übergeführt. Ans der Station Losowoje wurde ein Dankgottesdienst abgehalten sagtet, und ein armer Teufel, a» dem nicht viel verloren ist. Das ist wohl ein Unterschied, Capitän Erichsen!" „So ist's recht, Petersen! Nur immer weiter! Ich hab's, nicht besser verdient, als daß Ihr mir mit meiner eigenen verdammten, Redensart zu Leibe geht. Aber vielleicht habt Ihr ein wenig Nach sicht mit mir, Wenn ich Euch sage, wen Ihr denn eigentlich ins Trockene gebracht habt." — Er holte tief Athcm und sah mit einer gewissen Befangenheit zu Maren hinüber, wie wenn es ihm nun doch schwer würde, das bedeutsame Wort auszusprcchen. „Mein Sohn Boy ist's gewesen, der Tcufelsjungc!" Er mochte Wohl erwartet haben, daß Maren einen lauten Auf schrei der Uebcrraschung ansstoßen würde; aber die Wirkung, welche seine Worte ans sie hcrvorbrachte», war von einer ganz anderen Art. Aus ihrem Gesichte schien auch der letzte Blutstropfen ge wichen zu sein. Ihre weit geöffneten Augen hatten einen geister-. Haft starren Ausdruck und ihre ganze Gestalt schien mit einem Mal« regungslos, wie wenn sie aus Stein gehauen wäre. Uwe Petersen war zu alt und er hatte zu viele merkwürdige Dinge erfahren in seinem langen Leben, als daß die große Neuigkeit auf ihn hätte einen gleich erschütternden Eindruck machen können. Er war eistannt und erfreut, aber seine Gemüthsbewegung äußerte sich nur in einem breiten Strom behaglicher Rede. Und während er sich in allerlei Ausrufungen und Fragen erging, auf die er nicht einmal eine Antwort erwartete, fand Marc» Zeit, ihre Fassung wiedcrzugewinnen. Sie näherte sich dem Capiiän und indem sie ihre Hand aus seine Schulter legte, fragte sie mit bebender Stimme: „Und er lebt, Capitän Erichsen? Er ist wirklich gerettet?" „Ja, Marc», und dem da oben sei tausendfacher Dank dafür! Sine Weile sah cs schlimm genug aus, und der Doctor, der über haupt ein verwünschter Gcspcnstersehcr ist, wollte mir nur wenig Hoffnung geben. Aber ich hätte den Jungen nicht mehr gelassen, und ich wäre nicht mehr aus dem Zimmer hinausgegangen, wenn er mir doch unter den Händen hätte sterben müssen! Soll ich so. lange ans ihn gewartet haben, um ihn jetzt für immer zu verlieren I" Schluß folgt. In der nächsten Sonntagsnummer beginnt: Der Pfarr-Heinrich. Novelle von Theodor Winckler.
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