Volltext Seite (XML)
Gedanken, welche scharr einmal zu rettenden Lhaten wurden, unser staatliches Gemeinwesen fort und fort durchdringen, auf daß in ihnen daS neuerstandene deMsHe Reich ^sicherste Bürg schaft finde für eine große und glückliche Zukunft! Friedrich Wilhelm, Kronprinz/ Die Kkonpklnzesstn hat dem Voll- zugs-Au-schusse ihr Bedauern aussprechen lassen, daß gebieterische Rücksichten ihre Reise nicht gestatten und zugleich zu dem im Schreiben ihre- Gemahls ausgesprochenen Gesinnungen ihre Zustimmung kundgegeben. — Dem Vernehmen nach geht man im Kriegsministermm mit dem Plane um, die preußische Armee um vier Infanterie-Regimenter zu vermehren, und zwar die Nummern 97, 98, und 99 durch Errichtung eines achten thüringischen, eines vierten hessischen Jnfanterie-RegimentS auszufüllen und daS GardekorpS um ein zweites Füsilier-Regiment zu vermehren. DaS deutsche Reich-Heer würde dann, ausschließlich der bairischen Armee, 136 Regimenter, mit der bairischen Armee aber 152 Regimenter zählen. Zur bairischen Ministerkrisis wird von mehreren Seiten gemeldet, daß der König dem früheren auswärtigen Minister Grafen Bray, derzeit Gesandter in Wien, daS von ihm vor Jahresfrist an den inzwischen verstorbenen Grafen Hegnenberg abgetretene auswärtige Portefeuille neuerdings angeboten habe. Sicher ist, daß Graf Bray augenblicklich in München weilt und von dem Könige wiederholt auf Schloß Berg empfangen wurde, auch mit Herrn von Lutz mehrfache Unterhandlungen hatte. Letzterer soll das auswärtige Amt ursprünglich sich selber zuge dacht haben, von dieser Absicht aber durch den wegen der ultra- montanen Professoren-Ernennung gegen ihn erhobenen Sturm abgeschreckt worden sein. Die mit dem Grafen Bray gepflogenen Verhandlungen werden sich wohl mit der in München üblichen Langsamkeit abwickeln. Richtig ist aber, daß die Gesinnung deS Grafen Bray den seit einiger Zeit in München dominirenden Strömungen vollständig entsprechen würde. Für Oldenburg und Koburg-Gotha lief mit dem 1. Juli d. M. der Termin ab, während dessen beiden Staaten in den 1867 mit Preußen abgeschlossenen Militärkonventionen ein Nachlaß deS Normalbeitrages für ihre Kontingentsstellung ge worden war. Für die anderen elf bei diesem Nachlaß betheiligten Staaten, nämlich für Weimar, Meiningen, Altenburg, Anhalt, beide Schwarzburg, beide Reuß, Lippe, Lippe-Schaumburg und Lübeck erlischt diese Vergünstigung hingegen erst mit dem ersten Juli 1874. Auch für diese Staaten ist jedoch da nach den betreffenden Verträgen zu dem pro 1867 gezahlten Betrage von 162 Thalern eine jährliche Steigerung von 9 Thalern festgesetzt war, der Normalbeitrag für die zu stellende Mannschastöquote pro Jahr und Kopf bereits bis zu 207 Thaler angewachsen, so daß die Differenz, welche Preußen bisher zu tragen hatte, sich nach dem Kontingentssatze der be treffenden Kleinstaaten, nur noch etwa auf 228,000 Thlr. berechnet. Oesterreichisch s Ungarische Monarchie. Die amtliche „Wiener Ztg." veröffentlicht eine Reihe von kaiserlichen und kriegsministeriellen Verordnungen, welche die Einverleibung deS Restes der Militärgrenze vorbereiten. — Am 30. Juni ist der Anmeldungstermin für die nächstjährige Wiener Welt ausstellung abgelaufen; die Anmeldungen aus Oesterreich- Ungarn haben ein glänzendes Resultat ergeben; ihre Gesammt- zahl beläuft sich auf 14,061. — Seit die ungarische Linke durch die Wahlen zu der Einsicht gelangt ist, daß sie im Lande an Boden verloren hat und der staatsrechtliche Streit sammt allen den großen Phrasen über Personal-Union, selbständige Armee u. s. w. die GemÜther nicht mehr aufzuregen vermag, hat sie ihre Taktik zur Bekämpfung der Deakparter wesentlich geändert. Da die Deakpartei nicht mehr zu Falle gebracht werden kann, so soll eS wenigstens das Ministerium sein, dessen Ausdauer und Umsicht einen wesentlichen Antheil an den Niederlagen der Oppo sition hat. Alle oppositionellen Blätter bringen ohne Ermüden die buntesten Sensationsnachrichten über Ministerkrisen, indem sie eS nicht verschmähen, Deak als Gegner der gegenwärtigen Regierung auftteten und mit Ghyczy über den Sturz deS Ka- binetS Lonyay unterhandeln zu lassen. Diese tendenziösen Nach richten werden von den Regierungsorganen ganz entschieden dementirt. Schweiz. Bei der Eröffnung der Bundesversammlung gedachte der Präsident Keller in seiner Rede auch deS neuen Nutschen Reiches und zwar in folgender wohlwollender Weise: Wir lieben eS, unser schönes Vaterland im erhabenen Schoße der Alpen die Hochachtung europäischer Volksfreiheit zu preisen. Aber schauen wir hin und vergessen wir eS nicht, wie von den Kämmen deS Jura bis in Hochrhätien hinauf Hunderte vordem stolzer Burgen in bereits vergessenen Trümmern liegen, weil ihre Herren die Zeichen ihrer Zeit nicht erkannten und sie oft trotzig selbst verachteten! Auch unsere Hochburg, trotz ihrer Wälle und Wallgräben, würde demselben Geschicke nicht ent gehen, wenn ihre Bewohner die gleiche Sünde am Geiste der Zeit begingen. Und welches sind heute die Zeichen der Zeit? Was ist die Losung der heutigen Welt? Wie ein Sturm der Pfingsttage geht der Ruf über Länder und Meere, über Führer und Völker: Licht, Freiheit! Fortschritt des Geistes! Einigung der Nationen in sich! Verbrüderung der Völker im Verkehr zur gemeinsamen Wohlfahrt, Verbindung der göttlichen Kraft im Menschen zu Wundern von Schöpfungen jeder Art! Emanzipa tion der Gegenwart aus den Banden veralteter Rechte und über lebter Verhältnisse! Ueberall Kampf einer neuen Zeit mit der alten Welt, der Zukunft mit der Vergangenheit, des Fortschritt- mit dem Stillstand und dem Rückschritt auf Leben und Tod! Und im Vorkampfe der Völker steht der Reichsadler Barbarossa's mit den alten Raben vom neuen Kyffhäuser diesseits und jenseits der Alpen! Italien. Durch ein königliches Dekret ist die Dauer der parlamentarischen Session bis auf Weiteres verlängert wor den.— Der Erzbischof von Neapel, Kardinal Riario Sforza hat, aus unmittelbarem Anlaß der wegen Auflösung des Gemeinde ratHS bevorstehenden Kommunalwahlen, ein Rundschreiben er lassen, wonach die bisher von Seiten des Klerus empfohlene Enthaltung von sämmtlichen politischen, wie administrativen Wahlen den guten Katholiken nicht länger vorgeschrieben sein soll. Es handelt sich vorläufig nur um die Theilnahme der klerikalen Partei an den Wahlen für die Kommunal- und Pro vinzialvertretung, weil, wie der Erzbischof von Neapel bemerkt, die Deputaten zu diesen Versammlungen keinerlei Eid zu leisten verpflichtet find. Bisher ist die Stärke der klerikalen Partei in Italien noch niemals so recht zu ermitteln gewesen; sie kam nur als ein Element der Unzufriedenheit mit den bestehenden staatlichen Zuständen in Betracht, die in einzelnen Provinzen in beträchtlichem Umfange vorhanden ist. Es wird dies anders werden, sobald die klerikale Partei an den Wahlkämpfen sich be- theiligt und theils ihre eigenen Kandidaten durchsetzt, theils, wo sie dazu zu schwach ist, sich mit anderen unzufriedenen Elementen gegen die der Regierung angenehmen Kandidaten verbündet. — Ein königliches Dekret expropriirt abermals drei Klöster: S. Eu sebio der Jesuiten, S.Martino der Karmelitaner, S. Cosimato der Klarissinnen in Trastevere. Frankreich. Die National-Versammlung zu Versailles genehmigte am 6. d. M. den neuen deutsch-französischen Vertrag ohne Diskussion. Der Ratifikation desselben steht somit kein Hinderniß im Wege. — Ein Korrespondent der „Times" bespricht die neuliche Sitzung der National-Versamm lung, in welcher Rouher gegen die Rohstoffsteuer sprach, in folgender Weise: Was auch immer das Kaiserreich und sein Premier verschuldet haben, und wie groß auch seine Verantwort lichkeit für den unglücklichen Ausgang eines Krieges sein ^mag, in welchen die ganze Nation, wenn man ihrer Presse Glauben schenken darf, sich mit wahnsinnigem Entzücken hineinstürzte, so konnte man doch Herrn Rouher auf der Tribüne dem Gebrüll, den Verwünschungen und Schimpfreden trotzen sehen, ganz allein, weil er seine Ansicht über die Besteuerung von Rohstoffen äußern wollte, ohne sich vollständig zu seinen Gunsten und gegen die jenigen gestimmt zu fühlen, welche nie wagten, ihre Stimme laut werden zu lassen, als der Gegenstand ihres heutigen Hasse- ie noch schlecht regierte. Der Lärm und Tumult, mtt welchem ein bloßes Erscheinen auf der Tribüne ausgenommen wurde, pottete aller Beschreibung. Niemand, der nicht die französische Kammer im Momente deS „DeliberirenS" beobachtet hat, kann sich auch nur einen leisen Begriff von diesem Schauspiel machen.