Volltext Seite (XML)
s. M 1872 Dienstag, Sächsische DocheLÄMS Verantwortlicher Redatteur und Verleger: Herriltanu Müller in Dresden. Lhlr. Jahreseinahme in Dresden, in der Expedi tion, kl. Meißn. Gaffe Nr. -u haben. des Vereins-Zolltarifs fallen, zollfrei cmgelaffen werden sollen. — Wir bemerken vorläufig, daß die bisherigen Einnahmen aus der Kriegskosten-EntschSdigung und den sonstigen au« der KriegSführung erwachsenen Auskünften sich im Ganzen auf 641,200,000 Lhlr. belaufen. — Wie eS heißt, wird der BundeS- rath Mitte dieses Monats seine Sitzungen schließen. — Fürst Bismarck veröffentlicht folgende Erklärung an seine zudringlichen Verehrer: Ich erhalte in Barzin noch immer täglich zahlreiche Gesuche und Zusendungen privaten, halbamtlichen, literarischen Inhalt«, in einer Form, welche Beantwortung vorautsetzt. Wollte ich dieser Vor aussetzung entsprechen, so würde der Zweck meiner au« Gesundheits rücksichten erfolgte« Beurlaubung verfehlt werden. Zur Verhütung von Mißverständnissen erklär« ich daher, daß ich zu meinem Bedauern außer Stand- bin, femer direkt oder indirekt an mich gerichtet-Schrei ben oder Telegramme zu beantworten, so lang« ich nicht nach Berlin zurückgetehtt sei» und meine Geschäft« wieder übernommen haben werde. Varzi«, 4. Juli 1872. (gez) v. Bi-marck. Der preußische Ministerrath hat einstimmig beschlossen, dem Kaiser zu empfehlen, über den renitenten Bischvf Krementz von Ermland die Amts- und Lemporaliensperre zu ver hängen. Damit würden die 35,000 Lhlr. JahreSeinahme in Wegfall kommen, welche dieser Diener Christi aus der preußischen Staatskasse bezieht. Graf Eulenburg und vr. Falk werden in EmS die Genehmigung des Kaiser- einholm. Sowohl aus dem Beschluß selbst, wie auch namentlich auS der Einmüthigkeit, mit welcher derselbe vom Ministerium gefaßt ist, geht zur Genüge Vvet-r vierteljährlich 15 Ngr. Zu beziehen durch 4 alle kais. Post- ' Anstalten. . Politische Weltschau. Deutsche- Reich. Gewiß ist eS eine eigenthümliche Zeil, in der wir leben. Wer hätte wohl noch vor Kurzem ge glaubt, daß Kirchenfragen je eine so tiefgehende Bewegung m Deutschland aufrufen würden, wie sie heute thatsächlich da ist? WaS fragten wir früher nach dem Papst? Höchstens besangen und beneideten ihn unsere Studentenlieder, während wir heute seinen Reden lauschen. ES wird Einem dabei zu Muthe, als lebte man im 15. Jahrhundert, wo die Leute auch alle von Konzilen, päpstlichen Reservatrechten und ähnlichen schönen Dingen geredet haben müssen. Es fehlt nur noch, daß wir ein katholisches Kirchenschisma erleben; und fast sieht es darnach aus. Die „Germania" hat schon verrathen, daß die Jesuiten partei den nächsten Papst in Frankreich wählen will und nennt Pau, die Vaterstadt Bernadottes, als Wahlort. Bei der kirchen politischen Situation der Gegenwart liegt eine derartige Mög lichkeit ziemlich nahe, zumal daS kanonische Recht eine solche Wahl außerhalb Rom gar nicht ausschließt. Für die Papstwahl bildet heute trotz aller später ergangenen Bestimmungen noch immer da- Wahldekret Nikolaus II. von 1059 die Norm. Dasselbe ist in drei Formen überliefert, die wahrscheinlich alle drei gefälscht sind und aus denen die historische Kritik nur den richtigen Urtext zu konstruiren sucht. Die Stelle aber, auf welche eS ankommt, ist in der Hauptsache wenigstens unbestritten und zweifellos. Es heißt nämlich in dem Wahldekret: „Wenn aber die Verkehrtheit der schlechten und ungerechten Menschen so die Oberhand erlangt, daß eine reine, ungefälschte und unbestochene Wahl in Rom selbst nicht statthaben kann, so sollen, wenn es auch nur wenige (Wähler) sind, sie das Recht und die Macht haben, einen Inhaber des apostolischen Stuhles zu wählen, wo sie eS am passendsten erachten." Dies bestätigend und ergänzend, hat unter Gregor X. das Konzil von Lyon 1274 im Wesentlichen bestimmt: „Ist aber die Stadt (wo die Kurie ihren Sitz hat) mit dem Interdikt belegt oder in offener Em pörung gegen die römische Kirche, so muß ein nahe gelegener Ort gewählt werden, in Betreff dessen diese Hindernisse nicht obwalten", und unter Clemens V. (1305—1314) ist dies noch dahin ergänzt worden, daß der Wahlort ein bischöflicher Sitz sein soll. Man sieht also, daß das kanonische Recht die Mög lichkeit einer Papstwahl außerhalb Rom gestattet. Auf den Bericht de- BundesratHS - Ausschusses für Rech nungswesen über die Berathung, betreffend die Ausführung deS Gesetze- über die französische Kriegskosten - Entschä digung, hat der Bundesrath beschlossen: 1) den in Ausfüh rung deS Gesetzes, betreffend die französische Kriegs-Entschädigung aufgestellten Vertheilungsplan vorbehältlich der in den Zahlen sich noch ergebenden Aenderungen zu genehmigen; 2) den Reichs kanzler zu ersuchen, die danach für die einzelnen Staaten aus fallenden Beträge denselben auf Rechnung der ihnen zukommen den definitiven Antheile zu überweisen. — Ferner beschloß der BundeSrath, daß Gegenstände der Kriegsbeute, welche sich im Eigenthum deS Reiches oder eine- Bundesstaate- befinden, oder welche vom Reiche oder einem Bundesstaate öffentlichen Zwecken gewidmet worden sind, sofern sie nicht unter Nr. 25 Hrrrmddrrißigster Jahrgang. III. Nuartal. Ein unterhaltendes Blatt für den Bürger und Landmann Erscheint jeden Dienstag und Freitag früh. Inseratenpreis: Mr dm Raum «In«r g-spaltm-n 3-ll« Ij Ngr. Uuter «Eingesandt* z Ngr. hervor, daß die Staatsregierung den ultramontanen Heißspornen gegenüber ihre Befugnisse mit Energie zu wahren entschlossen ist. Die Zeiten der Halbheit scheinen daher auch im Verwaltungs- und KultuS-Ressort vorüber zu sein. Wenn die „Germania" noch vor wenig Lagen jubelte, die Regierung könne nicht einmal mit dem „kleinen Ermländer" fertig werden, wie wolle sie es wagen, mit dem mächtigen und unfehlbaren Papste anzubinden,' so geht wohl auS diesem Beschlusse hervor, daß die Regierung recht wohl den wunden Fleck zu treffen weiß. Die Zeit wird ja lehren, wie lange die Ueberhebung und Halsstarrigkeit der Kirchendiener anhält, sobald man ihnen den Brotkorb recht hoch hängt. An der Zustimmung deS Kaisers zum Beschlusse seines Kabinets dürfte kaum zu zweifeln sein. — In der Provinz Posen räumen die Jesuiten schon vor der ihnen gestellten Frist das Feld. Mehrere derselben sind bereits abgereist. — Der Kron prinz hat an das Komitä für da- Stein-Denkmal folgendes Schreiben gerichtet: „Indem ich dem Ausschüsse für seine freund liche Einladung zur Enthüllung des Denkmals des Freiherrn von Stein verbindlich danke, gereicht es mir zur besonder» Ge- nugthuung, daß die Verhältnisse mir voraussichtlich gestatten werden, dem schönen Feste beizuwohnen. Mein persönliches Er scheinen bei dieser Feier soll nicht nur die hohe Verehrung und dankbare Gesinnung bekunden, welche ich dem Andenken eines der besten und edelsten deutschen Männer schulde, sondern es ist mir Bedürfniß, durch dasselbe Zeugniß abzulegen für die leitenden Gedanken des großen Staatsmannes, denen der preußische Staat m den Tagen des Unglücks seine Wiedergeburt und die Erhebung von fremdem Joche verdankte. Möge die sittliche Kraft dieser sr —— — —