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älhsische Docheillmg Donnerstag, den 7. Juni 1900 62. Jahrgang Feuilleton. Jnferateu- Annahmestellen, Inserate werden btS Montag, Mittwoch u. Freitag Mittag angenommen und kosten: die 1 spalt. 8«Ue 1k>Ps. Unter Eingesandt: 30 Pf. Litt unterhaltendes Blatt für den Bürger und Landmann. Amtsblatt für die kgl. Amtshauptmannschaften Dresden-Altstadt und Dresden-Neustadt, für die Ortschaften des kgl. Amtsgerichts Dresden, sowie sür die kgl. Forstrentämter Dresden, Tharandt und Moritzburg. Verantwortlicher Redakteur und Verleger Kerrmann Müller in Dresden. G. L. Daube äv Co. tn Dresden, Leipzig, Frankfurt a/M., B. Kohl, KesselSdorf, Hugo Müchler, Kötzschenbroda u. s. w. stürzte den Korridor entlang, Resi winkend, ihr zu folgen. Durch ein großes Zimmer, welche- eine Bibliothek und eine Anzahl von Glasschränken mü alterthümlichen Sammlungen enthielt, traten beide Mädchen in da- daranstoßende Schlafgemach de» Hausherrn. Noch immer unfähig, zu sprechen, deutete Konstanze auf den Professor, der in seinem Bette lag und sank dann vor demselben nieder, die Stirn an den Bettrand gedrückt, während ein furchtbare- Schluchzen sich au- ihrer Brust rang. Rest kreischte laut auf. Ein einziger Blick hatte sie belehrt, daß hier etwas Entsetzliche- geschehen war. Der Kopf de- Gelehrten zeigte blutige Wunden, welche da- spärliche blonde Haar an verschiedenen Stellen roth gefärbt hatten. Selbst da- Auge de» Unkundig sten mußte sofort erkennen, daß der Mann todt war. „Ermordet! Ermordet!* schrie Rest und rang die Hände. Als müsse sie den Mörder noch in der Wohnung finden, stürzte die beherzte Magd au» einem Zimmer ivS andere, um zuletzt unverrichteter Sache zurückzukehren. Niemand befand fich in der Wohnung als die beiden Mädchen. Da alle Fragen an Kon stanze, die vor Schluchzen nicht sprechen konnte, ver- gebens waren, eilte Rest auf die Straße hinab, um dem Schutzmanne Anzeige zu machen, den sie auf feinem gewöhnlichen Posten an der Straßenecke fand. Kaum eine Viertelstunde später war ein Kriminal, kommifsar zur Stelle und die telephonische Nachricht von der Mordthat befand fich bereit- auf dem Wege zur Staatsanwaltschaft. Wie der Kommissar schon nach oberflächlicher Untersuchung feststellen konnte, war der Tod de» Gelehrten durch ein stumpfe» Instrument, w Redaktion rre-öen» Neustadt kl. Reißner Nasse 4. Die Zeitung erscheint rienftag, »eanerstag und E,»nabend früh. Ubennemenra- PretS: »tettetjihrl. M. 1,KO. Z» beziehen durch b« kaiserlichen Post» «Kalten und durch mseie Boten. Ulet freier Lieferung tat HauS erhebt die »och eine Ge- bthr von 2b Ps. Krankretch. Sollte wirklich nach der Nacht der DreyfuSwtrren der Morgen einer „treugu vei", eine» GotteSfriedenS, über da- vielgeprüfte und zerklüftete Land Hereinbrechen? Fast scheint e« so, denn der französische Senat nahm am Pfingstsonnabend da- Amnesttegesetz in der Fassung der Regierungsvorlage mit der großen Mehrheit von 238 gegen 34 Stimmen an. Der Ministerpräsident errang mit seiner Rede einen so großen Erfolg, daß deren öffentlicher Anschlag erfolgen soll. Darin erklärte er behufs Bertheidigung der Vorlage, bei dem ersten Proceffe gegen DreyfuS seien der Bertheidigung nicht alle Schriftstücke mit- getheilt worden. Die Regierung habe alle Spuren einer traurigen Vergangenheit auswischen wollen. Man müsse über gewisse Vorgänge einen Schleier decken, um nicht verpflichtet zu sein, sie zu bestrafen. Der Minister wies dann auf die politischen Seiten des Ge setzentwurfs hin, ersuchte die Senatoren dringend, ihm durch dessen Annahme ihr Vertrauen kundzugeben und alle eingebrachten Abänderungsvorschläge avzulehnen. Die Regierung könne keine Verantwortung für den statu» guo übernehmen. Wenn nach Annahme der Vorlage die Agitation fortdauere, werde man wissen, von welcher Seite man die Zwietracht unter der Be, völkerung wieder erneuern wolle. Waldeck-Rousseau forderte den Senat weiter auf, die entscheidende tödtliche Waffe nicht in den Händen der Feinde der Republik zu lassen, die diese besitzen; die Zeit sei da, ein Ende zu machen. „Man daft", schloß der Minister, „die Aktionsfreiheit nicht denen überlassen, die durch ver brecherische Lügen dahin gekommen sind, eine Athmosphäre zu schaffen, so unrein und so verwirrt, daß die Re publikaner sich selbst darin nicht mehr wiedererkennen würden." Westindien. Auf den Philippinen lassen die Zustände für die Unionsregierung noch immer viel zu wünschen übrig. Ein am Sonnabend eingetroffenes Telegramm aus Newyork lautet: Eine Washingtoner Depesche der „World" meldet, General Mac Arthur habe neue Truppensendungen für die Philippinen verlangt und infolge dessen sollen drei Regimenter dahin abgehen. Südamerika. In Santiago de Chile wurde am Freitag Mittag der Nationalkongreß eröffnet. Die Eröffnungsrede des Präsidenten Errazuriz erwähnte das Londoner Schiedsgericht zur Regelung der Grenz streitigkeiten mit Argentinien und sprach die Hoffnung aus, daß die zwischen Chile einerseits und Peru und Bolivia andererseits schwebenden Fragen bald geordnet sein werden. Die Lage der Finanzen bezeichnete der Präsident als befriedigend. Weftafrtka. Das Londoner Kolonialamt ver öffentlichte am Freitag Abend eine Depesche, in der Drücker, aus ihrer Schürzentasche, mit dem sie öffnete. Resi stand jetzt auf einem langen Korridore, welcher die Wohnung tn zwei Hälften theilte und durch ein große» Fenster am anderen Ende sein Licht empfing. Gleich der erste Blick de» Mädchens fiel auf einen dunklen Gegenstand in der Mitte des Korridor-. ES war eine lang au-gestreckte menschliche Gestalt, darüber konnte kein Zweifel obwalten. Tief erschrocken, aber beherzt und resolut, wie sie war, ließ Rest ihren Trag korb herabgletten und eilte auf die Unglück-stelle zu. „Gott im Himmel!" rief sie, „eS ist Fräulein Konstanze!" Bewegung-lo- lag die schlanke Gestalt da. Da- schöne Antlitz war todtenbleich, kein Zucken der langen, dunklen Wimpern, welch« fich über die ge schlossenen Augenlider legten, verrieth eine Spur von Leben; das rabenschwarze Haar, wohl durch die Wucht des Falls aufgelöst, umfluthete regellos Kopf und Schultern. Resi hoffte, daß eS sich nur um eine Ohnmacht handle. Sie holte Essig aus der Küche, richtete den Oberkörper der Leblosen empor und rieb ihr Stirne und Schläfen mit der aromatischen Flüssigkeit. Während dieser unausgesetzten Bemühungen stellten sich allmählig leise Lebenszeichen ein und endlich hoben sich die Lider und ein großes, tiefdunkleS Augenpaar kam zum Vorschein. Aber nicht das milde Feuer lag darin, welches sonst aus diesen Augen strahlte, sondern mit dem Blicke de» Wahnsinn» starrte Konstanze umher. Plötzlich stieß sie, al» besinne sie sich auf etwas, einen durchdringenden Schrei aus, raffte sich, wie von einer wilden Kraft beseelt, fast ohne Hilfe empor und Politische Weltschau. Deutsche- Sketch. Kaiser Wilhelm hat nach Meldung englischer Blätter der Königin Viktoria von England zu den Erfolgen Lord Roberts' in den wärmsten Ausdrücken gratulirt. Der Kaiser soll über das Glück der britischen Waffen „äußerst erfreut" sein. Hierzu wird geschrieben: „Man wird einstweilen be zweifeln dürfen, ob diese Meldung den Thatsachen entspricht. Vielleicht handelt eS sich bei ihr lediglich um den Glückwunsch, den der Kaiser vermuthlich der Königin Viktoria zu ihrem Geburtstage am 24. Mai gesandt und in dem eine Bezugnahme auf das sieg reiche Vordringen der englischen Armee in Südafrika vielleicht nicht gefehlt haben wird." Von anderer Seite aber wird bemerkt: „Die gleiche Meldung wurde von Londoner Blättern veröffentlicht, als der Burengeneral Lronje kapitulirt hatte. Wie damals, so wird eS auch jetzt nicht an deutschen Blättern fehlen, welche die An- vertreten, daß die bewußte Meldung nicht zu treffend sei oder nicht zutreffend sein könne. Was uns betrifft, so glauben wir nicht zu irren, wenn wir so wohl die damalige als auch die jetzige Meldung für Messend halten." Ueber einen neuen Anlauf zu einer einheit lichen deutschen Rechtschreibung berichtet die Mn. Ztg.": „Wie wir erfahren, ist auch unser Reichs kanzler, Fürst Hohenlohe, von der Unhaltbarkeit der jetzigen Rechtschreibungszustande durchdrungen und bringt der Frage die lebhafteste persönliche Theilnahme ent gegen. Er soll auch entschlossen sein, eine Einigung auf diesem Gebiete anzubahnen — angesichts seines hohen Alters ein nicht hoch genug anzuerkennender, wahrhaft heroischer Entschluß. Und so dürfen wir hoffen — die Bereitwilligkeit ist zweifellos auf allen Leiten in hohem Maaße vorhanden —, daß wir bei Lebzeiten unseres ehrwürdigen Kanzlers zu einer Einigung auch in dieser so hochwichtigen Volksfrage gelangen und daß dem deutschen Reiche in absehbarer Zeit an Etelle der „Puttkamer'schen" und der sonstigen Schul schreibungen eine für ganz Deutschland geltende Hohen- lohe'sche Rechtschreibung bescheert werden wird." Hierzu bemerkt die „Nat. Ztg.": „Bet aller Verehrung für den Fürsten Hohenlohe sehen wir keinen Grund, derart in Verzückung zu gerathen. Die bisherigen amtlichen Maßregeln sür eine einheitliche Rechtschreibung haben nur die Verwirrung vergrößert. Warten wir also die neuen Maaßnahmen in Gelassenheit ab!" Gegen das vom Reichstage beschlossene Fleisch beschaugesetz haben die Berliner englische und nordamerikanisch eBotschaftnachMeldung dortiger Blätter an zuständiger deutscher Stelle Vorstellungen erhoben. Seiten- der englischen Regierung wird die Er schwerung der australischen Fleischeinsuhr nach Deutsch, land beklagt. ES ist auSaeschloffen, daß infolge dieser Vorstellungen das Fleischbeschaugesetz im BundeSrathe noch scheitern könnte, jedoch wäre eS wohl möglich, daß beim Erlasse der Ausführungsbestimmungen auf gewisse, dem deutschen Interesse nicht entgegenstehende Wünsche deS Ausland- Rücksicht genommen würde. — Eine im Washingtoner Repräsentantenhause eingebrachte Bill, die den Präsidenten zu Repressalien gegen Deutsch» land ermächtigt, falls dieses Prohibitivzölle auf amerika nische Fleischwaaren legen sollte, wird von den Berliner Vertretern der Vereinigten Staaten nicht ernst ge nommen. Nach Ansicht deS Generalkonsuls Mason ist sie nur auf die kommende Präsidentenwahl berechnet. Bei Beurtheilung der Bill muß man in Betracht ziehen, daß ihr Urheber der Demokrat Bailey aus TexaS, ein intimer Freund Bryan'S, ist. Sein Antrag ist nur Material für die demokratischen Wahlredner, damit diese vor den Farmern sich der Fürsorge der Demo kraten für das Wohlergehen und die Interessen der Ersteren rühmen können. Italien. Von vatikanischer und sogar von deut scher klerikaler Seite wird jetzt der Versuch gemacht, die Mißhandlung deutscher Pilger durch französische im Petersdome einfach abzuleugnen. Aus Rom wird darüber geschrieben: „Die päpstliche „Voce della Verita" sucht die Mittheilung über den deutsch-französischen Zwischen- fall in Sankt Peter rundweg zu leugnen. Dem entgegen veröffentlichen italienische Blätter interessante Details über die Streitscenen. Der Genueser „Secolo" stellt fest: Der Skandal nahm erst ein Ende, als mehrere Prälaten sich in'S Mittel legten. Selbstverständlich handelte eS sich um keine allgemeine Rauferei, die die aesammte Versammlung der etwa 15,000 Pilger in Mitleidenschaft zog, sondern lediglich um einen isolirten Vorfall zwischen besonders erregten Gruppen. Abends forderte in der deutschen Pilgerversammlung Monsignore Nagel, der Direktor deS deutschen Anima-HospizeS, den unbekannt gebliebenen Geistlichen, der Vonden Franzosen mißhandelt worden war, auf, fich zu melden. Ob Letzteres geschah, sowie welche Schritte deutscherseits eingeleitet sind, ist zur Zeit nicht zu ermitteln." Daß der Vatikan Alles thun würde, um den Vorfall zu ver tuschen, war ja von Vornherein klar. — Aus Zürich wird mitgetheilt: Die Nachricht des Römischen Blattes „Tribuna" über die Anerkennung der italienischen Grenze Erythräa - Abysfinien ist nach Mittheilung Jlg'S vollständig erfunden. Minister Jlg besitzt keine derartige Vollmacht und wird erst vor der Rückreise ndch Abysfinien diesbezügliche Vorschläge der italienischen Regierung entgegennehmen. Die Irre von Tankt Rochus. Kriminalroman von Gustav Höcker. (Nachdruck verboten.) AuS einem kleinen Hause, neben dessen Thüre sich m Schild mit der Abbildung einer Mangel oder Brehrolle und dem Zusatz«: „10 Pfennige für die Stunde" befand, trat an einem Februarmorgen eine dralle Dienstmagd. Ihr ansehnlicher Leibesumfang hatte ihr in der Nachbarschaft den Namen „Professors dicke Resi" eingetragen: da- rosige Roth der Jugend prangte in frischen Farben auf den übervollen Wangen; üder ihr gutwüthige» Gesicht, welche- im Zustande der Ruhe glänzte, al» wäre e» polirt, perlten jetzt, trotz der frostigen Temperatur, dicke Schweißtropfen; denn ße hatte an der Drehrolle bereit- ein tüchtige- Stück llrbeit geleistet und ihr Tragkorb, der ihre wunden Schultern drückte und bi» an den Rand mit der blüthen- wißen Wäsche gefüllt war, stellte eine ansehnliche Bürde dar. Resi schritt dem nahen Hause ihre- Gebieter- zu, devegte fich durch de« kleinen Vorgarten und die steil,, mit Blumen und Arabe-ken bemalte Hausflur ad keuchte mit ihrer Last die mit einem Teppich be- lePe Treppe hinauf, langsam Stufe für Stufe nehmend ad «Ü der rechten Hand an dem zierlichen Eisen- zetiuder fich stützend. An der GlaSthüre, welche in ste Wohnung führte und matte, gemusterte Scheiben zeigst, holte sie einen Schlüssel, einen sogenannten