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- Exped. u. Redaktion Dresden-Neustadt kl. Meißner Gasse 4. Die Zeitung erscheint Dienstag, vannerstag und rannabend früh. Advnunuentd- Preis: »tertrljährl. M. 1M Zu beziehen durch di» kaiserlichen Post- «stalten und durch Unsere Boten. Bei freier Lieferung tat paus erhebt die Post »och eine Ge bühr von 25 Pf. S ach fische D acheituW Lin unterhaltendes Blatt für den Bürger und Sandmann. Amtsblatt für die kgl. Amtshauptmannschasten Dresden-Altstadt und Dresden-Neustadt, für die Ortschaften des kgl. Amtsgerichts Dresden, sowie für die kgl. Forstrentämter Dresden, Tharandt und Moritzburg. Verantwortlicher Redakteur und Verleger Kerrmann Müller in Dresden. Inserate werden bi» Montag, Mittwoch u. Freitag Mittag angenommen und kosten: diel spalt. Zeile 1b Pf. Unter Eingesandt: SO Pf. Inseraten- Annahmestellen? Invalidendank, Haasenstein L Vogler, Rudolf Mosse, G. L. Daube « Eo. in Dresden, Leipzig, Frankfurt a/M., G. Kohl, Kesselsdon, Hugo Müchler, Köpschenbroda u. s. w. Ar. 57. Dienstag, dm 15. Mai 1900. 62. Jahrgang. PosadowSky angenommen, wonach die „Spruch- kammern", deren Vorsitzende vom Kaiser aus den stän digen Mitgliedern jene- Amt- ernannt werden sollen, nicht diesen Namen erhalten, sondern nach dem Muster deS Reichsgerichts „Senate" genannt werden sollen. Abgeändert wurde ferner die neue Bestimmung über die Entscheidung grundsätzlicher Rechtsfragen, für die nach den Kommissionsbeschlüssen drei Spruchkammern — künftig: Senate — zusammentreten sollen. Ls wurde nemlich beschlossen, daß ein erweiterter Senat die Entscheidung sällen soll, der unter dem Vorsitze des Präsidenten des Reichsversicherungsamts zusammentritt und aus zwei nichtständigen und zwei ständigen Mit gliedern dieses Amts, zwei richterlichen Beamten und je zwei Vertretern der Arbeitgeber und Arbeitnehmer besteht. Das „Mantelgesetz" enthält weitere Be stimmungen über die Befugniß der BerufSgenoffen- schasten, besondere Einrichtungen zu treffen, wie Arbeits nachweis-Organisationen, PenfionSkaffen und Haft pflichtversicherungen. Auf lebhafte Bedenken stieß der hierher gehörige KommisfionSbeschluß, daß bei der die Rückkehr geregelter parlamentarischer Zustände und insbesondere die parlamentarische Erledigung deS Budget- Provisoriums und der Investition-Vorlagen anzustreben; er beauftrage seinen Vorstand, in diesem Sinne ent. schieden vorzugehen. — UebrigenS hat sich da- Abge- der Genoffenschaftsversammlung zur Theilnahme ver- pflichtet sein sollen, während sie sonst freiwillig ist. Auf Antrag de- Abg. Hoffmann-Dillenburg, den u. A. Graf PosadowSky dringend befürwortete, wurde dieser Satz wieder gestrichen, der Paragraph im Uebrigen aber unverändert angenommen, ebenso die Schluß- und UebergangSbestimmungen. Gerüchte über den angeblich bevorstehenden Rücktritt deS Kolonialdirektors von Buchka gehen durch die Presse, ohne daß ihnen mit Bestimmt heit widersprochen würde. Berliner eingeweihte Kreise glauben, daß ein Wechsel in diesem Amte, falls er in Aussicht steht, doch nicht unmittelbar zu erwarten ist. Obwohl das preußische Staatsministertum bezüglich der Einbringung der Kanalvorlage sich noch nicht schlüssig gemacht hat, unterliegt es nun, wie von maaßgebender Seite versichert wird, keinem Zweifel mehr, daß sich der preußische Landtag in dieser Session, auch wenn sie über Pfingsten hinaus dauern sollte, mit der Berathung der Kanalvorlage nicht mehr be fassen wird. Die Konferenz, die kürzlich in London tagte, um über den Schutz deS afrikanischen Wild bestands zu berathen, batte ein sehr ersprießliches Ergebniß Der Boden für internationale Verein barungen wurde vorbereitet, da die Konferenz von der Ueberzeugung durchdrungen war, daß nur ein inter- nationales Vorgehen zum Ziele führen könne. Dabei sie darin die Absicht zu deren ernster und aufrichtiger Bekämpfung durchaus nicht zu erkennen vermögen. — AuS Prag wird berichtet: „Da- Exekutiv-Komitä der czechisch-radikalen staatsrechtlichen Partei veröffent. lichte am Freitag einen Aufruf an da- czechische Volk, worin erklärt wird, daß die Koerber'schen Sprachen gesetze nicht nur die Auslieferung der czechischen Minori täten, sondern auch die Vereitelung der czechischen staats- rechtlichen Bestrebungen für alle Zeiten bedeuten. Zum Schluffe wird das czechische Volk aufgesordert, einen systematischen staatsrechtlichen Kampf rinzuleiten, der die Vorlagen vereiteln und dem czechischen Volke die Entscheidung über seine Schicksale zurückgeben soll. — Der Kaiser hat daS Abschiedsgesuch de- czechischen LandSmannministerS Rezek abschlägig beschicken, Wa in dem Sinne aufgefaßt wird, daß der Minister Rezek die Mission, zu der er berufen ist, nemlich die Ber- Mittelung zwischen der Regierung und den czechischen Parteien, fortsetze und die Czechen zum Aufgeben der Obstruktion und zur Annahme deS EprachengesetzeS be wege. — Der Polenklub erklärt in einer am 12. Mai gefaßten Resolution, er gebe die Hoffnung auf Wieder- Herstellung der normalen parlamentarischen Thütigkeit nicht auf und erachte e- derzeit als die wichtigste Pflicht, Politische Weltschau. Deutsede» Skeied. Zu der Meldung einiger Berliner Blätter, daß Kaiser Wilhelm am Tage der Großjährigkeit des Kronprinzen Friedrich Wilhelm von dem Prinzen Albrecht und dem General v. Hahnke gebeten wurde, die Würde eines preußischen General- feldmarschalls anzunehmen, ist ergänzend mit- zutheilen, daß eine besondere Kundgebung über die Entschließung des Kaisers nicht ergehen wird. Der Kaiser wird die Marschallsabzeichen anlegen, da es, nachdem Kaiser Franz Josef ihn zum österreichischen Generalfeldmarschall ernannt hat, selbstverständlich ist, daß er diesen gleichen Rang auch in der eigenen Armee etnnehmen muß. Wenn ein preußischer Prinz, der einen Rang in einer fremden Armee hat, in der eigenen avancirt, so erfolgt umgekehrt auch sofort das Avance ment in der fremden. Als jüngst Prinz Heinrich Vice admiral wurde, erfolgte seine Ernennung zu dieser Charge auch in der österreichischen Marine. An Deutschlands Freundschaft ist den Eng ländern, freilich wohl nur dann und so lange, als sie ihrer bedürftig find, recht gelegen. Das erhellt zum Beispiel wieder einmal aus folgender Londoner Depesche vom 11. Mai: „Lord Rosebery hielt gestern bei einem Bankett de- Glasgow-UniverfitätSklubS in London eine Rede, in der er ausführte, Großbritannien habe viel von Deutschland zu lernen in seiner außer, ordentlichen Industrie und außerordentlichen Kon- centration und der besonnenen Art und Weise, mit der ! Deutschland im Vergleiche zu England seine Regierung unterstützt." Der Reichstag setzte am Freitag seine Be- ralhungen über die Unfallversicherungsgesetze nicht mit deren land- und forstwirthschaftltchem Theile fort, sondern griff zunächst auf das sogenannte „Mantelgesetz" zurück, das in der einen Sitzung durchberathen wurde. Der formale Z 1 wurde bis zur Erledigung der ganzen Vorlage zurückgestellt, die nächsten, in der Kommission nicht oder nur unerheblich veränderten Paragraphen wurden angenommen. Sie enthalten u. A. die Neuerung, daß die Schiedsgerichte für die Invalidenversicherung zu allgemeinen „Schieds- aerichten für Arbeiterversicherung" erweitert werden sollen. Angenommen wurde auch, gegen einen Antrag deS Abg. v. Stumm (Rp), der Kommission-Vorschlag, dah die Schiedsgerichte zu Beginn eines jeden Jahres besondere Vertrauensärzte wählen sollen. Zu den Be stimmungen über das ReichSverficherungSamt wurde ein Antrag Hosfmann-Dillenburg (mild) unter dem lebhaften Widerspruche deS Staatssekretärs Grafen gelangte auch die interessante Thatsache zur Feststellung, daß in den englischen Theilen ArnkaS der Wlld.'estand schon bedenklich gelichtet worden ist, während e- in den deutschen Ge^ in dieser Beziehung besser steht. Bei dieser Gelegenheit mag darauf hingewiesen sein, daß die deutsche Regierung schon längst einem sinn- und nutzlosen Htnschlachten der Thiere entgegengetreten ist Sie hat durch Belehrung und Ermahnung der artigem Unwesen zu steuern gesucht und sich bemüht^ das massenhafte Niedermetzeln der wtlden Threre nach Kräften zu verhindern. - « «eÄerreich«Ungarn. Der Wiener „Neuen Freien Prrffe" zufolge hat der Abgeordnete Jawor-ki im Namen der Rechten den Obmännern der Deut- schen den Vorschlag gemacht, es möge unter Verzicht auf die erste Lesung deS Sprachengesetzes ein Sprachen, ausschuß eingesetzt und ihm eine Frist sür die Be endigung seiner Arbeiten gestellt werden. Bis dahin sei die Verhandlung über alle wesentlichen Vorlagen zurückzustellen. Unter diesen Bedingungen mache sich die Rechte anheischig, die Czechen zur vorläufigen Auf- gäbe der Obstruktion zu bestimmen. Die Obmänner Schaffung einer Haftpflichtversicherung durch g l and Wirth sch a ft lich e BerufSgenoffenschasten die Be- der Deutschen lehnten jedoch den Vorschlag ab, da rusSgenoffen auf Beschluß einer Zweidriltel-Mehrheit " ' ' Keuitleton. Die Erbschaft. Eine Erzählung vom Lande von E. Siewert. (Nachdruck verboten.) (3. Fortsetzung.) „Ich wußte e- ohne Rechtsanwalt, daß wir, fall- daS Testament nicht gültig ist, die nächsten Erben sind, mein Vater heißt da- und ich nach seinem Tode — es sragte sich eben nur, ob das Testament rechtsgültig ist oder nicht. ES ist mir eine rechte Er leichterung, daß Justizrath Wenker sagt, daß e- nicht rechtsgültig ist." Sie nahm ein andere- Schriftstück auf, dessen Seiten mit Namen bedeckt waren, durch Striche, die ftrahlensörmig auseinandergingen, die ver schiedenen Grade der Verwandtschaft der Erblasserin keonzeichnend. „Du siehst e- hier, Anton", suhr sie fort, ihren »eißen kräftigen Zeigefinger auf den für sie bestimmten Platz — Irmgard Gothe, geborene von Grabow — setzend, „sämmtliche, ich sage Dir sämmtliche andere« Rtflektanten kommen nicht in B.tracht, dürfen nicht in Betracht kommen." Sie rollte da- r und sprach mit tönender Stimme. Anton Gothe nickte rasch zur Be stätigung mit seinem Kopfe; die Stimme seiner Fra« klang so streng, al- wenn er ein Interesse an dem Borthril der Anderen haben könnte. „Haben wir bald Mittag, Irma?" sragte er, die bisch,gen Augenbrauen hochziehend. „Da» Mädchen wird sogleich melden. Justizrath Wenker sagte also, daß wir Aussicht hätten? Nicht? Ich möchte eS so gern bestimmt wissen/ „Ja doch, ja. Ich glaube, ich habe e- Dir schon sechsmal gesagt." Er klopfte betonend mit feiner starken Hand auf da- Tischchen, sodaß diese- erzitterte. „Da» Testament ist nicht rechtsgültig, findet sich kein näherer Erbe — kein Leibeserbe —, so ist meine schöne Fron die Erbin und die Köchin hat da- Nachsehen." Sem Gesicht zog sich in kleine humoristische Fältchen bei der letzten Wendung. „Na, Maggchen, hast Du nach der Wirthschaft gesehen?" Die Tochter war eingetreten, einen großen Rosen strauß im Gürtel, dessen Duft sogleich da- kühle Zimmer durchathmete. Herr Gothe hatte sich ihr zu gewandt. „Eine Hitze, eine Hitze!" rief Magda den Mund aufsperrend, „aber hier ist e- beinahe so kühl, wie bei Justizrath Wenker." Sie setzte sich aus ein Fußbänk- chen zu ihrer Mutter Füßen und klopfte diese derb auf die Kniee. „Na, Altchen, hast Du Dich nicht nach Deinem Maggchen gebangt?" fragte sie und sah mit einem Lachen, da» die ganze Pracht ihrer Zähne enthüllte, zu der Mutter auf. Der Ausdruck ihrer Augen und die bebenden Nasenflügel verliehen den zärtlichen Worten mehr den Lharakter einer übermüthigen Laune als der töchterlichen Zuneigung. „Du sollst mir sagen, Magda — au — laß meine Kniee, wa- der Justizrath Wenker gesagt hat, den Wortlaut, ich kann'» au- Vater nicht herau-bekommen." „Aber Irma", sagte Herr Gothe seufzend. Seine Frau räusperte sich und beharrte: „Wa» sagte er zum Schluß, wie sah er die ganze Sache an . . . ." „Ihnen geht e» gut, Herr Gothe", unterbrach Magda» belle starke Stimme die Stille, die nach ihrer Mutter Worten eingetreten war. „Sre sind zu be neiden und weiter sagte er noch was. Ich war so müde von der Fahrt in der Hitze — wie geschmort! Vater, hast Du denn nicht aufqepaßt?" Sie machte eine halbe Wendung zu ihrem Vater und klopfte ihm auf die Kniee. Ihr übermüthige» schönet Gesicht strahlte ihn au» der Tiefe an. „Auf wa» bezog sich da»", forschte die Mutter eifrig, mit dem Finger ihre kupferfarbenen Hiare glättend. „Auf wa- denn? Auf Vater- und Dein blühendes Aussehen oder auf die Erbschaft?" Sie sah Mann und Tochter mißtrauisch an. „Himmel ich hätte doch sollen mitfahrcn! Wie kann man in einer so be deutsamen Sache nicht aufpassen. Die Prosa de» verlangt, daß man da» Geld nicht gering achtet!" Eie erhob sich au- ihrem krachenden Korbstuhl; erst letzt, da sie aufgestanden, übersah man ihre volle eben mäßige Gestalt. Die Handbewegungen, die ihre Worte waren nicht frei von einem gewissen absichtlichen Pathos. Magda rutschte auf ihrem Bänkchen zu ihrem Vater, legte den Kopf an seine Kniee und prustete in »hre vorgehaltenen Hände. Auch der Vater lackt-. „Weiber wollen immer durch die Wand! Wa- soll oer arme Mann denn nun noch sagen? Er kann doch "Ä o?, Erbe finden wird, er ist doch Nicht allwissend! Ich glaube, Maggchen, wen« Mutter