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Exped. u. Redaktion Dresden-Ncusiavt R. Meißner Tasse 4. Dir Zctlung erscheint Ttenfta«. DonuerUa» und Lvunabeud früh. AtonnemkNt»- PrciS: »iencijihrl. M. 1,bO Au d^irken durch dir kmicriichcn Poit- anstalicn und durch nnirre Boten. Bei freier Lieferung in« Hau« erhebt ine Pob noch eine <^e- düh» von 2ö Pf. Sächsische DocheiluG Ein unterhaltendes Blatt für den Bürger und Sandmann. Amtsblatt für die kgl. Amtshauptmannschaften Dresden-Altstadt und Dresden-Neustadt, für die Ortschaften des kgl. Amtsgerichts Dresden, sowie für die kgl. Forstrentämter Dresden, Tharandt und Moritzburg. Verantwortlicher Redakteur und Verleger Kerrmann Wüller in Dresden. Inserate werden KT Montag, Mittwoch u. Freitag Mittag angenommen und kosten: die 1 spalt, geile 1SPs. Unter Eingesandt: 30 Pf. Inseraten» Annahmestelle»: Die Arnoldisch« Buchhandlung, Jnvalidendank. Haasenstein L Basier, Rudolf Mosie, G. L. Daube « Co. in Dresden, Leipzig. Frankfurt a/M., G. Kohl, Kesselsdvrs u. s. w. Wr. 2V. Donnerstag, dm 16. Aebruar 1899. 61. Jahrgang. Politische Wellschau. Deutstbe- Akeied Im Reichstag begann am Montag die erste Lesung derRovelle zum Alters» und Jnvalidität-versicherungSgesetze. Die Anatbung wurde vom Staatssekretär Graf Posa- dowSky eingeleitet, indem derselbe Hervorbob, daß die Organisation des Gesetze- entschieden übersichtlicher ge staltet werden müsse. Bei dem jetzigen Apparat trete der socialpolittsche Zweck desselben völlig in den Hinter grund, es liege die Gesahr der bureaukratischen Ver- köcherung vor. Die Rcntenkontrole müsse verbessert werden, indem man sie in die örtlichen Rentenstellen verlege. Je mehr Organe die Staatsverwaltung habe, die sich um das Wohl und Wehe der Arbeittr kümmern, um so besser werde man den umstürzlerischen Be strebungen entgegentreten können. Der im Entwurf vsrgeschlagene BermögenSauSgleich der einzelnen An- stallen sei unbedingt erforderlich, da man doch nicht den Arbeitgebern, denen die Arbeiter fortziehen, noch größere Lasten aufbürden könne. Die verbündeten Regierungen glaubten, bei ihren jetzigen Vorschlägen den Weg zu gehen, den Fürst Bismarck vorgezeichnet habe: durch die socialpolttische Gesetzgebung dem Arbeiter feine Existenz zu sichern in der Form, daß er die Wohl- lhat und die christliche Hilfsbereitschaft der Staats gewalt für sich und seine Interessen fühle und in dem Sinne, daß dabei die Macht deS StaatSgrdankenS wachse. (Beifall.) Abg. Schmidt-Elberfeld (fr. Vp ) bekämpft den BermögenSauSgleich. Er weist darauf hin, daß eigentlich Ostpreußen die einzige Am alt sei, die an Deftät leide. Daran sei aber nicht sowohl der Altersunterschied der Versicherten schuld, als vielmehr die Verwaltung, die Lohnklassengruppirung und die Gewährung der Altersrenten. Für eine fundamcntale Aenderung deS Systems sei überhaupt noch die Er fahrung zu kurz. Abg. Hitze (Centr.): Seine Partei habe seiner Zeit mit großer Mehrheit die Versicherung auf die Großindustrie beschränken wollen, da die Land- virthschaft die Last nicht allein tragen, die Beiträge nicht allein leisten könne. Wo die Industrie mithelse, sei die Lage der Anstalten erträglich. Wo die Land- wirthschaft allein auf sich angewiesen sei, seien die An- stallen bankerott. Hier müsse ein Ausgleich durch Reichszuschuß geschaffen werden. Sehr erwünscht sei außerdem eine Erweiterung der socialen Versicherung durch Ausdehnung auf die Äittwen und Waisen. Abg. Richthofen (kons.) begrüßt das letztere gleichfalls sympathisch und tritt sür Einbeziehung de- ganzen Handwerks in die Versicherung ein. Jetzt müsse man Kch allerdings auf da- Erreichbare beschränken. Schließ lich plaidirt Redner eingehend für den in der Vorlage vorgescblagenkn BermögenSauSgleich zwischen den ein zelnen Versicherungsanstalten. Gegen den letzteren er klärt sich Abg. Molkenbuhr (Soc), indem derselbe zugleich die Ausdehnung der Krankenversicherung auf Landarbeiter befürwortet. — Bei der Fortsetzung der Berathnng über die Vorlage am Dienstag erklärte Abg. Hofmann-Dillenburg (notl.) den Werth einer einheitlichen Organisation für die Zukunft sehr zu schätzen; aber die Schaffung einer Grundlage sei schwer. Die Krankenversicherung müsse einbegriffen werden. Eine Wittwen-- und Waisenversorgung müsse mit der Zeit auch folgen; vielleicht ließe sich schon jetzt eine Zuschlagrente zur Invalidenrente sür die unversorgten Kinder einsühren. Mit dem vorbeugenden Heilverfahren sei er einverstanden, ebenso mit der Schaffung örtlicher Rentenstellen, deren Vorsitz aber nicht im Nebenamte versehen werden dürste. Könnte die Versicherungs anstalt in jedem Kreise einen Agenten haben, so wäre diese Einrichtung den Rentenstellen vorzuziehen. Zum Schluffe erklärt sich Redner gegen den VermögenS- auSgleich; wenn ein Ausgleich statlfinde, so dürfe doch das Vermögen der Versicherungsanstalten nicht an- getastet werden. Trotz aller Schwierigkeiten hoffe er, daß eine Verständigung zu Stande kommen werde. Abg. Roe ficke-Dessau (wildliberal) theilt diese Hoff nung, ist aber der Ansicht, daß man von einer Zusam menlegung der Versicherungen wird absehcn und sich auf Verbesserungen im Rahmen der bisherigen Ge setzgebung beschränken müssen. Die wichtigste Frage ist zweifellos die deS Ausgleichs. Hoffentlich werden die verbündeten Regierungen von der Befugniß, mehrere Anstalten zusawmenzulegen, keinen Gebrauch machen. Redner empfiehlt weiter, für die Leute, die von der allgemeinen Alters- und Invaliditäts-Versicherung eigentlich zu wenig hätten, eine gesonderte Versicherung im Anschluß an die BerufSgenoffenschaften und unter Einbeziehung auch der Wittwen und Waisen in die Versicherung. Mit den örtlichen Rentenstellen könne man sich befreunden, wenn sie als Unterbau für einc gesammte Versicherung gedacht seien, aber die Vor, sitzenden der Rentenstellen müßten unbedingt ebenso unabhängig dastehen, wie die Vorsitzenden der Berufs- genoffenschaften und im Hauptamt fungiren. Abg, Gamp (ReichSP.) erklärt, daß ihn der Vorschlag der örtlichen Rentenstellen sympathisch berühre. Keinesfalls dürfe aber die Vorlage mit der Wittwen- und Waisen versorgung belastet werden, das könne die Landwirth- schaft nicht tragen. Nachdem Abg. Raab (Rcformp ) sich noch im Allgemeinen auf den Boden der Vorlage gestellt, wird die Berathung vertagt. Zur Abrüstungskonferenz: In diplomatischen Kreisen herrscht die Ansicht vor, daß unter allen Punkten dcS von der russischen Regierung für die Abrüstungskonferenz entworfenen Programms der achte, betreffend die Annahme der Verwendung von guten Diensten zum Zwecke der Vermittelung, sowie eine« fakultativen Schiedsgerichte-, die meiste Aussicht auf allseitige Zustimmung besitze. Bezüglich der Mehrzahl der anderen Punkte äußere man sich jedoch sehr skeptisch, insbesondere halte man auch den Punkt 5, bezüglich der Anpassung der Bestimmungen der Genfer Konvention vom Jahre 1864 auf Seekriege für nicht durchführbar. Eine HauptmannSgage für den Kaiser: Daß der Kaiser in den Geschäftsbüchern de- ersten Garderegiments zu Fuß und de« Regiments der Garde» du Korps als Gehaltsempfänger geführt wird, ist eine auf altpreußischen Traditionen beruhende .Thatsache, die wenig bekannt sein dürste. Während wir heut- zutage die Generalität den einzelnen Korps, Divisionen, Brigaden vorgesetzt finden, waren sie in den alten preußischen Ranglisten als LhefS der Regimenter ver zeichnet. Chcf eines Regimentes zu werden, bedeutete damals aber keine befor dere Ehrung, sondern nur eine Beförderung wie jede andere Gle ch dem Kommandeur den übrigen StabSosficieren und den Kap.tänS oder Rittmeistern war auch dem Regimentschef eine Kompagnie (Eskadron) zugetheilt, die für gewöhnlich zwar von einem Stabskapitän oder EtabSrittmeister geführt wurde, deren gesammte Einnahmen aber ihm zur Verfügung standen. Bei den oben genannten Regimentern hat ficy nun diese alte Sitte erhalten. Der jeweilige König von Preuß«« ist al- Chef beider Regimenter gleichzeitig auch Chef der Leibkompagnie und der Leib- eSkadron und bezieht dafür das volle Gehalt eine- HauptmannS und Rittmeister-. Selbstverständlich fließen diese Beträge den Truppen wieder zu, die sie für ihre wohlthätigen Einrichtungen verwenden. Eine Generalversammlung deS Bunde- der Landwirthe fand dieser Tage in Berlin statt. Dieselbe faßte folgende Resolution: „Die 6. General versammlung deS Bunde- der Landwirthe spricht ihre Freude darüber au-, daß, nachdem auf der 5. General versammlung deS Bunde- im verflossenen Jahre die Wiederaufnahme der Wirtschaftspolitik de- Fürsten BiSmarck zum gleichmäßigen Schutze der gesummten vaterländischen Arbeit al« da- Hauptziel jeder Politik der Sammlung ausgesprochen worden war, nunmehr auch die Reichsregierung sich auf diesen Boden gestellt und die Nothwendigkeit der Umkehr zu der BiSmarck- schen Wirtschaftspolitik anerkannt hat. Die General- Versammlung erwartet aber, daß die Regierung nicht allein in der richtigen Ausgestaltung deS ZolttarifeS und der darauf neu zu begründenden wirtdswastlichen Beziehungen zum Auslande die Erfüllung einer nativ- Keuilteton. Theresen's Glück. Roman von Jenny Hirsch. (Nachdruck verboten.) (2. Fortsetzung.) „ES geht nickt. Du kannst nicht immer in dem selben Kleide erscheinen. WaS soll man dazu sagen?" ! moiederte Frau Bublatzky. „WaS man will. WaS kümmert da« unS?" lachte Therese. „Fürchtest Du, die Leute könnten wähnen, i wir hätten e- nickt dazu?" „Nein, nein", sagte Frau Bublatz'y mit einem Ernst, der wenig zu dem behandelten Gegenstände paßte, „aber man könnte sagen, ich behandle Dich stief mütterlich." i „O, Mama!" Therese sah mit einem leuchtenden Blick ihrer schönen, dunklen Augen zu ihr auf und die Mutter drückte einen Kuß auf der Tochter reine Stirn. „Du bist wein gute« Kind", sagte sie weich, um dann doch wieder bedenklich fortzufahrev: „Ich weiß eS, man hat schon boshafte Bemerkungen über Deine ein fache Toilette gemacht." „Sie gefällt mir und ist meinen Jahren ange messen", sagte Therese. „Da- ist ja Alles schön und gut, aber Du darfst richt allzu sehr von wir abstechen und — und e» »acht mir doch so Mel Vergnügen, schön und reich ge lleidet zu gehen!" Sie sagte da- in halb weinerlichem Ton, ähnlich einem Kinde, da- befürchtet, man wolle ihm ein Spiel zeug entreißen. „DaS sollst Du auch, Mama. Wer könnte Dich daran hindern?" „Du!" „Ich?" fragte Therese ganz erschrocken. „Ich? LS macht wir ja nicht- größere Freude, al- wenn meine Mutter sehr, sehr schön auSfieht und von aller Welt bewundert wird." „Wenn Du darauf bestehst, Dich immer mit dem selben Fähnchen zu kleiden, muß ich mich auch be schränken." Sie machte ein resignirteS Gesicht und seufzte. Therese umarmte sie. „Lich doch nicht so traurig ouS, kleine Mama, Du weißt, da- kann ich nicht ertrage«. Ich will ja gern Alle- sür Dich thun, sogar schöne neue Kleider onziehen", schmeichelte sie. „Wir wollen noch heute zur Pechstein fahren und einige Toiletten bestellen." Frau Bublatzky'- Gesicht erhrllte sich. „Du bist meine liebe, gute Tochter", lächelte sie, „Du sollst für da- Fest bei dem Oberbaurath da- blaue «leid Haden, ich trage weiß." „Rein, Mama, eS bteibt für Dich bei heliotrop, für mich wird sich schon etwa- Andere- finden." „Du hast Dein Herz aber an die blaue Toilette K h Therese war im Begriff zu antworten, daß sie ihr Herz niemals an eine Toilette hänge, aber ihr Zart gefühl verbot ihr, da- auszusprechen. Der edle Wett streit ging noch eine Wnle fort und endete so, wie er , zwischen beiden .immer zu enden pflegte: daß Frau Bublatzky die Empfangende und Therese die Gebende war. Wer der schönen blonden Frau mit dem rosigen Teint, dem lieblich gerundeten Gesicht, den weichen, ein klein wenig verschwommenen Zügen und den großen ! blauen Augen, die so fragend und flehend in die Welt j blickten, gesagt hätte, sie sei eine große Egoistin, würde j sie gewiß auf» Aeußerste empört haben. Der Vorwurf wäre auch insofern nicht voll gerechtfertigt gewe)en, als Ottilie Bublatzky in der That jene vollständig unbe wußte Selbstsucht besaß, die zu geben glaubt, wo sie beständig und unausgesetzt nimmt. Au- den Händen einer Mutt-r, die sie vergöttert und verzogen hatte, war sie in dre eine- Maune- über- gegangen, der da- von jener begonnene Werk in ver stärktem Maaße fortsetzte. Sie brauchte nicht zu wünschen, denn vorsorglich war jeder Wunsch erfüllt, ehe er ihr noch aussteigen konnte; sie brauchte auch nicht zu denken, denn ihr Gatte nahm ihr für große, wie für kleine Dinge jede solche Mühe ab; sie brauchte nur schön und liebenswürdig und tzingedend zu sein. Da war sie, denn sie besaß ein gute- Herz und ein weiche» Gemüth und war dem Mauve innig dankbar, der rhr ein so wolkenlose» Dasein bereitete und sie nur ein ein zige» Mal betrübte — durch seinen jähen Tod. Ottilie Bublatzky stand völlig sassungSlo» an der Bahre ihre» Gatten und war Wochen und Monate hindurch jedem Zuspruch unzugänglich. Sie erklärte, sie sei die unglücklichste Frau unter der Sonne und haderte mit dem Geschick, da» sich erkühnt hatte, ihr, die solchen Leiden gar nicht gewachsen sei, dergleichen