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«r. 93 26. Uovemder 1869 Ireitatz, SSchsGe DochetlmS g» AlistaUra. Redigirt unter Derarüwortlichleit deS Verlegers E. Heinrich. ! Dre-de«, tn der Expedi tion, kl.Meißn. Gaffe Rr. S, -u haben. Politische Weltschau. Je mehr man gewohnt ist, in Frankreich über deutsche Ver hältnisse ziemlich schiefe Urtheile zu vernehmen, um so beachtens werter sind die Symptome, welche in neuerer Zeit bekunden, daß jenseits deS Rheins sich die Begriffe zu läutern beginnen. Zum Beweise dessen sei folgende Stelle aus dem neuesten Werke des französischen Schriftstellers Vilbort mitgetheilt: „Die natio nale Einheit Deutschlands besteht wirklich in dem Sinne, daß alle Mitglieder dieser großen Familie unter sich durch das un bewußte oder bewußte Gefühl eines gemeinsamen Vaterlandes verbunden sind. Wenn die Eifersucht stets die verschiedenen Gruppen im Schooße der Nationalität trennt, wenn die alte dynastische Gegnerschaft noch eine Stütze findet in dem Kirch- thurmS-Patriotismus und in dem übermäßigen Individualismus, welcher diese Nation kennzeichnet; wenn der Geist der Herrschaft und Eroberung bis in diese letzten Zeiten selbst über den National geist triumphiren konnte und die preußischen, österreichischen, harmADMfcheu, sächsischen, bairischen, würtembergischen und andere Gruppen in Bruderkriege stürzen konnte, so ist eS nichts desto weniger wahr, daß trotz dieser Rivalitäten und Kämpfe alle Deutschen ohne Unterschied der politischen Parteien oder der religiösen Ueberzeugungen heute über einen wesentlichen Punkt einig sind: das Recht Deutschlands zu behaupten und den Bo den Deutschlands zu vertheidigen; jeden Angriff von außen, jede fremde Einmischung in die inneren Angelegenheiten der deutschen Nation zurückzuweisen. Darüber ist man vollkommen einver standen zu Berlin, zu Dresden, zu München, zu Stuttgart, im Norden und im Süden vom Main. Selbst zu. Wien, wenn man die Interessen oder die dynastischen Feindlichkeiten bei Seite setzt und nur der öffentlichen Gesinnung Rechnung trägt, sieht man sofort, wie sehr ein Vertrag mit dem Fremden, dessen Folge die Eroberung irgend eineö Theiles des germanischen Territoriums sein könnte, das Volksgefühl gegen sich erregen würde. — Läßt man die österreichische Gruppe bei Seite, die in ihren Hoff nungen oder Illusionen an einem föderalistisch-republikanischen oder monarchischen, von den Habsburger» den Hohenzollern wieder abgenommenen Großdeutschland hängt, so muß man kategorisch bejahen, daß die nationale Einheit auf beiden Seiten des Mains besteht, und daß das nicht eine Abstraktion oder eine Zufälligkeit, sondern eine dauernde Wirklichkeit ist; sie besteht viel weniger in der materiellen Macht, die eine Dynastie augen blicklich usurpirt hätte, als in der lebendigen, unvergänglichen Kraft, welche das Vaterlandsgefühl und der Volkswille jedem fremden Angreifer und Eindringling entgegensetzt. — Kein Rechts grundsatz, kein Interesse könnte einen Angriffskrieg zwischen Frankreich und Preußen, zwischen Frankreich und Deutschland rechtfertigen. Er würde die Barbarei des Mittelalters in das Europa des 19. Jahrhunderts zurückführen; er würde den un versöhnlichsten Feind der Revolution, das heißt des modernen Rechtes, Rußland, dieses wilde und riesige asiatische Reich, mit Freude erfüllen, welches seit zwei Jahrhunderten auf die Erobe rung der eivilisirten Welt ausgeht, von welcher es sich nur seine Bewegungsmittel und seine besten Mordgewehre leiht." LinunIwrcPgster Jahrgang. IV. Quartal. Ein unterhaltendes Blatt für den Bürger und Landmann. Erscheint jeden Dienstag und Freitag früh. Deutschland. Diefrühere Mttheilung, daß Baden die Aus dehnung der gegenseitigen Rechtshilfe auf das Großherzogthum beantragt habe, ist nicht ganz korrekt. Bei Annahme deS Ge setzes über die Gewährung der Rechtshilfe ersuchte näm lich der norddeutsche Reichstag den Bundeskanzler, zum Abschluß von Jurisdiktions-Verträgen mit den süddeutschen Staaten die geeigneten Schritte zu thun. Infolge dessen ist von Seiten des Bundespräsiviums an die Regierungen von Baiern, Würtemberg, Baden und Hessen die Anfrage ergangen, ob sie geneigt seien, auf der ihnen dabei bezeichneten Grundlage solche Verträge mit dem norddeutschen Bunde abzuschließen. Die großherzoglich badische Regierung hat sich hierzu bereit erklärt. Demgemäß ist nunmehr vom Bundeskanzler beantragt worden: der Bundesrath wolle sein Einverständniß damit aussprechen, daß mit dem Großherzogthum Baden ein Jurisdiktionsvertrag ab geschlossen werde. — Die Bundesraths- Ausschüsse für Handel und Verkehr und für Justizwesen haben am 23. d. M. eine mehrstündige Sitzung gehalten. Auf der Tagesordnung standen: 1) der Ankauf des Hauses in Leipzig für daS Bundes oberhandelsgericht. Ein großer Theil des Kaufgeldes ist bereits erlegt, der Rest soll am 1. April 1870 gezahlt werden. Der Verkäufer hat die Bedingung gestellt, daß die Anzahlung zu seinen Gunsten verfallen ist, wenn Bundesrath und Reichstag den Kauf nicht genehmigen sollten. 2) Der Antrag Mecklen burgs in Betreff der Mobilmachungspferde. 3) Ein Entwurf, welcher die Bedingungen regelt, unter denen eine Entbindung von den ärztlichen Prüfungen stattfinden kann. Diese Dispen sation soll stattfinden, wenn sie nicht aus Privatintereffen, son dern behufs Uebernahme eines staatlichen Amtes nachgesucht wird. Den Prüfungskommissionen ist es überlassen, das Dispensations- gesuch zu prüfen und zuvor mit dem Nachsuchenden eine Unter redung zu halten. Ist die Dispensation ertheilt, so ist davon sofort dem Bundespräsidium Kenntniß zu geben behufs Ver öffentlichung. Als Dispensationsbehörden fungiren die mit den ärztlichen Prüfungen betrauten Behörden. Preußen. Der Kultusminister v. Mühler geht zwar nicht von seinem Posten, wie der Abg. Ziegler wollte, aber er fängt an, sich zu fügen. Im Abgeordnetenhause erklärte er nämlich am 24. d. M., daß nach der bei der Vorberathung über das Gesetz, betreffend Lehrer-Wittwen- und Waisenkaffen, vom Finanz minister abgegebenen Erklärung und nachdem das Haus das Gesetz wieder nach den vorjährigen Beschlüssen angenommen, das Staatsministerium auf Antrag des Kultusministers und des Finanzministers beschlossen habe, dem Könige die Sanctionirung des Entwurfs in der vom Abgeordnetenhause genehmigten Fassung vorzuschlagen, vorausgesetzt, daß das Herrenhaus demselben zu stimme. — Auf Antrag des Abg. Miquel bezüglich der Bundeß- kompetenz-Erweiterung erklärte Justizminister I)r. Leonhard: Das Recht individualisirt die Völker; daher ist die Erstrebung der Rechtseinheit eine nationale Aufgabe. Dies gilt auch vom bür gerlichen Rechte, soweit es ein allgemeines Recht ist. Ich scheue nicht vor der Anstrebung und Ausdehnung des bürgerlichen Rechtes auf den Bund zurück, trotz der Schwierigkeit der Auf gabe. Artikel 4 der Bundesverfassung umfaßt das gerichtliche Verfahren, natürlich also auch das Gerichtsverfahren. Wenn sr