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17. September 1869 Ein unterhaltendes Blatt für den Bürger und Landmann. vierteljährlich r»'>Ngr. Ar ave kgl. -oft- Än galten« Erscheint jeden Dienstag und Freitag früh. Nedigirt unter Verantwortlichkeit deS Verlegers C. Heinrich. Politische Weltfchau. Die zweite Septemberwoche dieses Jahres hat Deutschland daS seltene Glück bereitet, den hundertjährigen Geburtstag eines Genius der Wissenschaft zu feiern, wie ihn keine andere Nation in solcher Größe aufzuweisen vermag. Am 14 September waren es hundert Jahre, daß Alexander v. Humboldt das Licht der Welt erblickte. Wer Alexander v. Humboldt gewesen, was er unS gewesen und was er uns heut noch ist — wohl kein Mensch, der nur einigen Anspruch auf Bildung macht, wird darüber in völliger Unkenntniß sein. Wenn nicht mehr, so weiß Jeder, daß Alexander von Humboldt den größten Einfluß auf die Wissen schaft dieses Jahrhunderts, auf die Erkenntniß der Erde und der auf und in ihr waltenden Naturkräfte genommen hat. Es giebt keinen Gelehr^n, dessen Name auf der ganzen civilisirten Erde so volksthümlich und populär, so geachtet und geehrt, so erhaben und unantastbar dastände, wie der Name Alexanders von Hum boldt; es giebt keinen Gelehrten, der gleich ihm durch sein Wirken und Schaffen der Wissenschaft so neue, großartige Reiche erschloß und durch seine friedliche Arbeit zum Wohlthäter der gesammten Menschheit wurde; es giebt keinen Gelehrten, der nur durch ein arbeitsame-, stille- Forscherleben schon ein halbes Jahrhundert vor seinem Tode einen so umfassenden Weltruhm erreichte, wie er, und der ihn für alle Ewigkeit, so lange Menschen denken wer den, behalten wird. Alexander von Humboldt, der in langjährigen mühseligen Reisen zuerst die Wildnisse Amerika s, später die Wildnisse Asiens erforschte, der in allen Ländern, auf allen Kontinenten Himmel und Erde, Gebirge und Pflanzen, Meer und Luft beobachtete — er hat in zahlreichen Werken die Geheimnisse derselben, sowie den Zusammenhang der Weltordnung in ihren einzelnen Erschei nungen erklärt und dadurch allen Naturwissenschaften einen groß artigen Aufschwung gegeben. Unser Jahrhundert giebt Zeugniß davon. Die Naturwissenschaften haben für alle Verhältnisse neue Bahnen gebrochen, sie haben den menschlichen Geist zu lichten Höhen getragen, sie haben den Menschen mit größerem Stolz auf die Kraft seiner Arbeit und damit auf seinen Werth erfüllt. Die Naturwissenschaften, indem sie Aberglauben und Jrrthümer zerstören, du Wei-Heit der Schöpfung unS ohne mystische Phan tasten erkennen lassen, haben den menschlichen Geist freier gemacht und unserer Bildung Humanität eingeimpft; sie sind die vor nehmsten Träger und Förderer der Fortschritte unserer Civilisation und de- Recht- auf Freiheit deS Einzelnen wie der Gesammtheit geworden. Alexander von Humboldt, dessen unsterbliches Werk, der KoSmos, so viel Verständniß dafür, so viel Licht auch in die großen Kreise der gebildeten Laien trug, ist der wahre Urheber dieser geistigen Freiheit, zu der wir durchgedrunqen sind und für welche wir in rastloser Arbeit nach allen Richtungen, auch nach der politischen hin, weiter schaffen Er zeigte uns, waS die Schöpfung ist, was die Erde und waS der Mensch auf ihr bedeute; und wir haben ftltdem den Kopf erhoben, um in Wahrheit als freie Geschöpfe unser natürliches Recht in Staat und Kirche zu erstreben und die Sklaverei in uns, unter uns und durch unS zu Ehren deS Schöpfers abzuringen.. Und das hat Humboldt nicht blos für uns Deutsche, er-hat eS für Tüurud-reißigster -ahr-ang. 111. die gesammte Menschheit gethan; ob ihn auch deutsches Land gebar, sein Wissen, sein Thun und Schaffen errang ihm das Bürgerrecht der ganzen Welt. Darum feierte man auch den 14. September auf der gesammten civilisirten Erde und wird ihn feiern, so lange noch der Menschengeist nach den Sonnengipfeln der Erkenntniß und des Wissens strebt! Ja, die Nachwelt wird noch lauschen Deinem Ruhm, von Nord bis Süd; Hier, wo deutsche Eichen rauschen, Dort, wo stolzer Lorbeer blüht! Deutschland. Steigen wir von vorstehender Betrach tung über den großen Mann unsers Jahrhundert- zur politischen Tagesarbeit herab, so tritt uns zunächst eine Nachricht entgegen, die, so unwahrscheinlich sie klingt, dem Leser nicht vorenthalten bleiben mag. Es sollen nämlich, wie einige Organe erzählen, zwischen Preußen einerseits und Baiern und Hessen anderseits Unterhandlungen behufs des Anschlusses letzterer Staaten andenNordbundim Gange seien, während nach diesen Milthei lungen mit Baden undWürtemberg diese Verhandlungen bereits einen günstigen Abschluß gefunden hätten. Der betreffende Vertrag, heißt eS, werde so lange geheim gehalten, bis die kontrahirenden Theile die Veröffentlichung für gut finden. Der vollendeten Thatsache gegen über hoffe man auf die Zustimmung der Kammern. „Das Alles" sagt die „Südd. Post," „scheint auf den ersten Augenblick so sehr erfunden und unglaublich, daß man es nicht der Mühe werth halten sollte, davon Notiz zu nehmen. Allein heutzutage ist einmal die Zeit der Ueberraschungen und wir haben keineswegs Brief und Siegel dafür, daß wir nach dem Vorgänge mit den Allianzverträgen eines schönen Morgens nicht erfahren, wir seien Preußen zweiter Klaffe." — Soweit das süddeutsche Organ, welches apS seiner Preußenfeindlichkeil nie einen Hehl gemacht Hal. Man könnte daher wohl annehmen, daß eS sich hier nur um Aufhetzereien handele, wenn nicht auch von entgegengesetzter Seite ähnliche Andeutungen kämen. So schreibt z. B die „Main.- Ztg": Die Frage, von welcher Seite der Anstoß zu der Ver wirklichung deutscher Einheit demnächst auszügehen habe, sei eine Frage der Zweckmäßigkeit. Wer im gegebenen Falle die Initiative ergreifen müsse, hänge von den Umständen ab. So wohl im Süden als im Norden werde das Bedürfniß einer Konstituirung der nationalen Partei in Deutschland immer leb hafter empfunden. Die Besprechung, die in dieser Richtung in den jüngsten Tagen zu Heidelberg stattgefunden, habe hierüber keinen Zweifel gelassen. Dann fährt der Artikel wörtlich fort: „Der Gang der Verhältnisse bringt eS mit sich, daß der Norden die Anregung vom Süden erwartet, und wenn wir recht unter richtet sind, so befinden sich die Vorarbeiten schon im Gange zu einer Initiative Süddeutschlands in dieser Richtung, und damit zu einem festen Zusammenschluß der gesammten nationalen Partei." — So wünschenSwerth auch der Eintritt des Südens in den Nordbund jedem wahren VaterlarzM- freunde sein muß, so können wir doch unsere Bedenken darüber nicht verbergen, ob wirklich der Zeitpunkt dieses ungemein wich tigen Ereignisses schon so nahe herangerückt sein sollte. Welchen Werth man aber auch auf alle diese Mittheilungen legen mag, 7»