Volltext Seite (XML)
4. Mai 1869. Ein unterhaltendes Blatt für den Bürger und Landmann. Dresde», in der Expedi tion, küMeißn. Gaffe Nr. 8 zu tzaben. Vrrkst* vierteljährlich 12'/»R-r. 3« beziehen durch alle tgl. Poft- Nnstnittk, Erscheint jeden Dtmstag und Kreitag stüh. Nedigirt unter Verantwortlichkeit des Verleger- L. Heinrich. Politische Weltschau. Deutschland. In der fortgesetzten Spezia ldiSkussion über die neue Gewerbeordnung wurde van Reichstage am vergangenen Donnerstage den KZ 134—138 folgende Fassung gegeben: § 134. Kinder unter 12 Jahren dürfen in Fabriken zu einer regelmäßigen Beschäftigung nicht angenommen wcden. — Bor voll endetem 14. Jahre dürfen Kinder in Fabriken mr dann beschäftigt werden, wenn sie täglich mindesten- einen dreistün igen Schulunterricht in einer von der höheren Verwaltungs-Behörde genehmigten Schule erhalten. Ihre Beschäftigung darf L Stundet täglich nicht über steigen. Junge Leute, welche da- 14. LebenSjar zurückgelegt haben, dürfen vor vollendetem 16. Lebensjahr in Fabriken acht über 10 Stunden täglich beschäftigt werden. Auch für diese juge-dlichen Arbeiter kann durch die Central-BchLrde die zulässige ArbeitSdaer bis auf 6 Stunden täglich für den Fall eingeschränkt werden, daß dieselben nach den be sonderen, in einzelnen Theilen deS BundeSgeletS bestehenden Schul einrichtungen noch im schulpflichtigen Alter sich befinden. — Die OttSpolizei-Behörde ist befugt, eine Verlängeung dieser Arbeitszeiten um höchstens eine Stunde und auch höchsten- auf 4 Wochen dann zu gestatten, wenn Naturereignisse oder Unglüksfälle den regelmäßigen Geschäftsbetrieb in der Fabrik unterbrochen ud ein vermehrtes ArbeitS- bedürfniß herbeigeführt haben. § 135. Zwischen den ArbeitSstunda muß den jugendlichen Arbeiters (§ 134.) Vor- und NachmittgS eine Pause von einer halben Stunde und Mittags eine ganze Feistunde, und zwar jedeSmal auch Bewegung in der freien Luft gewa'N werden. — Die Arbeits stunden dürfen nicht vor SH Uhr MoronS beginnen und nicht über 8 Uhr Abends dauern. — An Sonn- md Feiertagen, sowie während der von dem ordentlichen Seelsorger für den Katechumenen- und Kon- firmanden-Unterricht bestimmten Stundn dürfen jugendliche Arbeiter nicht beschäftigt werden. § 136. , welcher von der AnzeZe bei der Polizei bei Annahme jugendlicher Arbeiter und von der iber dieselben zu führenden Liste handelt, wird mit einer unwesentliche Amderung angenommen. § 137. enthält die Bestimmungen über da- dem Arbeitsgeber tlnzuhändigende Arbeitsbuch und mrd unverändert angenommen. h 138. Wo die Aufsicht üoer die Ausführung der vorstehenden Bestimmungen (htz 134 137) eigenen Beamten übertragen ist, stehen denselben bei Ausübung dieser Aufsicht ale amtliche Befugnisse der OrtSpolizeibehörden, inSbesonderr daS Recht zur jederzeitigen Rev sion der Fabrik zu. Die auf Grund der Bestimmungen der §h 134—137 auSzuführenden amtlichen Revisionen der ^werblichen Anstalten sind die Besitzer derselben verpflichtet, zu jeder Zeit, namentlich auch in der Nacht, während die Anstalten im Betriebe Ind, zu gestatten. Die noch übrigen hh 139—145 dieses Titels wurden mit ganz unwesentlichen Abänderungen in der Fassung des Entwurfs angenommen. Am folgenden Sitzungstage, Freitags, kam Titel 3 deS Entwurf-: „Gewerbebetrieb im Lmherziehen" zur Er ledigung. Ueber diesen Titel war ein besonderer KommissionS- bencht erstattet, durch welchen die Regierungsvorlage, da größten- theil- die Kommissions-Vorschläge die Genehmigung de- ReichS- tirmnddreißigster L-Hrgang. II. Ouarlal. tag- fanden, wesentliche Abänderungen erfuhr. Ohne speziell auf die Debatten einzugehen theilen wir hier die wesentlichsten Para graphen deS Lltcls in der angenommenen Fassung mit: h 53. Wer außerhalb seine- Wohnort-, ohne Begründung einer gewerblichen Niederlassung und ohne vorgängige Bestellung, in eigener Person: 1) Waaren irgend einer Art feilbieten, 2) Waaren. irgend einer Art bei anderen Personen, al- bei Kaufleuten oder an anderen Orten, al- in offenen Verkaufsstellen zum Wiederverkauf an kaufen, Z) Wagenbestellungen aufsuchen, oder 4) gewerbliche oder künstlerische Leistungen oder Schaustellungen, bei welchen ein höhere- wissenschaftliche- oder Kunstinteresse nicht obwaltet, feilbieten will, bedarf, vorbehaltlich der in den 42 und 65 getroffenen Be stimmungen, eine- LegilimationSscheineS. Ein Legitimationsschein ist nicht erforderlich zum Verkauf oder Ankauf roher Erzeugnisse der Land- und Forstwirlhschaft, des Garten- und Obstbaues. § 54. Ausgeschlossen vom An- und Ve kauf im Umherziehen sind: 1) S"stige Getränke aller Art; 2) gebrauchte Kleider und Betten, Tarnabfälle, Enden und Dräumen von Seide, Wolle, Leinen oder Baumwolle, Bruchgold und Bruchsilber; 3) Spielkarten, Lotterie- und andere Loose; 4) Schießpulver, Feuerwerkskörper und andere explosive Stoffe; 5) Arzneimittel, Gifte und giftige Stoffe Der Bunde-rath ist befugt, soweit ein Bedürfniß obwaltet, anzuordnen, daß die Er- laubniß zum Verkauf oder Ankauf der einzelnen ausgeschlossenen Gegen stände ertheilt werde. Der Bunde-rath und in dringenden Fällen der Bundeskanzler nach Einvernehmen mit dem Ausschuß des BundeS- rathe- für Handel und Verkehr, ist befugt, aus Gründen der öffentlichen Sicherheit oder der G sundheitepflege anzuordnen, daß auch andere Gegenstände inne-halb einer zu bestimmenden Frist nicht im Umherziehm feilgeboten oder angckauft werden dürfen. § 55. Einem Bunde-angehörigen, welcher innerhalb de- nord deutschen Bundesgebietes einen festen Wohnsitz besitzt und da- 21. Lebensjahr überschritten hat, darf der Legitimationsschein vorbehaltlich der Bestimmung des h 57 nur dann versagt werden, wenn er:,1) mit einer abschreckenden oder ansteckenden Krankheit behaftet ist; 2) oder wegen strafbarer Handlungen aus Gewinnsucht gegen da- Eigen thum, gegen die Sittlichkeit, psegen vo satzlicher Angriffe auf da- Leben und die Gesundheit von Menschen, wegen vor'ätzlicher Brandstiftung, wegen Zuwiderhandlung gegen Verbote oder Sicherheit-Maßregeln, be treffend Einführung oder Verbreitung ansteckender Krankheiten oder Viehseuchen zu Gefängniß von mindesten- 6 Wochen, oder zwar zu einer geringeren Strafe verurtheilt, aber in der Ausübung der bürger lichen Ehrenrechte beschränkt worden ist, innerhalb 2 Jahren nach erfolgter Verurtheilung und im Falle der Gefängnißstrafe nach ver büßtem Gefängmß; 3) oder unter Polizeiaufsicht steht; 4) oder wegen gewohnheitsmäßiger Arbeitsscheu, Bettelei, Landstreicherei, Trunksucht übel berüchtigt ist; 5) oder durch gerichtliche- Erkenfftniß deS Rechte- zu dem bearsihtigten Gewerbebetriebe verlustigt gegangen ist. Die Verwaltungsbehörde ist berechtigt, von dem Nachsuchenden Auskunft in Beziehung auf die gesetzlichen HinderungSgründe zu erfordern. Sonst aber muß sie innerhalb 14 Tagen dem Nachsuchenden entweder den Legitimationsschein ertheilen oder unter Angabe deS gesetzlichen Hinde- rungSgrunde- schriftlich versagen. Gegen die Versagung steht der Rekur- zu. Ausländern kann, unter Voraussetzung der Gegenseitigkeit, der Gewerbebetrieb im Umherziehm gestattet werden. Der Bunde-rath ist befugt, die deshalb nölhigen Bestimmungen zu treffen. 3»