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ganzen Minister-Kollegium notorisch und unbestritten Keinem mehr, als jenem sechs- oder achtunddreißigjährigen StaatSmanne, der fortan von Amtswegen der Politik eines Giskra, eines Herbst, eines Brestel und eines Hasner seinen Namen leihen wird. — Um mit ihren, nicht zum Reichsrath gehörenden, Kollegen im vollen Einverständniß hinsichtlich der Diskussion über die mehrfach erwähnte Resolution zu bleiben, haben die polnischen Abgeord neten sämmtliche Mitglieder des galizischen Landtags nach Wien geladen. Ein großer Theil iit.,hereitS eingetroffen und betheiligt sich lebhaft an den Berathungen der polnischen Fraction. Die Losung lautet noch immer auf sofortigen Austritt der Polen aus dem Reichsrath im Fall der Ablehnung der betreffenden Resolution. Die Regierung sowie die Majorität des Reichsraths wollen jedoch nicht an den Ernst dieses Entschlusses glauben.— Inzwischen ist aber auch jenseits der Leitha die Gefahr eines neuen Konfliktes zwischen Ungarn und Kroatien im Anzuge. Das ungarische Ministerium hat nämlich einer Vorlage des kroatischen Landtags über die innere Administration nur theilweise zugestimmt und mehrere Punkte, auf welche die Kroaten besonderes Gewicht legen, zurück gewiesen. Darauf ist die seit dem kaiserlichen Besuche sehr be friedigte Stimmung in Kroatien in das Gegentheil umgeschlagen und — wie ein Telegram aus Agram meldet — hat der dortige Landtag in einer seiner letzten Sitzungen beschlossen, den ungarischen Reichstag so lange nicht zu beschicken, bis die Sanktion der un erledigt gebliebenen Punkte erfolgt sein werde. Angesichts der mißlichen Stellung, in welche das ungarische Ministerium der Opposition gegenüber durch die Wahlen gekommen ist, muß ihm dieser Zwischenfall sehr unerwünscht kommen, und es ist wohl vorauszusetzen, daß das Ministerium bis an die äußersten Grenzen der Nachgiebigkeit gehen werde, um das gute Einvernehmen mit den Kroaten wenigstens äußerlich zu bewahren. Italien. Einer Interpellation über die römische Frage im Abgeordnetenhause ging der Ministerpräsident Menabrea damit aus dem Wege, daß er bat, man möge ihm die Beantwortung derselben nach Erledigung der Budgetberathung gestatten, da durch seine Antwort eine Krisis hervorgerufen werden könne, die dem Zustandekommen des Budgets nicht förderlich sein würde. — Man kündigt die nahe bevorstehende Wiederherstellung der drei großen Militär-Kommando's an. Das von Süd-Italien hat seinen Sitz in Neapel und wird dem Kronprinzen Humbert ver liehen werden; das von Mittel-Italien mit dem Sitze zu Florenz ist für den General Cialdini bestimmt und das von Nord-Italien zu Verona soll an General Pianell gegeben werden. Spanien. Wiederholte Besprechungen von Mitgliedern der Majorität der Kortes haben zu dem Ergebniß geführt, daß die Frage der Thronkandidatur vorerst ganz ruhen soll. Zunächst will man das Verfassungswerk zu Ende führen. Ebenso sollen alle auf die Kolonien bezüglichen Fragen bis zum kommen den Monate, in welchem die Ankunft der überseeischen Deputaten erwartet wird, vertagt bleiben. Mit Rücksicht hierauf wurde der Antrag auf Abschaffung der Sklaverei auf den Antillen von einer der letzten Tagesordnungen abgesetzt. — In der Sitzung vom 15. d. M. wurde die Regierung unter Hinweis auf den Um stand, daß Frankreich an den Grenzen eine Ansammlung und Organisation karlistischer und isabellinischer Parteigänger dulde, darüber interpellirt, ob sie in Paris Schritte gethan habe, den in dieser Beziehung bestehenden Verträgen Geltung zu verschaffen. Prim gab in Erwiederung auf die Interpellation zu, daß sich allerdings an der französisch-spanischen Grenze karlistische Bauden gebildet hätten. Die französische Regierung verfahre gegen die- elben nach denselben Grundsätzen, welche sie unter der früheren panischen Regierung den geflüchteten spanischen Liberalen gegen über angewendet hätte. Uebrigens seien die Beziehungen zu Frankreich sehr herzlicher Natur. Belgien. In der Eisenbahnangelegenheit sind die Ver handlungen augenscheinlich noch nicht weiter gerückt. Wie fran zösische Blätter bestätigen, hat der belgische Finanzminister Fröce- Orban einen Entwurf eingereicht, welcher eine Uebereinkunst über den Eisenbahnbericht vorschlägt, die früher bereits von der be treffenden Eisenbahngesellschaft als unzulänglich verworfen wurde. Die „Patrie" fügt dieser Nachricht zwar hinzu, daß dir Beziehungen deS belgischen Ministers zur französischen Regierung ausgezeichnet wären, allein die „France" sagt: Fröre-Orban scheine noch immer unter dem Eindruck zu stehen, daß der Betrieb einer belgischen Bahn durch eine französische Gesellschaft die Selb ständigkeit Belgiens bedrohe, obgleich thatsächlich.sich vier Linien im Betriebe der Nordbahn-Gesellschaft befänden. Diese Besorgniß sei nicht gerade geeignet, eine Uebereinkunft zu erleichtern, deren Zweck eben sei, jede Spur von Miß trauen zwischen Frankreich und Belgien zu verwischen, nicht aber einen derartigen Argwohn durch Ausnahmebestimmungen zu befestigen. Jedenfalls wird man in Belgien am besten wissen, was der Selbständigkeit des Lande- gefährlich werden kann. Ein Mann des Volkes. Historische Erzählung von Friedrich Friedrich. (Fortsetzung.) „Es ist zu spät — zu spät," entgegnete der Kranke mit Mühe. „Ich sterbe gern — nützt auch mein Tod nichts, ich habe mein Leben doch für mein Vaterland gegeben." Er richtete sich höher auf dem Lager empor, daß er fast aufrecht dasaß. Seine Wangen und Lippen wurden bleicher und bleicher, nur aus seinen Augen leuchtete dasselbe Feuer. „Ich kenne Euch —fuhr er zu Hans gewandt fort. „Ihr habt mehr Ruhe und Geduld als ich — Ihr werdet glück licher sein und Deutschlands Freiheit noch erleben. — Gebt mir ein Glas Wasser." — Zitternd setzte er es an die Lippen. — „Grüßt den Herzog von mir — ich kenne ihn — ich wußte um seine Absicht und glaubte ihm ein gutes Feld hier bereiten zu können. Ich war mit Katt, als er auf Magdeburg loszog — mit Dörenberg bei Kassel — Alles — Alles verloren. — Wer weiß — es waren vielleicht nur die Opfer, die der Freiheit vorher nothwendig fallen mußten. — Aber sie kommt," fuhr er fort, und seine Augen glühten und seine Stimme wurde lauter und lauter, — „sie kommt, die Stunde, wo Alles, Alles heimgezahlt wird! Seid glücklicher — seid — seid einig in Eurem Handeln — das deutsche Volk ist zu groß — zu edel, um unterzugehen — Freiheit — Freiheit — Fluch dem — dem — der dies Land !" . Er sank erschöpft zurück. Seine Lippen bewegten sich noch, der Blick seiner Augen wurde matter. Erschreckt suchte Hans ihn empor zu richten. Er faßte mit der Hand zuckend nach seiner Brust und sank todt zurück. Die Augen blieben geöffnet, aber sein Herz hatte für immer zu schlagen aufgehört. Er war dahin! Des Todten Rechte fest in der seinigen haltend, stand Hans erschüttert neben ihm. Ueber des Schäfers Wangen rollten Thränen, und Marie, die ihr Haupt auf das obere Ende des Lagers gestützt hatte, weinte laut. Es war das Leben eines für sein Vaterland gefallenen Mannes, das hier erloschen war, eines Mannes, der nur das einzige Streben nach Freiheit gehabt hatte. Jetzt war er dahin. Aber sein Tod war wie eine ernste, heilige Mahnung an Die, welche an seinem Lager standen. Keiner von ihnen wagte, das Schweigen zu brechen. War es ihnen doch, als ob des Geschiedenen Seele noch bei ihnen im Zimmer weilte. Ihre Augen waren starr, traurig auf das bleiche, ruhige Antlitz des Todten gerichtet. Endlich faßte Hans des Schäfers Hand und zog ihn dicht an den Todten heran. „Ich beneide ihn um solchen Tod," sprach er. „Er hat die feste Ueberzeugung mit sich genommen, daß über sein Grab noch der Hauch der Freiheit wehen wird. Laßt uns seinen Wunsch erfüllen und ihn im Stillen in die Erde senken. Mag es sein, wo es will — er findet überall Ruhe! — Doch hier — hier, Mandel, laßt uns noch einmal schwören, daß wir auf dem Wege, den er eingeschlagen, fortschreiten, daß auch wir unser Leben so freudig, und zwar dem großen Werke der Freiheit weihen wollen, wie er. Schlagt ein, Mandel, schlagt ein! Es ist ein seliger Tod, wenn wir scheiden, wie er!" Fest legte der Schäfer die Hand in die Rechte seines Freundes, und die Augen der beiden Männer glühten vor begeisterter Auf regung. Schweigend standen sie da. Da trat auch Marie plötzlich zu ihnen und legte ihre Hand auf die ihrigen. Ihre Wangen waren geröthet, ihr Blick fest, entschlossen. Sie vermochte mcht