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Ursachen der großen Krisis von 1857 jetzt nicht vorhanden. ES handelt sich jetzt nicht wie damals um übermäßig aufgehäufte Waaren, die man, auf Preissteigerung hoffend, nicht loSschlagen wil(. und zuletzt yicht losschlagen kann und deren UnverkäufUch- keit zur Wechselreiterei zwingt. ES liegt jetzt- kein Uebermaß an Wechseln vor. Vor der Krisis von 1857 war der Wechselum lauf in Hamburg auf 273 Millionen Mark Banko gestiegen, jetzt beträgt er 173 Millionen. Im Bank- und Aktien-Börsengeschäft herrschte seit dem schleSwig-holsteinschen Kriege, seit die Alliirten die Eider über schritten, eine einseitige Richtung nach der Hausse vor. Die Course waren in die Höhe geschraubt und erst das Hinzuströmen der amerikanischen Papiere hat hier eine Aenderung herbeigesührt. Hierzu gesellt sich die ungesunde Bau- und Hypotheken- peculation. Wie man in Hamburg im Jahre 1857 Wechsel chuf, um die Kaffee- und Baumwollenvorräthe sestzuhalten und zu vermehren, so schaffte man jetzt Hypotheken, um die Häuser- vorräthe im Besitz der speculirenden Eigenthümer zu erhalten. Man hoffte auf die beständige Hauffe, auf die immerwährende Preissteigerung der Grundstücke und gab Käufern bei 5000 Thlr. Anzahlung Häuser im Werthe von 30—40,000 Thaler, der Rest wurde hypothecirt. - Dazu kam die enorme Bauwuth. Vor 20 Jahren waren e- die Eisenbahnen, vor l0 Jahren die Banken, jetzt die Häuser, welchen sich die Spekulation einseitig und zum allgemeinen Nachtheil hingab. Wie bei den Krankheiten des menschlichen Körper's, so kann auch diese Krisis nicht blos als der Ausbruch des Unwohlseins, sondern schon als der Beginn der Heilung angesehen werden. Und in der Lhat führt die Erhöhung des Zinsfußes dazu, daß die Waaren billiger werden, die Einfuhr abnimmt und die in ländische Production sich hebt. Allmälig entwickeln sich aus der artigen Krisen bessere Zustände. Aber für den Augenblick freilich belasten sie alle Welt. Namentlich leidet der kleinere Geschäfts mann und Fabrikant unter dem Druck des hohen Zinsfußes. Für Jedermann ist er eine Mahnung und ein Zwang, die Ge schäfte vorläufig auf haS Maß des Nothwendigsten einzuschränken und sich aller solcher Spekulationen zu enthalten, die außer Ver- hältniß zu dem Maß seiner Kräfte stehen. In höherer Bedeutung aber zeigt auch diese Krisis wieder, wie veraltet und verschollen jene Kirchthurmpolitik ist, die das waS „hinten in der Türkei" oder jenseits des Meeres sich ereignet, mit den Augen bloßer Neugier oder dem spießbürger lichen Behagen heimischen Wohlbefindens ansieht. Mehr als je ist es in unseren Tagen klar geworden, wie die ganze Mensch heit ein Band umschließt, und wie kein Glied dieser Kette sich verschieben kann, johne schmerzliche Nachtheile für die Gesammt- heit. Der amerikanische Bürgerkrieg ist uns nicht blos deshalb von verhängnißvoller Bedeutung, weil er den klaffenden Gegensatz einer idealen Staatsform und mißrathener Bürger, edler Vor fahren und selbstsüchtiger Nachkommen zeigt, nicht blos deshalb, weil die glorreiche, aber wahrlich nicht mit „Blut und Eisen" durchsetzbare Idee der Sklavenbefreiung zum Deckmantel deS schmuzigsten Neides mißbraucht wird, sondern auch deshalb, weil wir unter seinen Einwirkungen leiden. - Mit dem AuSgang der amerikanischen Wirren werden sich die Aussichten des europäischen Geldmarktes erhellen. Die Politik trennt und befehdet. Die Bolkswirthschast einigt und versöhnt. Sie hat die Aufgabe, das, was die Religion fordert, wirklich zu erfüllen: die Brüder lichkeit der Menschen. Sie lehrt, daß das wahrhaft Nützliche zugleich auch das wahrhaft Gute ist. Dresden, den 27. Oktober. — In gestriger Sitzung verschritt daS Stadtverordneten-Collegium zur Wiederbesetzung zweier unbesoldeten Stadtraths st el len, von denen vier in nächster Zeit zur Erledigung kommen. Im ersten Wahlgange fielen bei 58 Abstkmmenden 27 Stimmen auf Herrn Stadttath Kistner und 25 Stimmen auf Herrn Kaufmann Herm. Schmidt, während die übrigen sich zersplitterten. Da somit eine absolute Majorität nicht erzielt wurde, fand ein zweite- Scrutinium statt, in welchem sich 31 Stimmen auf Herrn Kaufmann Herm. Schmidt und 26 auf Herrn Stadttath Kistner vereinigten. Ersterer ist sonach al- gewählt zu bettachten. Bei der zweiten Wahl erhielt gleich in dem ersten Wahlgange Herr Stadtverordneter Rülke 44 Stimmen, so da- mithin die erforderliche Majorität weit überschritten wurde. 13 Stimmen fielen auch bei dieser Wahl auf Herrn Stadttath Kistner. Die Wahlen zu den noch übrige« zwei Stadt- rathsstellen aus Zeit sollen in einer der nächsten Sitzungen vorge nommen werden. n r . .i ' — Freitag, den 28. Oct., findet bei dem k. Oberappellation-- gerichte die zweitinstanzliche öffentliche Verhandlung in der gegen den Weber C. Tr. Schmidt au- Cunewalde anhängigen Unter suchung statt. Schmidt ist angeklagt, am 30. Juli 1862 seinen Schwager Lade beim Holzholen ermordet zu haben, um auf diesem Wege da- seiner Frau zufallende kleine Erbtheil in die Hände zu bekommen; er wurde am 23. Oct. v. I. von dem k. Bezirksgericht Budisfln zum Tode verurtheilt, leugnet aber die That beharrlich und behauptet, daß Lade durch Herabstürzen von einer Fichte in eine Felsenspalte sich die Kopfverletzungen, welche seinen alsbaldigen Tod herbeiführten, zugezogen habe. — Mit dem 1. Nov. treten die bereit- früher in d. Bl. an gekündigten neuen Posteinrichtungen in hiesiger Stadt in da- Lebe«. Hiernach kommen zu den, außer dem Hofpostamte in Neustadt und auf dem Leipziger Bahnhofe bestehenden zwei Postexpeditionen noch fünf neue Bezirks- oder Filialpostlxpeditionen, und zwar in folgenden Stadttheilen: 1) Amalienstraße Nr. 11; 2) auf dem sächsisch-böh mischen Bahnhofe; 3) Ammonstraße Nr. 37 (am AlbertSbahnhofe); 4) Weißeritzstraße Nr. 29; 5) Bautznerstraße Nr. 25d. Vom 1. ApÄ k. Jahre- soll auch noch eine Postexpedition am Neumarkt (Galerie straße Nr. 1) eingerichtet werden, so daß mithin für die bequeme Annahme und rasche Beförderung der Briefe und Postsendungen in ausgedehntester Weise gesorgt ist. Von obgedachtem Termine an werden in jedem Stadtthrile täglich achtmalige BriefauStragungrn' stattfinden. — Der Bau der neuen Kreuzschule ist unter der umsich tigen Leitung deS Herrn Professor Arnold bereit- soweit vorgeschritten, daß heute mit der Aufstellung der beiden Statuen, Luther und Melanchthon, welche den oberen Theil der Hauptfronte zieren sollen, begonnen werden konnte. Jede dieser in Sandstein auSgeführte« Statuen ist mit dem Sockel drei Ellen zwölf Zoll hoch. —i'. Aus dem Gerichtssaale. Am 20. Oktober wurde Carl Gottlob Göpfert aus Weigman-dorf (GerichtSamt Brand), wegen mehrfacher Einbruchdiebstädle zu 1V» Jahr Zuchthaus ver urtheilt; er ist ein schon oft und schwer bestrafter Dieb, die einzelnen neuen Verbrechen, in Pillnitz, Niederpolritz und Wilsdruff verübt, sind ohne weiteres Interesse. — Franz Julius Wachler, erst Oeconom, dann Commis, zuletzt Agent, ein junger Mann von 25 Jahren, hatte auf fremde Namen erst einen und dann drei Wechsel von ziemlich bedeutenden Beträgen gefälscht; der Agmt Leichsenring, dem er den ersten und der Privatmann Bruckauf, dem er die drei andern zum Verkauf übergeben, hatten sich jedoch vorsichtig vor weiteren Schritten nach der Echtheit der Papiere bei denen erkundigt, deren Namm gemißbraucht worden waren. W., der auch sich selbst einen falschen Namen und Stand als Getreidehändler Seifert beige legt und die Wechsel zurückgefordert, den ersten auch zurückerhalte« hatte, ohne Geld dafür bekommen zu haben, hat kein Vermögen, welches ihn zu der Hoffnung berechtigt haben würde, das etwa erhaltene Geld zurückzuerstatten, und so stellt sich da- ganze, durch und durch raffinirte Gebühren des W. als beendigter Versuch ausgezeichnete« Betruges dar, wofür er mit zwei Jahren Zuchthaus bestraft wurde. — Anna Therese Reiche, aus Deuben, 20 Jahr alt und schon mehrfach wegen Eigemhumsvergehen bestraft, stahl aus einer ver schlossenen Kammer des Hauses, in dem sie wohnte und worin, ihr Hauswirth Betten, Kleider und dergl. aufbewahrte, nach und nach zwei Deckbetten, eine Jacke, ein Paar Hosen, zwei Kleider, ein Mäntelchen und eine große Anzahl anderer Kleidung-- und Wäsch- stücke, wovon jedoch die Mehrzahl von denen, an die sie dieselbe« verkauft, wiedererlangt wurden. Sie gestand Alle- offen ei« und wurde zu 10 Monaten zwei Wochen Arbeit-Hau- verurtheilt. AuS dem Plauen'schen Grunde, 22. Oct. Al- ei« erfreulicher Fortschritt ist hervorzuheben, daß durch Henn Fabrikbe sitzer Petzholdt in Potschappel Ga-beleuchtung eingeführt worden ist. Dieselbe brannte gestern zum ersten Mal. * Moritzburg, 22. October. Vorgestern Abend- in der siebenten Stunde brannte in Eisenberg ein zur dasigen Oberschenke