Volltext Seite (XML)
7l brach der Sturm gegen ihn loS. Er erhielt verschiedene unan genehme Schläge und Tritte, wurde hknauSgeworfen und mußte froh sein, mit Hilfe des WirtHS aufs Pferd -u kommen und dem tobenden Aufruhr zu entrinnen. Am folgenden Morgen auS wüstem Schlafe erwacht, erhielt er die Meldung, daß die Ziege geworfen habe. „Und waS denn?" „Zwei hübsche gescheckte Ziegen." Lin fürchterlicher Fluch glitt über die Lippen deS verzwei felten Edelmanns. „Schafft mir das verdammte Vieh auS dem Hause!" brüllte er seinen Leuten zu, „oder ich erwürge eS. Bringt die Ziegen, alt und jung, der Schulmeisterin Neuland und meldet ihr: ich ließe ihr sagen, sie soll sich vor mir hüten sammt ihrer Brut und der Hundsfott, der Rechtsverdreher, dazu. Ich steh' nicht dafür, daß ich sie alle zusammen mit den Ziegen abschlachte, das nichtsnutzige Volk." Die Dienerschaft vornehmer Leute war in jenen Tagen der fieberhaften Aufregung nichts weniger als geneigt, die Partei ihrer Herrschaft zu ergreifen. Die Aeußerung des Barons wurde nicht nur der Frau Schullehrerin zugleich mit den Ziegen überbracht, fle wurde auch im Städtchen und in der Umgegend mit Zusätzen und Uebertreibungen verbreitet und vermehrte die feindliche Stimm ung gegen den Baron bedeutend. Ohnedies war die Geschichte vom doppelten Verkauf der Ziege, die nicht dem Baron gehört, und vom dreifachen Verkaufe der Ochsen in aller Munde und rief die bedenklichsten Drohungen gegen einen Mann hervor, der sich solcher Unredlichkeiten schuldig gemacht habe. (Fortsetzung folgt.) Dar politische Räthsel. Drei Monden sind nun dahin, seit der Tod König Fried richs VII. die schleswig-holsteinsche Frage von dem Actenstaube erlöste und zur brennendsten, nicht nur für Deutschland, erhob. Drei Monate dahin — und was ist erreicht? Allerdings viel, wenn man den äußeren Erfolg, wenig, wenn man die dauernde Wirkung in's Auge faßt. Holstein ist ohne Schwertstreich in den Besitz des deutschen Bundes gelangt. Schleswig ist durch sieg reiche Waffenthat von der österreichisch-preußischen „Armee für Schleswig-Holstein" erobert. Aber, schon das Wie, schon die Mittel, durch welche all das erzielt wurde, rechtfertigen es, wenn man das „Wozu" mit Angst und Argwohn erörtert. Welche SchwiSkigkeiten waren zu überwinden, ehe es zum ersten Act, zur Besitzergreifung Holsteins kam. Zur Besitzergreifung — nicht einmal das ist in strengstem Wortflnne zu nehmen, denn über die Frage, ob Occupation, ob Erecution, ward lange genug gestritten, um den Erfolg beider Maßregeln zu gefährden. Oester reich und Preußen drangen durch, die sächsisch-hannöverschen Truppen rückten, nicht zur Occupation, sondern nur zur Ere cution in Holstein ein. Kaum waren fle darin, kaum entfaltete sich, unter dem Schutze der unparteiischen deutschen Bundes- commissare und des Generals v. Hake, ein freies Leben in Holstein, kaum athmeten die Deutschen dort auf, kaum war der Freuden jubel verhallt, mit dem die endlich Befreiten ihrem rechtmäßigen Herzog den Eid der Treue schworen: so machten Oesterreich und Preußen den zweiten Ansatz zur Vereitelung deutscher Hoff nungen. Ihr erster Versuch, durch Abschwächung der Occupation in Execution dem guten Rechte Deutschlands zu schaden, war entschieden mißglückt. ES begann der zweite: die Jnpfandnahme Schleswigs wegen Nichtrücknahme der dänischen Gesammtstaats- verfaffuug. Auch hier war der Erfolg günstiger, als die Er wartung, wohl als die Absicht selbst. Preußen und Oesterreich fußen auf dem Londoner Protokoll, verlangen auf dessen Grund lage, also unter selbstverständlicher, wie ausdrücklicher Anerkennung der Personalunion, die Erfüllung der Gegenleistung, der Ver sprechungen von 1851, die Aufhebung der Realunion zwischen Dänemark und Schleswig, welche die Gesammtstaatsverfassung herbeiführte. Wider Erwarten Mancher ging Dänemark hierauf nicht ein, obschon dem König Christian nicht- Angenehmeres hätte begegnen können, als gezwungene Aufhebung der demokratischen Gesammtstaatsverfassung. ES kommt zum Einmarsch der vereinig ten österreichisch-preußischen Truppen, die sich in nicht eben bun wtr lässige Wühlerei der preußischen officiösen Zeitungen gegen die Bundescommissare, eine Wühlerei, die bis zur kleinlichsten Lüge über den angeblich hohen Gehalt der Civilcommissare sich verflieg und deren Maulwurssthätigkeit den Civilcommiffaren ihre ohne hin nicht leichte Thätigkeit so verleidete, daß sie dem Bundestage die Niederlegung ihrer Aemter vorschlugen. Um eine traurige, höchst traurige Erfahrung reicher find wir durch alle- dies in den letzten Wochen geworden. Der Feind steht vor den Thoren, ex blockirt unsere Häfen, er droht unserem deSfreundlicher Gesinnung gegen die «unde-ttup^ey in Holstein, „Armee für Schleswig-Holstein" nennen. Wider Erwarten ent brennt der Kampf, wlder Erwarten räumen die Dänen ihre mit zehnjährigem Kleiße wohlbefestigten Schanzwerke nach verhältniß- mäßig kurzer Zeit und geben Europa auf s Neue den Beweis, daß Hinterlist und Wortbruch sich nicht mit Heldenmuth ver trägt. Die Schleunigkeit des dänischen Rückzugs, gegenüber regreicher Tapferkeit vor allem Oesterreichs, contrastirt sehr anf ällig mit der Zähigkeit, welche die Dänen sonst an den Tag legten, wo immer eS sich um die Unterdrückung der deutschen Minderheit handelte. Bor dem deutschen Schwert haben sie Furcht, gegen unbewehrte Deutsche sind sie Helden. Hn unerwartet kutzet Zett sind die österreichisch-preußischen Truppen Herren von Schleswig. Die Deutschen in Schleswig athmen auf — aber ihre Freude ist kurz. Denn nicht Deutsche, wie sie hoffen, son dern eben nur Preußen und Oesterreicher, haben die Dänen vertrieben und die kommen nicht als ihre Befreier, sondern sie kommen zu unbekanntem Zweck, vielleicht, ja wahrscheinlich, um dem Dänen in aller Freundschaft das ihnen abgenommene Land wieder auszuantworten. Trotz der Furcht vor diesen geheimniß vollen Absichten jubelten die Schleswiger, jubelten alle Deutschen den Waffenthaten der Oesterreicher und Preußen, vor Allem den glänzenderen der ersteren zu, und die Theilnahme für die Ver wundeten, die Fürsorge für die Heimkehrendett wurde eine ge» meinsame Angelegenheit im ganzen Deutschland. Aber wie gemischt mußte jene Freude sein, wie vergällte Alles, insbesondere Das, was preußischerseits geschah, das Behagen an dieser frischen, glorreichen Waffenthat. Mes, was jetzt die preußischen Machthaber in Schleswig thun, ist so recht dazu geeignet, die moralischen Eroberungen, deren sich Preußen einst rühmte, recht bis auf den letzten Rest zu Nichte zu machen. Während Oester reich ritterlich und mannhaft durch Generalleutnant v. Gablenz vertreten ist, während dieser Feldherr nach siegreichem Kampfe so handelt und spricht, daß die gute Sache Deutschlands in ihm und seinem Heere mindestens keinen Gegner zu sehen braucht, thun Vater Wrangel und sein Adjutant, der Eivilcommissat v. Zedlitz — denn was ist nach den Anschauungen der Kreuz zeitungsmänner ein Civilcommissar anders, als ein Adjutant deS Höchstcommandirenden? — alles Mögliche, um den Dänen sich gefällig zu zeigen. Preußen ist es, nicht Oesterreich, das die Proklamirung Herzog Friedrichs von Augustenburg zu verhindern suchte, Wrangel war es, nicht Gablenz, der die berechtigten Klagen der Schleswig-Holsteiner über die dänischen Beamten, die abgesetzt werden müssen, mit jenem „Müssen?" beantwortete, das ebenso geschichtlich werden wird, wie seine Drohung von vor sechzehn Jahren, daß in Berlin Gras wachsen solle. Und end lich, um die Sache zu krönen, war es wiederum Wrangel, war es das preußische Commando, das, uneingedenk der dem Bundes tag ertheilten Zusicherungen, gegen die allein der „Armee für Schleswig-Holstein" der Durchmarsch durch Schleswig-Holstein gestattet worden, jetzt unter verschiedenartigen grundlosen Vor wänden Holstein zu besetzen suchte. Die Vergewaltigung in Altona ist im schlimmsten Gedächtniß. Bald soll es geschehen sein, um eine Etappenstraße zu haben, bald um den Rücken zu decken u. s. w. Aber alle diese Vorwände konnten nicht den Satz umstoßen, daß der Bundestag ausdrücklich sich zur Be dingung gestellt und die beiden Vormächte ausdrücklich zuge standen hatten, der Autorität der Bundesverwaltung und deS Bundesgenerals in Holstein in keiner Weise zu nahe zu treten. Nach dem Siege scheint etwas von der dänischen Willkür über die preußischen Führer gekommen zu sein. An der Energie de- Herrn v. Hake scheiterte zwar der Versuch, Holstein mit preußischer Garnison zu beglücken. Allein von da an schreibt sich die unab