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70 zehn Gulden werth, aber ich will fünfzehn Gulden dafür zahlen. Damit basta! Machen Sie da- ab, Doctor." Reising zuckte die Achseln und empfahl sich. Einige Tage darauf brachte ein Bote einen Brief an den Baron. Er erblaßte, als er Jahn s Handschrift erkannte. Dieser schrieb kurz und höflich: Der Ueberbringer sei beauftragt, die Ziege der Frau Neuland abzuholen. Der Baron schickte den Boten mit dem Bescheide fort: Er wolle selbst mit Frau Neuland reden. Aber von dieser Stunde an war's aus mit seiner Heiter keit. In der ersten Bestürzung über die unangenehme Ent deckung, daß die Ziege gerade der Frau gehöre, mit welcher er auf so hart gespanntem Fuß lebte, mochte er wohl den verzwei felten Entschluß gefaßt haben, der Schulmeisterswittwe die Ziege abzuschwatzen, aber mit jedem Tage, welchen er die Ausführung desselben hinausschob, verließ ihn mehr und mehr der Muth dazu, und der quälerische Gedanke daran wurde ihm endlich so unerträglich, daß er ihn schließlich aufgab. Ebensowenig konnte er sich entschließen, mit dem verhaßten Advocaten deshalb in Verbindung zu treten, und er kam zuletzt immer wieder darauf zurück, es sei des Physikus verfluchte Schuldigkeit, dir Sache abzumachen, da er ihm die Gais in s Haus gebracht. Doctor Reising ließ sich aber auch nicht auf dem Damelhofe sehen, und so vergingen Tage und Wochen in einer mehr oder minder peinlichen Spannung, während welcher in der Sache gar nichts geschah. Plötzlich durchzuckte jener welthistorische Blitzstrahl des poli tischen Himmels von Paris aus die Welt, und die von Gewitter- stoffen gesättigte schwüle Atmosphäre entlud sich in rasch auf einanderfolgenden Wetterschlägen auch in den verschiedenen deut schen Landen. Das Volk stand auf, der Sturm brach los. Diese Be wegung war ganz dazu angethan, trotzige, hochfahrende Aristo kratennaturen, wie die des alten Baron von Schönberg, nur noch verbitterter und bissiger zu machen. Der erste Gedanke dieser Herren war, das freche Volk niederzutreten. Gerade in dieser Zeit erhielt der Baron ein anderweitiges Schreiben von Jahn, welches mehr als einen Hebel enthielt, chn aus seiner künstlichen Fassung zu bringen. Der Advocat schrieb mit kalter Ruhe, er sei von mehreren Seiten beauftragt, ihn in Klage zu nehmen. Zuerst vom Handelsjuden Moses Engelmann von Nentendorf auf Entschädigung. Derselbe behaupte, der Baron habe sich ihm verpflichtet, beim Verkauf der vierzig Stück fetten Mastochsen ihm den Vorkauf zu lassen. Diese Verab redung wolle er durch drei Zeugen bekräftigen. Nun habe der Herr Garon die Ochsen aber an den Selig Heinemann von Heilgenborn verkauft, ohne ihn, den Moses Engelmann, zu benach richtigen. Forderung der Entschädigungssumme: fünftausend Gulden. Zum Zweiten vom Handelsjuden Selig Heinemann auf Entschädigung. Derselbe habe bündigen und rechtskräftigen Kauf kontrakt mit dem Herrn Baron vorgelegt, abgeschlossen auf vierzig Stück fette Mastochsen und eine genau beschriebene Ziege, Stück für Stück zu fünfundzwanzig Karolin. Ferner einen Brief des Herrn Barons, worin behauptet werde, die Ochsen seien krank und die Ziege krepirt, deshalb könne der Herr Baron dem Ver trag nicht nachkommen. Nun seien aber Ochsen und Ziege deS Selig Heinemann Eigenthum gewesen und bereits eine Anzahlung auf die Kaufsumme angenommen und quittirt und mit Selig ein Futtergeld stipulirt. Der Herr Baron habe aber die Ochsen und die Zlegen an den Handelsmann Samuel Rosenblüth aus Allendorf in Kurhessen verkauft. Forderung der Entschädigung: zwanzigtausend Gulden. Zum Dritten vom Handelsjuden Samuel Rosenblüth auf Entschädigung. Derselbe habe bündigen und rechtskräftigen Kauf kontrakt mit dem Herrn Baron vorgelegt, abgeschlossen auf be- meldete Ochsen und Ziege. In dem Briefe des Herrn Barons, an Selig Heinemann gestehe der Herr ein, daß die Ochsen krank seien, folglich habe er den Samuel Rosenblüth mit krankem Mast vieh betrogen. Entschädigungsforderung: fünfzigtauscnd Gulden und Herausgabe der Ziege. . . Zum Vierten Denunciation des Zukn GäMtk Kosenblüth gßßen den Herm Baron wegen Versuchs zur Verführung zur Untreue und zum Betrug am StaatSsi-cuS durch Unterschlagung eines zu hebenden Schatzes, welchen ein ehemaliger Fürstbischof von Würzburg vergraben haben solle. Zum Fünften Denunciation desselben gegen den Herrn Baron wegen Versuchs zur Verführung zu Zauberei. Zum Sechsten Klage der Schullehrerwittwe Barbara Neu land wegen widerrechtlicher Vorenthaltung einer ihr gehörigen Ziege, die sie dem Herrn Baron rur Benutzung geliehen und die derselbe sowohl an den Juden Selig Heinemann, als an den Juden Samuel Rosenblüth verkauft habe. Der Herr Baron werde aufgefordert, diese Ansprüche an ihn in Güte zu befriedigen und zwar binnen sieben Tagen. Nach Ablauf dieser Frist würden die Klagschriften beim Landgericht eingereicht werden Der Baron tobte wie ein angeschossener Eber. Plötzlich gingen ihm die Augen ans über das Unheils welches die Ziege ihm bereitet. Daß er selbst die Ursache desselben sei, das sah er nicht ein. Er wußte keinen Weg weiter, als nach Burgwonach zur jüdischen Prophetin, die er mit Vorwürfen überhäufte. Die alte Sibylle hörte den Ausbruch seines Zornes ruhig an, dann versetzte sie: „Hab', ich Ew. Gnaden nicht drei- bis viermal ausdrücklich darauf aufmerksam gemacht, daß Sie sollten handeln klug und vorsichtig in der Sache, sonst würde sie Um schlägen zu Ihrem Schaden, die doch sollte bringen Ihren großen Vortheil? Und was haben Sie gethan? Sie haben verkauft die Ziege zweimal, die doch nicht war Ihr Eigenthum. Sie haben verkauft die Ochsen sogar dreimal. Und was haben zu schaffen die Ochsen mit der Ziege? Was kann die arme Ziege dafür, die Ihnen sollte bringen Glück und Segen, wenn Ihre Unklugheit Alles verkehrt in Unglück und Schaden? Ist nicht Alles eingetroffen, wie ich's Ihnen gesagt vorher? Die Ziege ist gekommen freiwillig; der Kabbalist ist gekommen freiwillig; der rechte Bock ist gekommen freiwillig. Was wollen Sie noch mehr? Der gnädige Herr ist selber Schuld an seinem Malheur, das freilich kann werden schlimm, sehr schlimm, daß Sie können verlieren darüber Hab' und Gut. Denn das haben die Zauberdinge an sich, daß, wenn sie durch die Unklugheit der Menschen umschlagen in ihr Gegentheil, sie nun gerade so viel bringen Schaden und Verlust, als sie erst hätten gebracht Nutzen und Vortheil. Je größer nun ist der vergrabene Schatz des Fürstbischofs, der Ihnen durch Ihre Unklugheit geht verloren, um so größer wird sein der Schaden an Ihrem Gut durch die Prozesse." Der Baron stand wie vernichtet. Es war ihm, als müsse er alle Menschen, die ihm vor die Augen kämen, massakriren und mit der alten Vettel anfangen. Frau Cohn mochte ihm die stille Wuth in den Augen ansehen, denn sie setzte begütigend hinzu: „'S ist aber noch nichts verloren; es kann noch Alles ge wonnen werden. Die Ziege hat noch nicht geworfen. Bringt sie das schwarze Böcklein zur Welt, so will ich mich selbst auf machen und den Kabbalisten begütigen. Und wenn er hört, daß das Böcklein da ist, so wird er kommen und den Schatz heben." Der Baron hatte kein Vertrauen mehr zu diesem Tröste, und es half selbst wenig, daß ihm Frau Cohn aus der gelegten Karte eine Menge schöner Dinge prophezeite. AlS er das Städt chen wieder verließ, war er gerade so klug, als wie er gekommen war d. h. er wußte nicht, was er thun und beginnen sollte. Auf der Tanzbuche hielt er sein Pferd an und suchte seinen Mißmuth in der Weinflasche zu ertränken. Aber je mehr er diesem Triebe nachgab, desto lauter wurde sein Unwille über seine Privatangelegenheiten und die Welthändel. Die Stube war voll Menschen, deren Aufregung in jenen Tagen fast stündlich stieg; man sprach von nichts als den Märzereignissen in den deutschen Landen und Städten. Der Baron sing damit an, auf den Advokaten Jahn zu schimpfen und hörte damit auf, auf die Burgwonacher und alles Volk zu schimpfen und abge schmackte Drohungen auszustoßen, die man seinem Rausche und seinem Aerger hätte gut halten sollen. In jenen Tagen war aber Niemand geneigt, einem aufgeblähten Edelmanne dergleichen zu gut zu halten, und ehe fich's de? unkluge Mann versah,.